Seamless Handover: Wireless LAN trifft Handy-Netz

Funkstandards arbeiten Hand in Hand

08.03.2002
CANNES (hi) - Mit dem Siegeszug mobiler Endgeräte wie Pocket PCs, PDAs oder intelligenter Handys stehen Anwender vor der Frage: Wie binden sie die Rechner an ihre Unternehmensnetze an?

Sauna, Schwimmbad und Fitness-Bereich waren bislang die Qualitäts- und Differenzierungsmerkmale der Hotels für Geschäftskunden. Im Zeitalter des E-Business kristallisiert sich ein neues Kriterium heraus: Der Anwender verlangt einen schnellen und mobilen Netzzugang, um auch auf Reisen Zugriff auf Unternehmensdaten und Applikationen zu haben.

Noch vor knapp einem Jahr wäre die Antwort auf die Frage nach dem Access-Medium eindeutig ausgefallen: UMTS als Standard der Handy-Netze der dritten Generation. Mittlerweile sind hierzu, wie etwa auf der 3GSM World 2002 in Cannes, differenziertere Töne zu hören. Viele Hersteller können sich nämlich bereits vorstellen, ohne das einst als Ermöglichungstechnologie für die mobile Welt gefeierte UMTS auszukommen. Auf der Messe vertraten etliche Aussteller die These, dass etwa das als Übergangslösung konzipierte GPRS und nicht UMTS die dominierende Transfertechnologie der nächsten zehn Jahre sein werde.

Zudem stellt sich die Frage, ob die Business-Kunden wirklich die Handy-Netze im großen Stil als Access-Medium nutzen oder nicht auf die stärkere WLAN-Alternative (WLANs = Wireless LAN) mit 10 Mbit/s ausweichen. Glaubt man den in Cannes versammelten IT-Herstellern wie Intel oder Cisco, werden die klassischen Orte des mobilen Arbeitens wie etwa Kongresshallen, Hotels, Messen oder Flughäfen als Hotspots mit Funk-LANs versorgt. Eine Option, die nach den Berechnungen der Marktforscher 2005 etwa 20 Millionen mobilen Anwendern an rund 17,3 Millionen Hotspots in Europa zur Verfügung steht.

Um in dieser heterogenen Welt jederzeit automatisch den Zugriff auf das leistungsfähigste und günstigste Funknetz zu haben, propagieren Intel, Cisco und Co. die Idee des "Wireless Inter-Standard Roaming" beziehungsweise "Seamless Handover". Darunter verstehen die Hersteller eine Technologie, die je nach Verfügbarkeit zwischen dem Wireless LAN und den Handy-Netzen hin- und herschaltet. Auf den Endgeräten benötigen die Anwender nach Angaben der Produzenten hierzu lediglich einen entsprechenden Treiber, der eine Ethernet-Karte emuliert, sowie zwei leere PCMIA-Steckplätze für das GSM/GPRS-Funkmodem und die WLAN-Karte. Letztere dürfte jedoch in naher Zukunft ein integraler Bestandteil von Notebooks und PDAs sein.

Dass solche Roaming-Verfahren funktionieren, demonstrierte Intel in Zusammenarbeit mit der schwedischen Icomera oder die schweizerische Tnet gemeinsam mit Transat und Performance Technologies. Der Ansatz des Seamless Handover ist jedoch nicht nur unter Leistungs- und Kostenaspekten interessant, sondern auch unter Gesichtspunkten der Sicherheit. Über die für das Funkmodem erforderliche SIM-Karte eines Mobilfunkbetreibers kann nämlich gleichzeitig eine eindeutige Authentifizierung des Benutzers im Wireless LAN erfolgen. Zudem hat die Verschmelzung von Handy- und WLAN-Welt unter Controlling-Aspekten für die Unternehmen einen weiteren Vorteil: Sie bekommen lediglich eine Rechnung von ihrem Mobilfunk-Provider - unabhängig von der genutzten Infrastruktur -, was die Kostenkontrolle deutlich erleichtert.

In letzter Konsequenz, so Hans Geyer, Intel Vice President Cellular Communications Division, müssten sich die IT-Administratoren darauf einstellen, dass die Anwender künftig auf Reisen sowohl über WLANs als auch Handy-Netze Zugriff auf das Corporate Network begehren. Dabei dürften laut Cisco Vice President John Mason jedoch die WLANs das bevorzugte Access-Medium sein, "da sie kostengünstiger und leistungsfähiger sind. Die Handy-Netze werden dagegen nur in Gebieten ohne Hotspots eine Rolle als Lückenbüßer spielen."

Unabhängig von den gewählten Access-Arten hat der Wunsch nach mobilem Zugang zu Unternehmensinformationen für die IT-Verantwortlichen laut Geyer eine Konsequenz: "Sie müssen sich an den Gedanken gewöhnen, ihre Netze zu öffnen, indem sie die mobilen Devices als integrale Mitglieder der DV-Infrastruktur betrachten." Glaubt man dem Intel-Mann, werden die mobilen Endgeräte aus Performance-Gründen - etwa bei zeitkritischen Applikationen - hinter der Firewall in den IT-Verbund eingebunden. In puncto Sicherheit hat der Manager wenig Bedenken, da seiner Meinung nach durch die bereits angesprochene Kombination aus SIM-Karte und Telefonnummer der Anwender eindeutig identifzierbar sei. Um jedoch größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, wäre noch eine Standleitung oder ein VPN zum Mobilfunkbetreiber oder Hotspot-Anbieter erforderlich.

AnbindungsvariantenEine andere Anbindung favorisiert dagegen Ralph Demuth, IBM-Manager Wireless E-Business. Er befürwortet eine Verbindung mit den Mobilfunknetzen, gleich ob WLAN oder Mobilfunk, vor der Firewall, da der Anwender so nicht auf Vorleistungen der Betreiber angewiesen sei. Die Firewall könnte dabei unerwünschte Besucher abblocken, während die eigentliche Übertragung mit verschlüsselten Protokollen abgesichert werde. Ferner kann der IT-Leiter laut Demuth mit dieser Herangehensweise gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: "Mit dem Siegeszug von DSL müssen sich die IT-Verantwortlichen nämlich auch darauf einstellen, dass Mitarbeiter vom Home Office Zugriff auf die Unternehmens-DV wünschen." Und dieser Zugriff via DSL und Internet benötigt wiederum eine Absicherung.

Abb: Inter-Standard-Roaming

Koexistenz der Access-Medien: Glaubt man den IT-Herstellern, nutzen die Anwender künftig sowohl WLANs als auch Handy-Netze. Quelle: Intel