Lücke im BGB zwingt zu sorgfältiger Vertragsgestaltung:

Funktionsprüfung oft unzureichend beachtet

15.10.1982

MÜNCHEN - Wie stellt man bei Hardware und Software fest, ob im Zeitpunkt der Anmietung oder des Kaufs Mängel vorliegen? Praxisüblich ist hier eine sogenannte "Funktionsprüfung". Da dieser technische Begriff nicht aus der Gesetzessprache stammt, muß vertraglich festgelegt werden. was unter "Funktionsprüfung", "Übergabe" und "Abnahme" zu verstehen ist.

Wird eine CPU oder ein Datenträger an den Anwender übergeben, trägt dieser von nun an das Risiko, daß diese Gegenstände ohne Verschulden vom Anbieter oder Anwender beschädigt oder zerstört werden. Mit der Übergabe geht auch das Risiko des zufälligen Untergangs über.

Abnahme kann der Kunde, gleich, ob es sich um den Kauf von Software oder Hardware handelt, nur verlangen, wenn diese ausdrücklich vertraglich vereinbart ist. Aus den gesetzlichen Bestimmungen zum Kaufrecht ergibt sich ihre Notwendigkeit nicht. Gleiches gilt für Mietverträge. Hier hat freilich der Mieter die Pflicht, den Vermieter von Mängeln "unverzüglich" nach deren Auftreten zu unterrichten (° 545 BGB) Die Prüfung selbst bleibt ihm freilich allein überlassen.

Günstiger steht der Anwender nur bei Werkverträgen da (etwa bei Erstellung problemorientierter Programme oder einer Organisationsanalyse). Hier schuldet der Anbieter vom gesetzlichen Vertragstyp her als Werkunternehmer einen definierten Erfolg: das "Werk", das vom Anwender abgenommen werden muß, wenn es vertragsgemäß ist (° 640 BGB). Wie der Kunde dies feststellt, ergibt sich allerdings auch nicht aus dem Gesetz. Immerhin stellt das Landgericht Siegen fest, daß in der bloßen Übergabe des Datenträgers keine Abnahme eines Programmes zu sehen ist. Zumindest bei Werkverträgen ist also eine sachgerechte Überprüfung notwendig und wenigstens deren Ermöglichung durch den Werkunternehmer (den Anbieter) geschuldet.

Für sämtliche Verträge enpfiehlt sich deshalb, die Durchführung einer Funktionsprüfung vertraglich detailliert festzustellen. Bei Hardware verläuft sie natürlich anders als bei Software, selbst wenn der Hersteller gleichzeitig eine Anlage und Softwarepakete liefert. Dauert etwa die Funktionsprüfung der Programme länger, sollte sichergestellt sein, daß nicht bereits eine einheitliche Gewährungsfrist seit Abschluß der Funktionsprüfung der Hardware lauft.

Weiter ist zu beachten, daß generell die Gewährleistungsfrist, in der Mängel geltend gemacht werden können, auch tatsächlich erst mit Abschluß der Prüfung läuft. Da die Funktionsprüfung in den Bestimmungen des BGB nicht oder nur rudimentär vorgesehen ist, liegt dies keineswegs fest. Fehlt es hier an klaren Regelungen, prüft der Anwender im Falle extrem komplexer Programme vielleicht noch immer, wenn die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen ist.

Alle Modalitäten der Funktionsprüfung sollten bereits beim Vertragsabschluß festgelegt werden. Dies gilt insbesondere für Rahmenbedingungen der Prüfung (Kostentragung, Personalgestellung, verfügbare Zeit, Closed-shop-Betrieb, Herkunft der Testdaten etc.). Später nach bewährter Zusammenarbeit mag man sich dann, etwa bei Zusatzlieferungen und Vertragsverlängerungen, mit mündlichen Vereinbarungen begnügen. Meist steht aber die kleine Mühe der Schriftform in keinem vertretbaren Verhältnis zu den Beweislastrisiken, wenn auf diese verzichtet würde.

Allgemein nimmt der Anbieter im Rahmen der Funktionsprüfung die als betriebsbereit (Hardware) oder funktionsbereit (Software) angebotene Leistung entgegen und überprüft sie, soweit möglich (und so lange wie nötig und vereinbart) auf möglichst Mangelhaftigkeit hin.

Maßstab dieser Prüfung sind die zum Vertragsbestandteil gemachten Angaben über technische Leistungsdaten und die Aufgabenbeschreibung. Wer die gebotene Möglichkeit einer Abnahme nicht nützt, muß sich so behandeln lassen, als hätte er doch abgenommen. Auch diese Fiktion löst dann den Beginn der Gewährleistungsfrist und Zahlungsfälligkeit aus. Das Ergebnis der Prüfung wie auch Unterbrechungen und Nachbesserungen in deren Ablauf ist in einem Protokoll festzuhalten, das beide Seiten unterzeichnen.

Wie bei dem behandelten Thema der Mängeldefinition ist auch für die Mängelprüfung festzustellen, daß nur ausreichend präzise Vertragsbestimmungen die beiderseitigen Risiken vorhersehbar eingrenzen und schließlich auch anbieterseits Wettbewerbsvorteile bringen.

Dr. Frank A. Koch ist Rechtsanwalt in München

Fragen zur Funktionsprüfung

- Welche Rechte folgen aus den Vertragsbegriffen "Übergabe", "Abnahme" und "Funktionsprüfung"?

- Sind die Durchführung der Funktionsprüfung und der Beginn von Gewährleistungsfrist und Zahlungsfälligkeit aufeinander abgestimmt?

- Ist die Modalität der Funktionsprüfung genügend detailliert festgelegt? Wer trägt die Kosten und stellt das Personal? Welche Zeit ist verfügbar? Closed-shop-Betrieb?