Anwenderbericht Küchenmöbelfabrik Dr. Koopmann GmbH:

Für ein Magnetplattensystem fehlte zunächst die Traute

30.03.1979

Vom Mengengerüst und den organisatorischen Anforderungen her hätte die Küchenmöbelfabrik Dr. Koopmann GmbH im oberhessischen Dillenburg gleich ein Magnetplattensystem istallieren sollen. Warum das Unternehmen zunächst den "Umweg" über einen mit Disketten organisatorisch erweiterten Magnetkontencomputer wählte, begründet Geschäftsführer Hans Friedrich Koopmann im Rückblick so: "Als angehender Erstanwender hatten wir gewaltigen Respekt vor der EDV. Wir trauten uns einfach nicht, gleich so hoch einzusteigen".

Um konkurrenzfähig zu sein, muß Koopmann auch als mittelständischer Küchenmöbelhersteller ein umfangreiches Sortiment anbieten. Er produziert 49 verschiedene Anbauprogramme, bei denen jeweils unter 450 verschiedenen Schranktypen gewählt werden kann. Das ergibt über 2200 Variationsmöglichkeiten Entsprechend umfangreich ist das Volumen der Auftrags- und Fertigungsdaten, die seit 1975 mit Hilfe der EDV verarbeitet und ausgewertet werden. Zunächst arbeitete man mit einer 8830 von Nixdorf, deren organisatorischer Spielraum vor allem für die Programme der Fertigungssteuerung nicht ausreichte. Deshalb tauschte das Unternehmen vor gut eineinhalb Jahren seinen Erstling gegen ein Magnetplattensystem 8870/1 des gleichen Herstellers, auf dem komfortablere Programme gefahren werden können.

Die Dr. Koopmann GmbH im Dillinger Vorort Frohnhausen wurde 1975 gegründet. Sie produzierte zunächst Einzelmöbel. Seit 1968 werden komplette Einbauküchen gefertigt. Der Umsatz hat sich mit durchschnittlichen jährlichen Zuwachsraten von etwa zehn Prozent kontinuierlich entwickelt. 1978 verkaufte man für sieben Millionen Mark Küchen. Die rund 45 Beschäftigten fertigen täglich rund 130 Schränke in diversen Frontvarianten in Kunststoff und Holz. Es handelt sich um eine reine Auftragsfertigung in Serie (Endmontage Kleinserie). Zirka 30 Prozent der Produktion sind Sonderanfertigungen. Beliefert wird der Groß- und Einzelhandel mit eigenen Lieferfahrzeugen. Freie Handelsvertreter, die ausschließlich für das Unternehmen tätig sind, bereisen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Auch in den Beneluxstaaten hat man Abnehmer.

Den Schritt von der manuell-mechanischen zur elektronischen Datenverarbeitung hat die Dr. Koopmann GmbH nach reiflicher Überlegung getan. Zunächst sondierte man rund eineinhalb Jahre den Markt. Die Gründe für diese "hessische" Gründlichkeit lagen nicht nur im umfangreichen Angebot an Bürocomputern, sondern auch im Unbehagen vor dem ersten Schritt in das "Abenteuer" EDV. Die gesamtwirtschaftliche Flaute im Jahre 1975 zwang dann geradezu zum Rationalisieren. Und die kaufmännische sowie technische Ablauforganisation bot dazu viele Ansätze. Sie war bis dato nicht nur zeit- und personalaufwendig, sondern auch unbeweglich und mit geringer Datentransparenz.

Aus den schon dargelegten Gründen wählte man zunächst ein System 8830 von Nixdorf. Es handelt sich dabei in der Grundkonfiguration um einen Magnetkontencomputer, dessen organisatorischer Spielraum durch eine Floppy-Disk-Einheit erweitert wurde. Mit diesem System konnte die Auftragsbearbeitung wesentlich vereinfacht werden. Die Aufträge wurden schneller geschrieben, die Fehlerquote sank rapide. Doch das Handling der Magnetkonten erwies sich als umständlich. Das galt vor allem für die Sortierung der Daten. Die Disketten dienten lediglich als Datenträger für die Programme und für bestimmte Stammdaten. Gegenüber der seitherigen Organisation war die 8830 eine gewaltige Verbesserung. Sie brachte allerdings nicht voll die Entlastung, die sich die Dr. Koopmann GmbH von der EDV versprochen hatte. So reichte der organisatorische Spielraum nicht für die Produktionsplanung und die Ermittlung der Vorgabezeiten für die Akkordberechnung. Beide Gebiete mußten weiterhin handgestrickt erledigt werden.

Konfiguration

- Zentraleinheit 8870/1 mit 96 KB für den Anwenderbereich

- Zwei lokal angeschlossene Bildschirmarbeitsplätze mit je 2000 Zeichen (25 Zeilen a 80 Zeichen) Kapazität

- Magnetplattenstation (Fest-/Wechselplatte) mit 2 X 5 MB

- Nadeldrucker mit einer Leistung von 150 Zeichen in der Sekunde

Für die vorstehend beschriebene Ausbaustufe zahlt das Unternehmen für Hardware, Lizenzgebühr für das Betriebssystem und technischen Service monatlich 2870 Mark.

Der organisatorische Spielraum der 8870/1 dieses Anwenders ist folgendes Mengengerüst hin dimensioniert:

- 50 bis 60 Aufträge täglich mit durchschnittlich 20 Positionen

- 800 Artikel (zur Zeit sind etwa 500 belegt)

- 2500 Einzelteile (momentan sind 1800 Datensätze vorhanden)

- 700 laufende Aufträge

- 500 Kunden (zur Zeit 270 belegt)

- 130 täglich zu fertigende Schränke, sortiert nach neun Gruppen mit jeweils rund 40 Einzelteilen

- 1000 Rechnungen monatlich

- 150 Kreditoren, 150 Sachkonten

- 3000 Buchungen monatlich in der Finanzbuchhaltung

- Lohn- und Gehaltsabrechnung für 45 Mitarbeiter

Nachdem sich Geschäftsführer Hans Friedrich Koopmann etwas in die "Geheimnisse", Erfordernisse und Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung eingearbeitet hatte, zögerte das Unternehmen nicht, das vorhandene System gegen ein Ieistungsfähigeres einzutauschen. I977 installierte die Dr. Koopmann GmbH deshalb ein Magnetplattensystem 8870/1 COMET von Nixdorf. Dieses dialogorientierte System mit Bildschirmarbeitsplätzen eröffnete ganz neue Perspektiven für die hauseigene EDV. Endlich konnte man auch die Fertigungsplanung auf den Computer übernehmen.

Obwohl vom gleichen Hersteller sind die 8830 und die 8870/1 zwei grundlegend unterschiedliche Systeme, die zudem in unterschiedlichen Programmiersprachen programmiert werden. Deshalb mußten bei der Umstellung alle Programme neu geschrieben und auch die Stammdaten neu auf Magnetplatte erfaßt werden. Eine 1/1-Umstellung von Magnetkonten auf Magnetplatten ist praktisch unmöglich. Der Umstellungsaufwand hätte vermieden werden können, wenn man gleich die Traute für das richtig dimensionierte System gehabt hätte. Allerdings führte die Umstellungsphase zu keinen Störungen im innerbetrieblichen Arbeitsablauf.

Individual-Programme für die Auftragsbearbeitung und Fertigungsdisposition

Erfassen Angebote

Schreiben Angebote

Erfassen Auftrag

Drucken Erfassungsprotokoll

Schreiben Auftragsbestätigung

Drucken der Aufkleber für Sonderteile, die nicht lagermäßig geführt werden

Drucken Endaufkleber

Drucken Kommissionsliste

Drucken Produktionsaufkleber (einschließlich Lohnwertaufkleber)

Drucken Ausgabeliste Zwischenlager (Stücklistenauflösung)

Fakturierung

Provisionsabrechnung Auslieferungsläger und Vertreter

Kalkulation

Statistische Auswertungen

Die Programme wurden, soweit nicht Standardsoftware eingesetzt werden konnte, von einem Programmierer des Hardwareherstellers geschrieben. Geschäftsführer Hans Friedrich Koopmann mengte dabei kräftig mit. Er brachte nicht nur das notwendige anwendungstechnische organisatorische Know-how in die Applikationen ein, er sorgte bereits in der Programmierphase dafür, daß die Programme den betrieblichen Erfordernissen angepaßt wurden. So entstanden Problemlösungen mit hoher Aussagekraft. Die leicht erlernbare Programmiersprache Business Basic ermöglichte es dem Geschäftsführer sogar, die Befehlsstruktur zu verstehen. Er konnte mit dem Programmierer in dessen Sprache reden. So hatte der "Umweg" über die 8830 auch seine guten Seiten. Ohne die dort gewonnenen Erfahrungen hätte der Anwender seine Wünsche an die Magnetplattenorganisation nicht so dezidiert äußern können.

Individuell geschrieben wurden die Bereiche Auftragsbearbeitung und Fertigungsdisposition, einschließlich der statistischen Auswertungen aus diesen Bereichen. Dafür bezahlte die Dr. Koopmann GmbH 12 200 Mark an Programmierkosten. 5400 Mark waren zusätzlich für die einschlägigen Erfassungsprogramme erforderlich. Die Lohn- und Gehaltsabrechnung und die Finanzbuchhaltung wurden als Standardprogramme aus dem Nixdorf-Anwenderpaket COMET ausgewählt. Die jeweils benötigten Modulen wurden mit Hilfe eines Checklisten-Generators (CHlCO) an die betrieblichen Belange durch die Eingabe von Parametern angepasst. Für diese quasiindividuellen Problemlösungen zahlte der Anwender 6800 Mark (Lohn- und Gehaltsabrechnung} oder 7400 Mark (Finanzbuchhaltung).

Die Dr. Koopmann GmbH hat die Umstellung auf ein Magnetplattensystem nicht bereut. Alle Daten stehen jetzt ständig im Direktzugriff (Dialogverarbeitung). Erfassung und Verarbeitung sind schneller geworden. Es gibt keine Wartezeiten an der Anlage mehr (wie früher bei der 8830). Zu schätzen weiß man auch die größeren Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten von Datenbeständen, die Arbeitsentlastung in der Arbeitsvorbereitung, eine bessere Fertigungsplanung und die größere Datentransparenz. Anwender in vergleichbarer Situation sollten aus dem Beispiel des Dillenburger Küchenmöbelherstellers die Lehre ziehen, daß es sich allemal lohnt, ein EDV-System mit ungenügendem organisatorischen Spielraum durch ein besseres zu ersetzen.

UIf Bauernfeind ist freier EDV-Fachjournalist