Schimpfe auf Produktmarketing, das mit Reizworten operiert:

Für verteilte Datenbanken fehlen die Voraussetzungen

01.04.1988

HANNOVER (mer) - Herbe Kritik an den Marketing-Sperenzchen in der DV-Branche. Kein gutes Haar ließ Jürgen Dyrda, Geschäftsführer der Progress Software GmbH, Köln, an oft verwendeten Reizworten der Programmierzunft: Die Diskussion um 5GL sei ebenso absurd wie der ständige Hinweis bei Datenbankprodukten auf das Attribut "verteilt".

"Wir müssen erst mal lernen, die Sprachen der vierten Generation richtig einzusetzen", wettete der 33jährige Software-Profi gegenüber der Presse. "Doch schon reden einige von 5GL - in der Meinung, daß die logische Weiterentwicklung von 3GL und 4GL nun einmal 5GL sein muß." Dabei sei noch völlig unklar, was denn eigentlich als 5GL definiert werden solle, die Sprache oder die Umgebung.

Noch vor wenigen Jahren sei auch das Reizwort "4th Generation Language" Anlaß zu heftiger Pro- und -Kontra-Diskussion gewesen. Und heute führe jeder, der im Markt etwas gelten wolle, den Begriff 4GL vor oder hinter dem Produktnamen seiner Datenbanksoftware - häufig ungerechtfertigt. Auch mit dem Schlagwort "verteilte Datenbanken" ging Dyrda hart ins Gericht: "Wo funktioniert denn heute das Konzept einer verteilten Datenbank tatsächlich?", so die provokante Frage des Kölners.

Immer noch arbeiteten über 80 Prozent aller DB-Anwendungen strukturiert und auf der Basis von Sprachen der dritten Generation. Wenn verteilte Datenbanken Realität werden sollen, müßten zunächst einmal die Voraussetzungen dafür geschaffen werden: die Netze. "Erst wenn tatsächlich von Bildschirm zu Bildschirm innerhalb und außerhalb, national und international, unternehmensintern und -extern multimedial kommuniziert werden kann, ist die verteilt arbeitende Datenbank sinnvoll", konstatierte der Progress-Manager.

Die derzeit geführte Auseinandersetzung um "mehr oder weniger verteilte Datenbanken" verglich Dyrda mit der Diskussion um die Nutzungsmöglichkeiten des ersten direkt strahlenden deutschen Satelliten TV SAT 1 und die Empfangsqualität des neuen Fernsehstandards D 2 MAC: "Da stimmen auch die Voraussetzungen nicht. Die Endgeräte zum Empfangen gibt es noch nicht und was noch schlimmer ist, die Energieflügel klemmen. Damit will ich aber nicht sagen, daß eine verteilt arbeitende 4GL-Datenbank ebenfalls ein Flop erster Klasse werden muß."