Home Networking/Bei der Heimvernetzung konkurrieren verschiedene Ansätze

Funkt's im intelligenten Haus?

21.01.2000
Nachdem Nutzbauten schon länger mit strukturierter Verkabelung und zentralen Systemen ausgerüstet werden, finden nun auch in Wohngebäuden bautechnische Einrichtungen (HKL= Heizung, Klima, Lüftung), Haushaltselektrik und -elektronik zumindest potenziell zusammen. Wie Heinrich Seeger* berichtet, ist diese Szene technisch jedoch noch recht unübersichtlich.

Keine Frage, das Konzept hat was: Urlauber schalten kurz vor der Heimreise ihre Heizung per Telefonanruf an; Klimaregelung und Jalousiensteuerung reagieren selbstständig auf Außentemperatur und Stärke des Sonnenlichts, was Energie spart; die Innen- und Außenlampen schalten sich bei Abwesenheit der Hausbewohner nach einem vorgegebenen Programm an und aus, damit Einbrecher nicht auf die Idee kommen, der Hausherr sei abwesend und ein Einbruch die einfachste Sache der Welt. Die weiße Ware schließlich mutiert mit Netzintelligenz zum elektronischen Hauspersonal: Der Elektroherd meldet den Garzustand des Bratens an den Fernseher, die Waschmaschine im Keller wird von der Dachwohnung aus ferngesteuert, und der Kühlschrank schickt seine Einkaufsliste an den Supermarkt. Schöne bequeme Welt ...

... die allerdings den Bauträgern und Installateuren einiges abverlangt, womit diese bisher nichts zu tun hatten. Die Technologien zur intelligenten Hausvernetzung sind wegen ihrer Komplexität durch einen "nicht unerheblichen Erklärungsbedarf" gekennzeichnet. Nach Einschätzung des Fürther Beraters Gerhard Stock von GWD Consulting ist damit auch schon der wichtigste Grund dafür genannt, dass die Durchsetzung intelligenter Netzkonzepte am Bau lange Zeit schleppend verlief und bis zum heutigen Tag noch immer nicht so recht in Gang kommen will.

Dem vorsichtigen Herantasten der Bauherren an die Hausintelligenz steht eine Vielzahl konkurrierender Technologien gegenüber, was die Sache nicht unbedingt vereinfacht. Im Wesentlichen kommen die Anbieter aus zwei Richtungen: Zum einen haben die Unternehmen der Computer- und Kommunikationsbranchen das Marktpotenzial (vgl. "Der IQ im Netz steigt nur langsam", Seite 50) der Heimvernetzung erkannt und offerieren Konzepte wie Universal Plug and Play (UPNP; Microsoft), Bluetooth (unter anderem befürwortet vom Handy-Spezialisten Ericsson), Irda von der Infrared Data Association oder das besser bekannte Jini von Sun Microsystems. Diese Technologien zielen vor allem auf die Vernetzung von PCs und Peripheriegeräten sowie mobiler Kommunikations-Devices (Handhelds, PDAs) ab. Zum anderen wollen auch die Unternehmen und Konsortien, die bislang ausschließlich Zweckbauten vom Büroturm über die voll integrierte Fabrik bis hin zum Rugby-Stadion vernetzt haben, ihren Teil vom Kuchen der Wohngebäudeautomatisierung abhaben. Hier geht es weniger um die künftige private Computervernetzung als darum, den heute schon existierenden HKL-Bereich mit intelligenten Apparaten aller Art (von der Waschmaschine bis zum Eierkocher) zu integrieren.

Die Namen in diesem eher bodenständigen Segment sind weniger populär: "Lonworks" von der amerikanischen Echelon Corporation, "Building Automation and Control Network" (Bacnet), "European Installation Bus" (EIB), für den vor allem die "Instabus"-Variante von Siemens steht, "Batibus", zuvorderst repräsentiert durch die französische Firma Merlin Gerin, und European Home System Association (EHSA), eine Initiative, die mit EIB und Batibus zu einem Standard zusammengeführt werden soll.

Lonworks

Lonworks ist eine Technologie zum Planen, Erstellen, Installieren und Warten von Kontrollnetzwerken jeder Größe. Darunter, heißt es bei der Lon-Nutzerorganisation LNO, ist eine Gruppe von Knoten mit Sensoren und Aktoren zu verstehen, die über unterschiedliche Medien miteinander kommunizieren, dabei aber ein einheitliches Protokoll benutzen.

Das Herz des Lonworks-Netzes ist der "Neuron"-Chip, der von Toshiba, Cypress Semiconductor und - noch bis Ende des kommenden Jahres - von Motorola hergestellt wird. Er besteht aus drei integrierten 8-Bit-Prozessoren, von denen zwei für die Ausführung des OSI-basierten "Lontalk"-Protokolls zuständig sind; der dritte steuert die Anwendungen in jedem Knoten. Jedes Endgerät in einer Lonworks-Vernetzung benötigt einen Neuron-Chip. Dieser umfasst Funktionen wie Zeitschaltung, Diagnose, Endgerätetreiber, ein verteiltes Echtzeit-Betriebssystem und Runtime-Libraries.

Die Stärke von Lonworks, nach Darstellung der Entwicklerfirma Echelon und nach der Einschätzung unabhängiger Berater, besteht in seiner Eigenschaft, "mit einem einzigen Automatisierungssystem gewerkeübergreifend und herstellerunabhängig alle Anwendungen innerhalb eines Gebäudes - von der Aufzugssteuerung bis zur Zutrittskontrolle - realisieren zu können", preist LNO-Sprecher Harald Hasenclever den Ansatz. Die "Gewerkeneutralität" hat allerdings auch eine Kehrseite, die im Handwerk zu einigen Verunsicherungen führen dürfte: Die Aufgabenteilung zwischen Elektro- und Sanitärbetrieben weicht auf, an Stelle von Spezialisten sind Systemintegratoren gefragt. "Die Aufgaben werden neu verteilt, es wird Gewinner und Verlierer geben", prophezeit Hasenclever.

EIB

Anders als Lonworks kommt der European Installation Bus (EIB) ohne ein Kontrollzentrum aus. Die EIB Association (Eiba) präsentiert die Technologie als integrierte Lösung für die komplette Automatisierung von Wohn- und Nutzgebäuden. Der Bus ist auf verschiedenen Trägermedien darstellbar:

- auf verdrillten Zweidrahtleitungen (Twisted Pair - "EIB TP" für Bus-Segment-Längen von bis zu 1000 Metern),

- im Stromkabel (Powerline - "EIB PL" für maximale Distanzen zwischen zwei Bus-Teilnehmern von 600 Metern, wobei elektromagnetische Interferenzen der sonstigen Elektroinstallation die Reichweite beeinträchtigen können) sowie

- über Funkfrequenzen (Radio Frequency - "EIB RF" für Übertragungsdistanzen bis 300 Meter außerhalb von Gebäuden. Dazu kommen Infrarotübertragung ("EIB IR") und eine Variante für Multimedia-Daten (Multimedia Services - "EIB MMS"). Zudem lässt sich mit Hilfe der "EIB-Net"-Spezifikation die Informationsübertragung über alle Medien realisieren, deren Logical-Link-Layer der Norm ISO/IEC 803-2 entspricht. EIB Net kann über vorhandene Nah- und Weitverkehrsnetze geroutet werden, also etwa über existierende Office-Ethernets oder sogar über das Internet.

Mit führend im Eiba-Konsortium ist Siemens, das die Instabus-Adaption des Standards anbietet. Dabei handelt es sich um ein "dezentrales, ereignisgesteuertes Bus-System mit serieller Datenübertragung zum Steuern, Überwachen und Melden betriebstechnischer Funktionen", so die Siemens-Definition. Alle angeschlossenen Teilnehmer haben die Möglichkeit, über den Bus als gemeinsamen Übertragungsweg Informationen untereinander auszutauschen. Die Informationen werden in "Telegramme" verpackt und von einem Sensor (etwa berührungssensitive programmierbare Schalter, Feuchtigkeitsmesser, Lichtmesser etc.) als Befehlsgeber zu einem Aktor - zum Beispiel an Motoren für Roll-Läden, Licht oder Heizung - geschickt, wo die Kommandos ausgeführt werden. Zusammen mit den Sensorbefehlen überträgt der Siemens-Instabus eine Versorgungsspannung von 24 Volt Wechselstrom über die Stromleitung. Klappt die Übertragung, quittieren die Aktoren den Empfang, ansonsten wird der Prozess bis zu dreimal wiederholt. Zwar hören alle Teilnehmer in einem Instabus-Netz alle Befehle mit, ein Adressierungssystem sorgt aber dafür, dass nur die angesprochenen auch reagieren.

Batibus

Der französische Batibus ist das älteste existierende Bus-System zur Gebäudevernetzung; bereits 1989 wurde der BCI (Batibus Club International) von den Unternehmen Merlin Gerin, Airelec, EDF und Landis & Gyr gegründet. Batibus erlaubt die Verständigung zwischen allen Zentraleinheiten, Sensoren und Aktoren für die Gebäudesteuerung, also unter anderem für Heizung, Klimatisierung, Beleuchtung und Schließfunktionen. Das Bus-System benötigt eine verdrillte Zweidrahtleitung, über die auch die Versorgungsspannung für die Sensoren geleitet wird.

Mittlerweile bewegt sich etwas in dieser zersplitterten Szene: EIB, Batibus und das European Home System (EHS; gegründet 1990 unter anderem von ABB, British Telecom, Philips, Siemens und Thomson Multimedia) werden seit 1999 sukzessive zusammengeführt. Das Ziel: Ein neuer Konvergenzstandard auf Grundlage der elektrischen Verkabelung mit dem anvisiertern Namen "Home and Building Electronic Systems".

Bacnet

Das Bacnet-Protokoll ist nicht als Konkurrenz zu bestehenden Standards positioniert, sondern als Abrundung nach oben, als technische Sprachregelung für den Datenaustausch zwischen Anlagenkomponenten. Die weltweite Verbreitung dieses Standards hat sich die in Europa gegründete Bacnet Interest Group e. V. (BIG) zum Ziel gesetzt. Bacnet ist als Kommunikationsprotokoll für die Management- und die Automationsebene angelegt; der Schwerpunkt liegt auf HKL, Lichtsteuerung, Sicherheit und Brandmeldetechnik. Das Protokoll, versichern die Entwickler, soll nicht mit den existierenden Standards wie EIB und Lontalk konkurrieren, sondern als gemeinsamer Nenner fungieren. Die Bacnet Interest Group appelliert an die Hersteller von Lon- und EIB-kompatiblen Produkten, die neue Schnittstelle zu adressieren, um auf der Management-Ebene eine gemeinsame Steuerung, Regelung und Überwachung zu ermöglichen. Bacnet ist also primär zur Systemverwaltung gedacht. Auf der Automationsebene, heißt es bei der BIG, könnten auch andere Protokolle eingesetzt werden. Und wiederum eine Ebene tiefer, auf der Feldebene, wo der Zugang zu den physikalischen Medien geschaffen wird, verliert Bacnet seine Bedeutung zu Gunsten von Protokollen wie Lontalk, EIB, Batibus oder EHS.

Kommunikation und Entertainment

Die Aufgaben Messen, Steuern und Regeln befinden sich (noch) nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der zweiten Gruppe von Anbietern. Das liegt daran, dass die Hersteller von Haushaltsgeräten und Sanitär-/Elektroeinrichtungen ihre Produkte noch nicht in großer Zahl kommunikationsfähig und empfänglich für Befehle von Handy oder Home-PC gemacht haben. Bis es so weit ist, geht es bei den Konzepten von Microsoft, IBM und Co. primär um die Vernetzung von Unterhaltungselektronik, Home Office und (mobilen) Kommunikationsgeräten.

Vernetzung: Funk oder Kabel?

Mehr noch als in Nutzbauten dürfte für Wohnhäuser die Frage der Verkabelung entscheidend sein, mit denen Steuerungsnetze realisiert werden - einerlei ob für HKL, weiße Ware, Unterhaltungselektronik oder IuK-Technik. Je geringer der Aufwand für die physikalische Vernetzung ist, desto größer sind die Marktchancen einer Technologie. Kabelfreie Infrarot- und Funknetze sind in dieser Hinsicht natürlich nicht zu schlagen. Aber auch die Verkabelung mit simplen verdrillten Zweidraht-Telefonleitungen stellt eine kostengünstige Alternative dar.

Hinsichtlich kabelloser Verbindungen im Heim scheint es auf eine Konfrontation zwischen dem funkbasierten Bluetooth und dem Standard der Infrared Data Association (Irda) hinauszulaufen. Beide können stationäre und mobile Computer, Drucker, Telefone, Pager, Modems und LAN-Komponenten miteinander verbinden. Bei Irda kommen noch medizinische Geräte und Kameras dazu.

Das bereits weit verbreitete Irda ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung; der Abstrahlwinkel der Infrarotstrahlen ist auf 30 Grad beschränkt, die Entfernung auf einen Meter. Es lassen sich Datentransferraten zwischen 9600 Bit und 16 Mbit pro Sekunde erreichen. Das erst im vergangenen Jahr vorgestellte Bluetooth dagegen operiert mit 2,4-Gigahertz-Funkwellen und ermöglicht dadurch auch Verbindungen zwischen einem Sender und mehreren Empfängern (Point-to-Multipoint). Der große Vorteil: Funkwellen sind nicht auf Sichtkontakt angewiesen, sondern durchdringen auch Wände, Decken und Fußböden. Die Reichweite der Bluetooth-Signale beträgt standardmäßig zehn Meter, lässt sich aber auf 100 Meter ausdehnen. Die Irda-Stärke demgegenüber: In Umgebungen mit mehreren möglichen Empfängern für ein Signal lässt sich ein Empfänger anvisieren und gezielt adressieren, etwa um während einer Konferenz Kontaktdaten zwischen PDAs zu überspielen. Dieser Vergleich verschafft Bluetooth einen potenziellen Vorsprung bei der Heimvernetzung.

Dort wird es sich allerdings auch mit der Technologie der Home Phoneline Networking Alliance (Home PNA) auseinander setzen müssen: Die Möglichkeit, ein gewöhnlich teuer und aufwändig zu installierendes Ethernet mit billigen und womöglich bereits vorhandenen Telefonkabeln zu realisieren, lässt das private LAN in nicht wenigen Fällen sicher erst in den Bereich des Möglichen rücken. Home PNA erlaubt einen Datentransfer mit 10 Mbit pro Sekunde. Weil der Ethernet-Standard IEEE-802.3 verwendet wird, lassen sich alle Treiber und Programme wie gewohnt verwenden. Lediglich die Zahl der Anschlüsse ist auf 25 Geräte begrenzt. Für die Vernetzung dürfte das jedoch selbst in kinderreichen Familien oder großen Wohngemeinschaften einstweilen reichen.

Angeklickt

Das intelligente Haus kommt ohne eine zugrunde liegende Netzinfrastruktur nicht aus. Ob es sich dabei um das Telefonnetz, Stromkabel, Funkverfahren oder spezielle Bussysteme handelt - fehlt die entsprechende Kommunikationsbasis, lässt sich keine Gebäudesteuerung realisieren, kann die Waschmaschine keine E-Mails empfangen. Ob Bluetooth, Lonworks, Powerline oder Eiba: Eine ganze Reihe von Verfahren steht zur Auswahl.

*Heinrich Seeger ist freier Journalist in Hamburg.