Funkwerk Koepenick: PPS eingefuehrt und umgestellt

01.07.1994

Technischer Fortschritt und die Liberalisierung des Kommunikationsmarkts bescheren den Herstellern funktechnischer Endgeraete grosse Wachstumschancen, aber auch einen harten Preiskampf. Die meisten wettbewerbswirksamen Faktoren stekken im Fertigungsprozess. Das Detewe Funkwerk Koepenick entschied sich daher fuer ein komplexes System zum Management der Produktionsdaten, das die Wertschoepfungskette in der Fertigung abbildet.

Das Funkwerk Koepenick - heute Tochter der Detewe, eines Herstellers von Kommunikationssystemen - ging durch eine Ausgruendung aus dem fuehrenden Produktionsbetrieb fuer Sende- und Empfangsanlagen in der frueheren DDR hervor, der eine sehr breite Produktpalette hatte. Seit der Geschaeftsaufnahme am 1. September 1992 widmet sich das Unternehmen der Fertigung von schnurlosen Telefonen sowie von Buendelfunkgeraeten fuer zentrale und mobile Anwendungen. Zur Zeit sind rund 300 Mitarbeiter beschaeftigt. 1994 wird ein Gesamtumsatz von 150 Millionen Mark erwartet.

Die Vorarbeiten fuer das neue PPS-System kamen bereits im Vorgaengerbetrieb in Gang. Ausgangspunkt war ein ESER-Rechner, mit dem auch die Stammdaten des Fertigungsbereichs verwaltet wurden. Eine Arbeitsgruppe kuemmerte sich zunaechst um den Neuaufbau einer zentralen Adabas/Natural-Datenbank fuer die kaufmaennisch- administrativen und fertigungsorientierten Anwendungen. Die kommerziellen Applikationen wurden dann jedoch wegen der Veraenderungen im Unternehmen mit einem Novell-Netz realisiert.

Im Fertigungsbereich hielt das Unternehmen hingegen an der gewaehlten Plattform fest - einem VAX-System, Modell 90, mit rund 70 Bildschirmplaetzen, das mit etwa 100 PCs und mit Sun- Workstations in ein betriebsweites lokales Netz eingebunden ist. Die Adabas-Datenbank fungiert als Kernstueck des vom gleichen Hersteller angebotenen Produktionsdaten-Management-Systems "Prodis", dessen Einfuehrung im Sommer 1990 in Zusammenarbeit mit der Software AG begann.

Die unternehmensspezifische Modifizierung der Software wurde durch stetige Veraenderungen im Produktionsprogramm und in der Fertigungsorganisation erschwert. Der Aufwand verteilte sich auf organisatorische und softwaretechnische Anpassung im Verhaeltnis von 60 zu 40. Die Datenuebernahme aus den Stuecklisten und Arbeitsplaenen von der ESER-Loesung in die neue Datenbank bildete die Grundlage fuer die neuen Anwendungen. Neben der DV-Abteilung und den Fachberatern des Anbieters waren die Fachbereiche voll in das Projekt involviert.

Waehrend der Installation auf Prodis 2 umgestiegen

Den Anfang machten im Herbst 1990 die Prodis-1-Module "Materialbedarfsplanung" und "Fertigungsplanung", die den Fachabteilungen im zweiten Quartal 1991 zur Verfuegung gestellt wurden. Dann wurden Module fuer die Auftragsverwaltung und - abwicklung, Stuecklistenverwaltung, Stammdatenverwaltung (fuer Firmen-Basisdaten), Lagerverwaltung (mit Lagerplatzverwaltung und wertmaessiger Bestandsfuehrung) und Erzeugniskalkulation betriebsfertig installiert und eingesetzt. Hinzu kamen Hilfs- und Kontrollwerkzeuge aus eigener Entwicklung. Im Sommer 1993 verfuegte das Funkwerk erstmalig in seiner Geschichte ueber eine stuecklistenorientierte Fertigungsorganisation.

Schon mitten in der Einfuehrungsarbeit, ab Januar 1993, hatte sich das DV-Team jedoch der Grundloesung Prodis 2 zugewandt, die mit einer einheitlichen Softwarestruktur (Frame-Technologie), einer benutzerfreundlichen Application-Shell sowie mit neuen und verbesserten Modulen aufwartete.

Die Umstellung auf die neue Loesung erforderte einen Aufwand von zwei Mannjahren, denn hierbei wurden weitere Anforderungen aus den Fachabteilungen beruecksichtigt. Ausserdem mussten betriebsspezifische Optimierungen ausgefuehrt und Software- Ergaenzungen verwirklicht werden. Neben einem Modul fuer die Materialbeschaffung machten die Entwickler eine Sachmerkmalsleiste nach DIN 4000/4001 verfuegbar, welche durch die Festlegung von Teilefamilien massgeblich zur Teilenormung in der Konstruktion, Lagerwirtschaft und Fertigung beitragen soll. Ausserdem wurden eine Nettobedarfsrechnung fuer die Materialplanung und das Beschaffungswesen, Module fuer den Vertrieb und Service sowie ein Interface fuer die Datenuebernahme zur Finanzbuchhaltung in Betrieb genommen.

Mit dem Echtbetrieb des Nachfolgesystems wurde Anfang Februar 1994 ohne parallelen Einsatz der Vorgaengerloesung begonnen - in saemtlichen Anwendungsgebieten und mit grossen Erwartungen. Das neue System bildet dem Unternehmen zufolge die Wertschoepfungskette im Fertigungsprozess ab. Auch die Daten fuer Soll-Ist-Vergleiche bei den Controlling-Funktionen sind an die Wertschoepfungsstufen gebunden.

In der Materialwirtschaft geht man davon aus, kuenftig weniger Teile im Lager vorhalten zu muessen. Dazu trage neben der zentralen Stammdatenpflege vor allem die Sachmerkmalsleiste bei. Die Ergaenzung durch die Lagerplatzverwaltung mache dem Fertigungsbereich die logistischen Vorteile einer chaotischen Lagerung zugaenglich. Vor allem die Ablaeufe in der Ein-, Um- und Auslagerung mit ihren Kommissionierungsvorgaengen liessen sich auf diese Art optimieren.

In Kuerze soll noch ein Modul fuer die Inventur zum Einsatz kommen. Damit unterstuetzt das neue DV-System nicht allein die mengen- und wertmaessige Lagerbestandsverwaltung im Zentrallager, sondern auch die Zwischenlagerung von Halbfabrikaten und Endprodukten. Zu diesem Teilsystem gehoeren ausserdem Auswertungen, die sich zur mitlaufenden Kalkulation im Auftragswesen heranziehen lassen.

Von Herbert Schramm

Der Autor arbeitet als freier Journalist in Hamburg.