Fujitsu Siemens Computers wird in Siemens integriert

06.08.1999
Anfang August wollen die Siemens AG und Fujitsu Details des Joint-ventures Fujitsu Siemens Computers bekanntgeben. Aus dem Geschäftsbereich Information and Communications Products (ICP) wird Siemens die Computer-Systems-Division für das Gemeinschaftsunternehmen beisteuern. Im Gespräch mit den CW-Redakteuren Jan-Bernd Meyer und Christoph Witte erklärte ICP-Chef Rudi Lamprecht, warum sich das bajuwarische Unternehmen trotzdem nicht vom Computergeschäft verabschieden wird und wie die Hoffnungen des neuen Computerkonzerns aussehen.

CW: Bei Siemens hat es ja seit der Übernahme von Nixdorf diverse Veränderungen bezüglich der Ausrichtung des Computergeschäfts gegeben. Können Sie Ihren Kunden garantieren, daß die Richtung, die Siemens und Fujitsu mit dem Joint-venture einschlagen wollen, nunmehr klar ist?

Lamprecht: Die strategischen Defizite der Vergangenheit, das heißt die fehlende Internationalität und zuwenig Masse am PC-Markt, haben wir beseitigt. Das Joint-venture wird von unseren Kunden sehr positiv gesehen.

CW: Was versprechen sich denn Ihre Kunden von dem neuen Unternehmen?

Lamprecht: Wir geben unseren Kunden jetzt eine langfristige Perspektive. Da tauchte in der Vergangenheit auch wegen der kritischen Berichterstattung immer wieder die Frage auf, was denn nun eigentlich passieren würde. Nun haben wir eine strategische Entscheidung mit einem Partner getroffen, den wir schon lange kennen und mit dem wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Es wird deshalb auch keine Probleme wegen unterschiedlicher Firmenkulturen geben - also nicht einen Verlierer und einen Gewinner, die sich zusammentun.

CW: Bislang sah es so aus, als würde die Computer-Systems-Division aus dem Siemens-Bereich Information and Communications Products (ICP) herausgelöst. Mit anderen Worten: als wollte sich Siemens von der Computerhardware verabschieden. Stimmt das?

Lamprecht: So ist das nicht richtig. Wir verschmelzen das Computer-Systems-Geschäft mit dem von Fujitsu Europe. Das Joint-venture wird als Tochter innerhalb von ICP angesiedelt sein. An dieser Tochter hält Siemens einen Anteil von 50 Prozent, Fujitsu Ltd. die an- dere Hälfte. Innerhalb von ICP existiert dann Fujitsu Siemens Computers als eines von fünf Geschäftsgebieten neben Communications Devices, Siemens-Nixdorf, Communications Cable und In- formation Technology Services (ITS).

CW: Heinrich von Pierer, der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, ist in dieser Konstruktion also oberster Dienstherr auch des neuen Joint-ventures, gemeinsam mit Naoyuki Akikusa?

Lamprecht: Das Joint-venture gehört zu 50 Prozent zum Siemens-Konzern. Damit ist Herr von Pierer als Vorstandvorsitzender formal Chef aus Siemens-Sicht. Die Steuerung des Joint-ventures wird aber bei ICP liegen.

CW: Es stimmt also nicht, wie oft vermutet, daß Siemens den Computerbereich abstoßen will, weil der keine Gewinne bringt?

Lamprecht: Nein. Im Gegenteil: Im Bereich Computer Systems verdienen wir Geld.

CW: Können Sie das mit Zahlen belegen?

Lamprecht: Zu Ergebniszahlen aus einzelnen Geschäftsgebieten machen wir generell keine Angaben.

CW: Sie verdienen auch mit PCs?

Lamprecht: Wie gesagt: Ich kann keine Details nennen. Aber wenn man uns mit unseren großen Wettbewerbern vergleicht, dann gibt es zwar welche, die mehr Geld ver- dienen als wir. Es gibt aber auch welche, die weniger verdienen oder sogar viel Geld verlieren. Aber zugegeben, wir hatten strategische Defizite. Die wollen wir durch die Verbindung mit Fujitsu ausgleichen.

CW: Welche Defizite meinen Sie?

Lamprecht: Zum einen den Nachteil, nicht in allen geogra- fischen Bereichen befriedigend präsent zu sein. Zum anderen haben wir im PC-Consumer-Segment ein Volumendefizit. Fujitsu und Siemens werden zusammen weltweit rund sieben Millionen PCs verkaufen. Da müssen wir uns nicht mehr verstecken.

CW: Was sind denn die Ziele des Joint-ventures?

Lamprecht: Das oberste Ziel ist, einen weltweiten Vertriebs- und Marketing-Verbund aufzubauen, der es uns ermöglichen soll, ein Produkt an jedem Ort der Welt auszuliefern und zu warten. Man hat uns bei Siemens und im engeren Sinn bei der ICP ja immer den Vorwurf gemacht, wir seien nur europäisch ausgerichtet, erreichten also potentielle Kunden etwa in Japan nicht. Das wird sich nun ändern.

CW: Sie wollen weltweit agieren. Weder die Computersparte von Siemens noch Fujitsu ist aber nachdrücklich auf dem wichtigsten DV-Markt der Welt, den USA, vertreten.

Lamprecht: Der US-Markt ist ohne Zweifel sehr wichtig. Fujitsu und Siemens gehören dort beide nicht zu den drei größten Mitspielern im Markt. Auch nicht, wenn wir uns zusammentun...

CW: Sie gehören auch nicht zu den Top Ten.

Lamprecht: ... aber gemeinsam können wir stärker auftreten. Außerdem sind wir über die 100prozentige Fujitsu-Tochter Amdahl präsent und bei einigen großen Firmen gut im Rennen. Diese Verbindung werden wir ebenfalls nutzen. Aber ich stimme Ihnen zu: Wir müssen unseren Auftritt in den USA deutlich verstärken.

CW: Wie wird die neue Firma aussehen?

Lamprecht: Fujitsu und Siemens beteiligen sich zu jeweils 50 Prozent an der neuen, rein europäischen Firma Fujitsu Siemens Computers.

CW: Bleibt es dabei, daß der Hauptsitz des Joint-ventures in den Niederlanden sein wird?

Lamprecht: Mit großer Wahrscheinlichkeit ja. Von dort aus werden wir operieren.

CW: Welche Rechtsform wird die Firma haben?

Lamprecht: Darüber diskutieren wir noch. In den einzelnen Ländern werden jeweils eigenständige Fujitsu-Siemens-Computers-Unternehmen gegründet, die dann jeweils Teil der 50-zu-50-Company sind._TX:In allen Ländern, in denen wir eigenständige Unternehmen gründen, werden die Verkaufsaktivitäten für alle Produktlinien zusammengefaßt. Auch unsere Forschungs- und Entwicklungs- sowie unsere Produktionsstätten legen wir auf lokaler Ebene zu einer Einheit zusammen.

CW: Bei einer 50-zu-50-Beteiligung sind die Entscheidungswege doch sehr lang, wenn es mal zu Diskussionen kommt. Einen sogenannten Golden Share, ein Stimmvorrecht, soll es aber nicht geben. Wer hat denn im neuen Unternehmen das Sagen?

Lamprecht: In dem Joint-venture soll das operative Management das Sagen haben und die Tagesentscheidungen treffen. Das heißt, diese Manager sollen Profit erwirtschaften, Marktanteile erhöhen, zufriedene Kunden hinzugewinnen und zufriedene Mitarbeiter beschäftigen. Das sind die vier Ziele des operativen Managements des Joint-ventures.

CW: Wer ist denn das operative Management?

Lamprecht: Das Joint-venture wird von einem Board of Directors gesteuert, von einer Vorstandsgruppe also. Und die wird paritätisch von Fujitsu- und Siemens-Managern belegt. Das Board besteht aus einem sogenannten Non-Executive- und einem Executive-Teil.

Details zu operativen Management können wir allerdings erst nach Vertragsunterzeichnung bekanntgeben.

CW: Die Produktlinien von Siemens und Fujitsu überschneiden sich - obwohl das offiziell bestritten wird - doch erheblich. Was hat das für Konsequenzen?

Lamprecht: Die Produkt- linien ergänzen sich ideal. Fujitsu ist stark im Notebook-Bereich, und da besonders im Einstiegsbereich der Sub-Notebooks ...

CW: ... Siemens hat im gleichen Preissegment auch Notebooks ...

Lamprecht: Es gibt aber nur im mittleren Leistungsbereich Überschneidungen.

CW: Wie sieht es bei PCs aus? Auch da bieten beide Firmen gleiches an.

Lamprecht: Fujitsu ist außerordentlich stark im Consumer-Segment ...

CW: ... was doch nur eine Frage des Vertriebs ist. In den PCs steckt doch überall das gleiche drin. Je nachdem, was ein PC kostet, sind die Komponenten zwar teurer. Aber innerhalb eines Preisbereichs ist die Bestückung von PCs doch fast identisch, also auch bei Fujitsu und Siemens.

Lamprecht: Aber wie man die Komponenten zusammenbaut, das ist ein Qualitätsunterschied. Sie können besser, stabiler fertigen, wenn Sie zum Beispiel eine hochwertige Platine benutzen, die aus der eigenen Fertigung stammt.

Obwohl die Wertschöpfung bei PCs nur etwa 25 Prozent beträgt, können Sie auch hier durchaus noch eine Qualitätsverbesserung erzielen. Bei Workstations etwa ist eine derartige Qualität gefordert. Die kostet dann natürlich auch mehr.

CW: Bei den Intel-Servern gibt es ebenfalls Überschneidungen.

Lamprecht: Nein, gibt es nicht. In Europa verkauft die Fujitsu-Organisation nur ganz wenige Intel-Server. Wir sind diesbezüglich erfolgreicher, wiewohl nicht erfolgreich genug. Es wird relativ einfach sein, die Entwicklungen beider Unternehmen im Rahmen der normalen Innova- tionsschritte in der nächsten Generation zu einer gemeinsamen Linie zusammenzuführen. Teil unserer Vereinbarung wird übrigens sein, daß unsere Intel-Server weltweit auch von den anderen Fujitsu-Organisationen vermarktet werden.

CW: Also keine Probleme wegen redundanter Produkte?

Lamprecht: Meine generelle Antwort ist: Im Consumer-Segment ist Fujitsu stärker als Siemens. Wir sind dafür im oberen Segment, im Business-Segment, bessergestellt. Ich bleibe dabei, es gibt wenig Überlappungen in den Produktlinien. Da, wo es sie gibt, müssen wir Entscheidungen für die eine oder andere treffen, das ist richtig. In allen Industrien gilt der Grundsatz, daß der Aufwand, den verschiedene Unternehmen bei der Entwicklungsarbeit betreiben müssen, unterschiedlich hoch ist. Dieser Mehraufwand schlägt sich dann aber auch in höheren Produktpreisen nieder. Oder: Produziert eine Firma teurer als eine andere, verkauft sie mit Verlust. Das ist, selbst wenn man Produkte von der Stange nutzt, von Unternehmen zu Unternehmen verschieden.

CW: Wollen Sie damit sagen, daß einer von Ihnen beiden, Siemens oder Fujitsu, nicht effizient genug arbeitet?

Lamprecht: Es ist wichtig zu erkennen, wo die Schlüsselkompetenz eines Unternehmens liegt. Unsere liegt nicht auf der Consumer-Seite. Hier gilt es auch noch die letzte Mark aus dem Wertschöpfungsprozeß herauszupressen. Unsere Kompetenz liegt eher darin, ausfallsichere Geräte mit hoher Qualität herzustellen. In die investieren wir zusätzliche Ingenieursleistungen. Und diesbezüglich ergänzen sich Siemens und Fujitsu sehr gut.

CW: Wie sieht es denn in Zukunft mit dem Thema BS2000 aus? Sowohl in Ihrem Haus als auch draußen bei den Anwendern gibt es hinsichtlich der Zukunft Ihrer Main- frame-Systeme eher skeptische Stimmen. Nach Erkenntnissen der Gartner Group tragen sich viele BS2000-Anwender mit dem Gedanken, auf andere Plattformen zu migrieren.

Lamprecht: BS2000 ist jedes Jahr mindestens einmal tot. Tatsache ist aber, daß BS2000 im vergangenen und in diesem Jahr echte Zuwachsraten zu verzeichnen hat. Wir haben sowohl in puncto ausgelieferter Rechenleistung als auch beim Umsatz unser Geschäft gesteigert. Dies gilt nicht nur für Deutschland. Wir werden deshalb auch die Zahl der Entwickler nicht reduzieren. Auch in Zukunft werden die BS2000-Hardware in Japan und die Betriebssystem-Software hierzulande entwickelt werden. BS2000 ist integraler Bestandteil des Geschäftsplans, den wir mit Fujitsu erarbeitet haben. Wir haben nicht einmal ansatzweise die Absicht, aus dem BS2000-Geschäft auszusteigen.

CW: Warum sagen uns dann aber BS2000-Kunden, daß sie sich bereithalten, jederzeit auf eine an- dere Plattform zu wechseln? Warum verlassen sich Ihre Kunden nicht mehr auf Siemens und deren Aussagen?

Lamprecht: Die Diskussion um Wechselmöglichkeiten auf andere Plattformen ist eine allgemeine Erscheinung im Mainframe-Bereich. Tatsache ist, daß unsere Kunden wieder stark in BS2000 investieren und wir Wachstum vorweisen. Bei einigen Kunden hat jedoch die in der Öffentlichkeit geführte Spekulation über die Zukunft des Computergeschäfts bei Siemens einige Verunsicherung ausgelöst. Viele Spekulationen gerieten dabei zur Selffulfilling Prophecy. Wir waren und bleiben aber immer ein verläßlicher Partner. Wir werden sowohl die Hard- als auch die Softwareplattform BS2000 weiterentwickeln.

CW: Sie bestreiten also, Ihre Kunden in der Vergangenheit immer mal wieder über Ihre Pläne im unklaren gelassen zu haben?

Lamprecht: Richtig ist, wir haben unsere Klientel in der Vergangenheit wiederholt in erklärungsbedürftige Situationen gebracht. Aber wir haben unsere BS2000-Kunden nie enttäuscht. Nochmals: Diese Betriebssystem-Plattform ist integraler Bestandteil des Joint-ventures. Sie wird weiter entwickelt und weiter gepflegt.

1998 war in Deutschland laut IDC übrigens das erfolgreichste Jahr für BS2000. Da sind wir erstmals an IBM vorbeigezogen und auf Platz eins gelandet. Wir hatten in puncto ausgelieferte Rechenleistung einen Anteil von 41 Prozent.

CW: Wie geht es mit dem Unix-Engagement weiter?

Lamprecht: Die gemeinsamen Produktpläne werden noch abgeglichen. Im August können wir mehr dazu berichten.

CW: Alles in allem kann man also doch behaupten: Die Zukunft gehört der Intel-Plattform mit 64-Bit-Technologie und Solaris sowie NT?

Lamprecht: So grob kann man das sagen. Die verschiedenen Entwicklerteams von Siemens und Fujitsu arbeiten bereits an den gemeinsamen Zukunftsplänen und definieren, wie es mittelfristig genau weitergehen soll. Beide Firmen haben als langfristige Strategie Solaris auf 64-Bit-Intel definiert. Fujitsu hat darüber hinaus heute schon Solaris auf einer eigenentwickelten Sparc-Plattform im Angebot, und das ist als Erweiterung unseres heutigen Unix-Angebots sehr interessant.

CW: Bei verschiedenen Entwicklerteams stellt sich natürlich die Frage, wie viele Leute gehen müssen.

Lamprecht: Wir schauen uns genau an, welche Produktpläne es gibt, wer was zu bieten hat. Bislang haben wir nur ein Memorandum of Understanding unterzeichnet. Insbesondere bei der Frage möglicher Personalanpassungen sind wir natürlich sehr sensibel. Wir sehen momentan keine großen Redundanzen. Unabhängig von dem Joint-venture hat der Siemens-Bereich ICP ja im März eine Restrukturierungsmaßnahme innerhalb der Computer-Systems-Division eingeleitet. Gespräche zwischen dem Unternehmen und den zuständigen Arbeitnehmervertretern laufen derzeit noch. Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor. (Siemens hatte seinerzeit "Personalmaßnahmen", den Abbau von 1130 Arbeitsplätzen im CS-Bereich angekündigt, aber nie von Entlassungen gesprochen, Anm. d. Red.). Darüber hinaus sehen wir zunächst keine Veranlassung für weitere Personalanpassungen.