Umfrage in den USA stellt Wirrwarr fest

Für viele neue Berufe in der DV gibt es keine Regelbezeichnung

24.05.1996

Beim Überfliegen von Stellenanzeigen und Homepages sieht man in den USA mittlerweile Ausschreibungen für Jobs, die es vor zehn oder auch vor zwei Jahren noch nicht gab: "Information Systems Team Leader" und "Webmaster". In den frühen 90er Jahren signalisierte die Nachfrage nach "Business Systems Analysts" den Bedarf amerikanischer Unternehmen an DV-Experten, die mit den Mitarbeitern im gesamten Betrieb kommunizierten und die Grundpfeiler für technische Lösungen setzten.

Heute sind Internet-Spezialisten gefragt, für die es allerdings noch keine wirklich treffende Berufsbezeichnung gibt. "Der Name Webmaster ist ein Widerspruch in sich", so Yoon Chung, technischer Netzwerkanalytiker bei American Express Publishing in New York und "Resident Webmaster". Es gebe nicht viele Experten, die mehr als zwei oder drei Jahre Erfahrungen mit dem Web hätten, "Master" sei dafür zu hochtrabend.

In jüngster Vergangenheit stellen Beobachter eine Entwicklung zu weitgefaßteren Berufsbezeichnungen fest, die Sachkenntnis und zugleich Status signalisieren sollen. "Wir verzeichnen einen Trend weg von spezifischen, scharf definierten Jobbezeichnungen hin zu Begriffen, die größere Verantwortung und ein breites Spektrum an Fähigkeiten ausdrücken", so Mary Lowe von der National Survey Group of William M. Mercer Inc.

Gehaltsvergleiche werden schwieriger

Das Beratungsunternehmen definiert unter anderem Berufsbezeichnungen und gibt Empfehlungen zu den ihnen angemessenen Gehältern ab.

"IS Consultant" ist die offizielle Bezeichnung für Richard Morris von der Ortho McNeil Pharmaceutical Corp. in Raritan, New Jersey. Morris war "Programmer Trainee", Programmierer, "Senior Programmer/Analyst" und schließlich "IS Consultant". Sein Verantwortungsspektrum sei so groß, daß es nicht mit einem einzigen Begriff zu beschreiben sei, so Morris. Er schleppe PCs, manage ein unternehmensweites Projekt sowie ein Team aus sechs Mitarbeitern und schreibe manchmal Berichte für die Geschäftsleitung. Auch die Aufgaben seiner Kollegen seien vielfältig. "Wir passen in keine Schublade, wir arbeiten über die Funktionsgrenzen der DV hinaus", erklärt er, und "für das, was wir alles machen müssen, könnte ich wirklich keine genaue Berufsbezeichnung finden".

Das macht die Festlegung der Gehälter schwieriger als früher. Unternehmen bestimmen die Lohnhöhe für neue Berufe, indem sie die erforderlichen Fähigkeiten mit Jobs vergleichen, die bereits in ihrem Vergütungssystem klassifiziert sind. Ein Webmaster beispielsweise müsse "teils Analytiker, teils Programmierer, teils Künstler und teils Schurke sein", meint Richard Wonder, Gründer der gleichnamigen Personalberatung in New York.

"Webwizard", Web-Magierin, nannte sich Molly Collins, als sie die Web-Sites bei Eastman Chemical Co. in Kingsports, Tennessee, erstellte. Collins erfand diese exotische Bezeichnung, um sich von "Webmaster" und "-mistress" zu unterscheiden, die technische Aufgaben haben, während ihr Job die inhaltliche Gestaltung der Web-Seiten beinhaltete.