Fusionswut in der Softwarebranche

17.09.1982

Fusionswut in der Softwarebranche: Erst unterzeichneten die Organisation Plaut AG und das Softwarehaus SAP einen Kooperationsvertrag; dann schlossen sich Computer Associates (CA) und Capex zusammen; nun hat sich die rhv Softwaretechnik GmbH, Düsseldorf, die Advis Jörg E. Richter & Partner GmbH, Hannover, einverleibt. Da kann man in der Tat von einem Trend zu größeren Einheiten sprechen, wie er bei den Hardwareherstellern seit längerem zu beobachten ist.

Doch anders als die zahlreichen Fusionen in der Computerindustrie werden Zusammenschlüsse in der Softwarezunft von den Entscheidungen Einzelner bestimmt: Resignierende Alleinunterhalter geben ihre Selbständigkeit auf; erfolgreiche Marktstrategen setzen mit den Übernahme-Engagements ihren Expansionskurs fort.

Beobachtern der Software-Szene scheint nicht ausgeschlossen, daß weitere Programmierbetriebe das kommende Jahr nicht überleben.

Kleinere Software-Werkstätten, nicht eben bekannt für Finanzkraft und Marketing, sind nun wohl endgültig auf den Dreh gekommen, daß es sich unter dem Dach eines potenten Partners auch ganz gut leben läßt. Einigen wird, ungeachtet aller Anstrengungen, ohnehin keine andere Wahl bleiben. Mangelndes Leistungsvermögen läßt sich nicht vertuschen.

Man kommt um die Feststellung nicht herum, daß in vielen bundesdeutschen Softwarehäusern noch eine Menge Stümperarbeit geleistet wird. Wie zum Teil Projekte abgewickelt würden, sei "eine Katastrophe", geben selbstkritische Firmeninhaber zu. Was etwa die ingenieurmäßige Produktion von Software oder eine benutzerfreundliche Dokumentation betrifft, könne man sich von britischen oder französischen Kollegen noch eine Scheibe abschneiden. Der Gedanke einer Anpassung des Programmierstils an die verfügbaren Automatisierungstechniken und an die sich daraus ergebenden Regeln ist der hiesigen Software-"Elite" offensichtlich noch fremd. Aber an eben diesen Normen muß sie sich schon heute messen lassen. Daß ein enormer Anwendungsrückstau besteht, nehmen viele Projektmanager beim Benutzer nicht mehr so ohne weiteres hin. Der Kunde will wissen, welche Software-Entwicklungskosten entstehen und ob Termine gehalten werden können.

Die Anwender sorgen sich um das Funktionieren der Datenverarbeitung. DV-Manager wollen den Computer an den Arbeitsplatz bringen. Dabei kommt es auf eine "saubere" Entwicklungsarbeit an (Stichwort: Software-Engineering), nicht auf emsiges Weiterwursteln.

Der "Internationale Kongreß für Datenverarbeitung und Informationstechnologie IKD '82 Berlin" zeigte auf, wo die Softwaretechnologie heute steht. Erfreulich: Design-Werkzeuge finden immer größere Akzeptanz. Derartige Systeme zu verkaufen erfordert freilich exzellentes Marketing - und das war die Sache der kleinen Softwarehäuser nicht.

Hierzulande leitete der externe Programmierer seinen Marktauftrag stets vom Vorbild des Individualisten ab, der seine Dienste nach der Formel "Stundensatz mal Projektstrecke" anbot. Doch mit Bodyleasing Umsatz zu machen wird immer mehr das Anormale. Die Fusionswelle rollt. Das Fischsterben beginnt.