Britische Regierung unterstützt Software- und Informationstechnologie:

Für die Zukunft zwei Eisen im Feuer schmieden

22.01.1982

Englands Software soll die Ehre der Nation retten. Nachdem auch ICL deutliche Lackschäden aufweist, will die britische Regierung nun durch massive Förderung von Entwicklungsprogrammen ihrer Software zu weltweitem Ruhm verhelfen. Um kein Risiko einzugehen, wurde 1982 zusätzlich zum "Jahr der Informationstechnologie" erklärt und 80 Millionen Pfund zur Verfügung gestellt. Direktor Dr. Douglas Eyeions, UK Computing Services Association, beschreibt die Situation.

Das englische Computergeschäft wird nach wie vor von IBM und ICL beherrscht, obwohl gerade ICL im vergangenen Jahr eine schwere Krise durchlebte. Wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Rezession entwickelt sich der Großcomputermarkt nur äußerst träge. Als Folge der Probleme des größten britischen Herstellers sind größere Marktanteile an IBM und Hersteller IBM-kompatibler Maschinen abgedriftet.

Abgesehen von IBM und ICL besitzt keiner der anderen Hersteller nennenswerte Segmente im Gesamtmarkt, die Digital Equipment Corporation allerdings nimmt im Minicomputer-Markt eine herausragende Position ein. Da Telekommunikation und Büroautomatisierung mit der Computertechnik zu verschmelzen beginnen, interessieren sich die Briten zunehmend für alle Aspekte dieses Vorgangs.

Jahr der Informationstechnologie

Dies drückt sich auch dadurch aus, daß 1982 zum "Jahr der Informationstechnologie" erklärt wurde. Premierministerin Margret Thatcher hat ihr Engagement erklärt, und die Postbehörden unterstreichen das ihre durch die Herausgabe einer Sonderbriefmarke. 80 Millionen Pfund stellt die Regierung für die Weiterentwicklung der Informationstechnologie während der nächsten vier Jahre zur Verfügung. Bereits jetzt sind acht Pilot-Projekte zum Thema "Büro der Zukunft" im Volumen von je 250 000 Pfund angekündigt.

Software-Häuser Großbritanniens geben sich extrem optimistisch - mit Ausnahmen natürlich - und erwarten trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Lage hohe Zuwachsraten. Bis zu Beginn der Konjunkturflaute war die Expansion der Software-Fabriken durch den Mangel an qualifizierten Kräften gebremst, aber diese Personalengpässe konnten nach Entlassungen bei ICL und anderen Organisationen behoben werden.

Dennoch fehlen gute Programmierer, Analytiker, Projekt-Manager und Software-Spezialisten, aber der 1979 berichtete Mangel von über 20 000 Programmierern und Analytikern ist verschwunden. Auf der anderen Seite stellt man einen Überschuß an ausgebildeten, aber unerfahrenen Programmierern und erfahrenen Operatoren fest. Unter Berücksichtigung der drei Millionen Arbeitslosen in Großbritannien ist es nicht überraschend, daß die Computerindustrie nur zu einem gewissen Prozentsatz den Arbeitsmarkt entlasten kann, aber es muß festgestellt werden, daß sich die Gesamtanzahl der Beschäftigten in dieser Branche erhöht hat.

Als potentester Sektor der englischen DV-Industrie stellt sich wohl der Dienstleistungsbereich dar, hier wächst die Beschäftigtenrate um jährlich acht Prozent. Auch in diesem Bereich herrscht allerdings nicht eitel Freude: Während einige jubilieren, zeigen sich andere pessimistisch. Konventionelle Beratungsbüros befürchten einen Einbruch ihrer Gewinnmargen, der durch die allgemeine Verringerung der Wirtschaftsaktivitäten und den zunehmenden Konkurrenzdruck von Mini- und Mikrocomputer-Herstellern erzeugt wird.

Auch die Time-sharing-Büros haben wegen der billigeren Micro-Alternativen weniger Geschäft gemacht. Diese Unternehmen reagieren auf die veränderte Situation durch Unterstützung privater Datenbanken oder mit dem Angebot leistungsstarker Programmierhilfen, um ihre Kunden zu halten.

Die fortschreitende Technologie, die auch die Hardware-Kosten verringert, sollte eigentlich auch die Kosten der Telekommunikation verringern. Dies läßt sich bis heute allerdings noch nicht feststellen.

Die Softwarebranche verzeichnet die größten Zuwachsraten im DV-Sektor. Die Lieferung von schlüsselfertigen Lösungen auf der Basis von Mikro- und Mini-Computern erobert sich einen weiteren Marktanteil, vorausgesetzt, die Anbieter machen ein günstiges Angebot und besitzen adäquate Software für ihren ausgewählten Bereich. Der Trend britischer Turnkey-Lieferanten geht dahin, sich einen vertikalen Markt aufzubauen und spezielle Gruppen wie Zahnärzte und Architekten mit Hard- und Software zu beliefern. Für den Standardsoftware-Markt wird eine Wachstumsrate von 40 Prozent pro Jahr erwartet. Hier handelt es sich um einen Schlüsselbereich, mit dem Großbritannien Weltmarkt-Anteile erkämpfen will. Unterstützt von der Regierung kann das im "Jahr der Informationstechnologie 1982" gelingen - mit britischer Software.