Fusionen, Verkäufe, Pleiten:DV-Unternehmens-Transaktionen der vergangenen vier Jahre

15.12.1978

Zwei Aussagen lassen sich, vereinfacht, aus einer Analyse der Nachrichten über Firmen-Aufkäufe, Aktientausch und Kooperation während der vergangenen vier Jahre komprimieren:

- Der Kampf um Marktanteile verlagert sich zunehmend an die Peripherie - worunter auch die Fachabteilung zu verstehen ist und

- nur wenigen Spezialisten gelingt es, aus dem ersten Innovations-Erfolg einen überlebensfähigen Vertrieb zu finanzieren.

Nicht die Statistik, sondern der qualitative Inhalt der unternehmenspolitischen Nachrichten dokumentiert, daß die "wilden siebziger Jahre" in der DV-Landschaft strategisch geplanten Wachstumsperioden gewichen sind. Nominell hat zwar die COMPUTERWOCHE 1977 noch 42mal und 1978 nur noch 32mal über Fusionen oder Kooperationen berichtet - doch Paukenschläge wie in der Zeit von Oktober 1974 bis Jahresmitte 1975 waren nicht mehr dabei.

Damals geriet auch in der Bundesrepublik, in der EDV-Cowboys wie die Berliner Abschreibungskünstler Wagner und Konsorten oder die Systronic GmbH & Co KG längst verdrängt sind, manche Anwender-Bilanz durch einen überdimensionalen Abschreibungsbedarf aus den Fugen: Etwa als Xerox (21. Juli 1975) oder Singer (Ende 1975) das Handtuch warfen und als - nach der CII-Honeywell Bull-Verschmelzung - die Unidata platzte.

Nachrichten dieser bewegten Vergangenheit waren auch: Der Verkauf der Datel, die seriöse Übernahme des bremischen Softwarehauses "dSE Institut für Datensystem-Entwicklung" durch ADV/Orga oder als die Düsseldorfer GfA die vordem zur Porst-Gruppe gehörige Exdata-Service Rechenzentrum KG kaufte. Anfang 1975 kam dann die Meldung, daß Diehl eine Mehrheitsbeteiligung bei CTM erwirbt.

Vom Marktleader IBM wurde in der ersten Ausgabe der COMPUTERWOCHE die Meldung über das neue DÜ-Konzept SDLC provoziert - IBM verglich das weltweite Announcement der SNA mit dem "Anbruch einer neuen EDV-Epoche". Und eine weitere, die strategischen Ziele des Armonker Giganten offenbarende Nachricht ging Ende 1974 um die Welt: IBMs Plan 55 Prozent der Anteile der CML Satellite Corp. zu übernehmen, um im Satellitengeschäft Geschäft zu machen.

Dies war die Zeit, als vor allem Amerikas DV-Branche sensibel verfolgte, ob die unzähligen Klagen gegen den Marktführer wegen Mißbrauchs seiner Marktstellung Konsequenzen für IBM hätten. Sie hatten es, wie man heute weiß, im wesentlichen nicht.

Die Mutmaßung, die Aufteilung der IBM Worldtrade Corp. (die ehedem für das gesamte Nicht-Nordamerika-Geschäft zuständig war) in selbständige Gesellschaften für Europa, Mittelost und Afrika sowie Nord- und Südamerika und Fernost liefe darauf hinaus, im Anti-Trust Verfahren USA versus IBM eine bessere Ausgangsposition zu haben - wurde von IBM stets dementiert. Überdies kam damals der Spruch auf: "Dann gibt's statt einer IBM viele IBMs."

Während der Marktführer damals scheint's keine Wachstumsgrenzen kannte, bereicherten seine Verfolger die Szene mit Schrumpfkuren: Honeywell Bull schlackte (November 1974) beim Personal kräftig ab, über NCR witzelte die Branche "Nach Chaos Ruhe", und der Siemens-Unternehmensbereich DV steuerte zur GuV-Rechnung des Konzerns 180 Millionen Mark Verlust bei (GJ: 1973/74).

Dennoch drückte sich die künftige Potenz von Siemens schon zu dieser Zeit im Anwender-Verhalten aus: Nach der Neuordnung der DV-Aktivitäten bei Siemens (bei der aus der Computergesellschaft Konstanz die Industrie-Beteiligungsgesellschaft für Informationstechnik und die Zuse GmbH in Computergesellschaft Konstanz umgetauft wurde) lieferte der Benutzerverein "Siemens Computer User Team" - (SCOUT) die Gründungsschlagzeilen. "Der Wunsch des einzelnen Kunden ist Siemens nicht mehr Befehl. Das hängt damit zusammen, daß die Firma in den Kreis der großen EDV-Hersteller eingetreten ist", kommentierte ein SCOUT damals den Zusammenschluß.

Nicht viel zu berichten gab es über den Vollzug der Kooperation hinaus über die

"Magnetic Peripherals Inc." - eine mit 75 Millionen Dollar Betriebskapital Ende April 1975 von Honeywell und CDC auf die Reise geschickte Gesellschaft zur Herstellung von rotierenden Daten- und Progammspeichern. Es ist still um diese Verbindung, so still wie um die "Multinational Data", jene Kooperation, die noch zwei Jahre früher von ICL, CII und CDC in Brüssel eingegangen worden war.

Die Herrschaftsverhältnisse änderten sich bei einer Reihe von DV-Herstellern auch 1977, als Nixdorfs Ausstieg bei Amdahl (und die Bewertung der Amdahl-Aktie durch amerikanische Banker als "Risiko-Papier") und der Paderborner Einstieg bei Entrex den Beteiligten die Ohren singen ließ. Gesprächsstoff lieferte auch die Krantz-zu-Varian- und Varian-zu-Univac-Transaktion".

Jüngere Vergangenheit sind der Telex-Rückzug aus Europa - diese Aktivitäten übernahm Memorex; der Einstieg Raytheons in die Textverarbeitung durch den Lexitron-Aufkauf, der teilweise Rückzug Toshibas und schließlich - zur Hannover-Messe - die Verbindung zwischen Diehl und T/A. Nicht ganz so gewichtig die Nachricht von der Übernahme Vadics durch Racal.

Geprägt war das Jahr 1978 vor allem durch die Meldungen aus dem Fernen Osten: Die Invasion der Japaner beschäftigte nicht nur die Amerikaner - sie macht auch Siemens stark. Und daß das Triangel Fujitsu-Siemens-Amdahl immer häufiger von sich reden macht - dies beweist auch die Meldung auf Seite 1 dieser 200sten COMPUTERWOCHE.