Interview

"Für E-Commerce fehlen überzeugende Lösungen"

27.06.1997

CW: Worin liegt Ihrer Meinung nach der Hauptnutzen des Internet?

KIRSCH: Darin, daß es kostengünstige Kommunikation ermöglicht. Unternehmen können mit seiner Hilfe bestehende Beziehungen zu ihren Kunden ausbauen. Es ist zwar auch möglich, Geschäfte über das Internet zu machen, aber in erster Linie sehe ich den Nutzen in der verbesserten Kommunikation und der zusätzlichen Information.

CW: Sie geben dem elektronischen Handel über das Internet demnach keine Chance?

KIRSCH: Nun, da fällt mir gerade ein interessantes Zitat ein, das ich zu diesem Thema vor kurzem im "Economist" gelesen habe: "Praktisch alles, was vor drei Jahren über E-Commerce vorhergesagt wurde, hat sich als falsch herausgestellt." Dem kann ich nur hinzufügen, daß ich noch keine wirklich überzeugenden Lösungen gesehen habe.

CW: Derzeit halten sich die Anwender noch ziemlich zurück. Glauben Sie, daß dies auf Probleme mit der Sicherheit bei E-Commerce zurückzuführen ist?

KIRSCH: Nein, denn es macht im Grunde keinen Unterschied, ob ich meine Kreditkartennummer über das Internet schicke oder sie einem Kellner im Restaurant gebe. Nur ist es ungleich schwieriger, sie über das Internet abzufangen.

CW: Sie sind der Gründer des Suchdienstes Infoseek. Nun sind es gerade Services wie Ihrer, die es möglich machen, daß pornografische oder gewaltverherrlichende Inhalte im Internet überhaupt erst gefunden werden können. Was sagen Sie zu dieser Problematik? Sollten Suchdienste eine Kontrollfunktion ausüben?

KIRSCH: Das ist ein schwieriges Thema. Es gibt Hunderte Millionen von Web-Seiten, und wie soll ein Hersteller einer Suchmaschine wissen, was für Schweinkram sich auf einer Seite befindet? Was, wenn jemand ein Nacktfoto ins Web stellt, zusammen mit dem Text "ISDN-Modems" oder "Router"? Das läßt sich nicht kontrollieren. Es wäre genauso, als wenn man den Telefongesellschaften vorschreiben würden, daß keine obszönen Gespräche am Telefon geführt werden dürfen.

CW: Ist es nicht überraschend, daß noch niemand mit dem Finger auf die Macher der Suchmaschinen im Web gezeigt hat und gesagt hat, sie treffe die Schuld?

KIRSCH: Das ist auch schon vorgekommen. Aber in der Regel hält man die Internet-Service-Provider (ISPs) für die bösen Buben.

CW: Unlängst hat es in Deutschland Compuserve getroffen.

KIRSCH: Und dabei ist das doch Unsinn. Technisch wäre es für ISPs zwar machbar, alle Inhalte zu kontrollieren, doch das würde unglaublich teuer werden und viel Aufwand verursachen. Zudem wäre es meines Erachtens eine unmögliche Aufgabe, von den ISPs zu verlangen, sie sollten alles zweifelhafte Material ausfiltern. Jeder, der eine Web-Site unterhält, kann die Inhalte doch ständig ändern. Ein ISP bräuchte unbegrenzt Bandbreite, um ständig alles überprüfen zu können. Mit anderen Worten: Es ist unmöglich.

CW: Das Internet explodiert derzeit ja förmlich, ständig kommen neue Web-Sites dazu. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

KIRSCH: Sie haben recht, die Anzahl der Seiten ist exponentiell gewachsen. Ich glaube aber nicht, daß dieses Wachstum Bestand haben wird. Es tritt eine gewisse Sättigung ein. Hinzu kommt, daß es auch nur eine begrenzte Zahl von Leuten gibt, die wirklich gute Seiten erstellen können. Und mittlerweile sind die meisten Unternehmen im Internet vetreten - auch hier kann es keine dermaßen starke Entwicklung mehr geben, wie wir sie bislang hatten.

CW: Und wie steht es mit der Qualität der Inhalte?

KIRSCH: Nun, dazu braucht es natürlich die entsprechenden Spezialisten, Inhalte produzieren sich nicht von alleine. Aber gute Fachkräfte und Web-Designer gibt es nicht im Überfluß. Ich glaube, die Qualität der Web-Inhalte wird sich auf einem mittleren Niveau einpendeln.

CW: Wird das Abrufen von Informationen im Internet auch in Zukunft kostenlos sein, oder wird man für Inhalte zahlen müssen?

KIRSCH: Das Problem derzeit ist folgendes: Es gibt eine Unmenge an Informationen im Web, die nichts kosten, wobei aber ein Großteil davon wertlos oder unzulänglich aufbereitet ist. Wenn sich Transaktionslösungen zum Bezahlen via Internet durchsetzen, dann werden immer mehr Leute für gute Inhalte Geld verlangen. Ich glaube auch, daß ein Surfer lieber drei Cent für eine bestimmte Information bezahlt, als eine halbe Stunde im Web in der Hoffnung zu vergeuden, die Nachricht irgendwo anders umsonst zu bekommen.