Im Kampf um die Besten noch kein Rezept gefunden

Für die Softwarehäuser ist Personal-Marketing kein Thema

09.11.1990

DÜSSELDORF (hk) - Die Softwarehäuser werben sich gegenseitig die DV-Spezialisten ab. An ein Konzept, Mitarbeiter zu gewinnen und vor allem zu halten, denken die Softwerker allerdings nicht. Personal-Marketing ist hier noch ein Fremdwort; doch immerhin beginnen die ersten SW-Manager, darüber nachzudenken.

Nicht erst seit gestern hat sich das Verständnis für Personalarbeit in den Unternehmen gewandelt. Professor Christian Scholz von der Universität Saarbrücken nannte auf einer Veranstaltung der Gesellschaft für Unternehmensentwicklung (GFU) in Düsseldorf einige Problembereiche, denen sich die Personalverantwortlichen heute stellen müssen:

- Der Wertewandel: Er beginne beim Wunsch nach ganzheitlichen Arbeitsaufgaben und setze sich fort über gesellschaftliches Verantwortungsbewußtsein bis hin zur Maxime" Arbeit muß Spaß machen."

:- Die Einführung neuer Technologien erfordere neue Qualifikationen bis hin zu neuen Berufsbildern. Die "überstraparzierten Mechanismen zur Personalauswahl und zur Personalführung sind so zum Scheitern verurteilt".

- Durch die Technikdominanz im Bildungsbereich bleibe immer weniger Zeit zum Erlernen von Führungs- und Sozialkompetenz.

- Aufgrund von Unternehmenszusammenschlüssen müßten Mitarbeiter unterschiedlicher Firmen unter ein gemeinsames Dach gebracht und in eine einheitliche Führungskonzeption integriert werden.

Mit Hilfe von Marketing-Methoden will Scholz die Personalprobleme lösen. Denn Personal-Marketing bedeute für ihn nichts anderes als die konsequente Umsetzung des Marketing-Gedankens auch im Personalbereich: "Das Unternehmen muß an gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter verkauft werden."

Das größte Defizit in diesem Bereich stellte der Betriebswirtschaftsprofessor bei den Softwarehäusern fest. Bisher seien bei den meisten SW-Häusern nämlich die Produkte in einem expandierenden Markt "von allein gelaufen", so Andrea Herzog vom Verband der EDV-Berater (VDEB). Die Techniker hätten von der Entwicklung bis zum Verkauf des Produktes für alles verantwortlich gezeichnet. Von Marketing konnte keine Rede sein, erst recht nicht von Personal-Marketing. Wenn einer das Unternehmen verließ holte man sich von der Konkurrenz Ersatz.

Auch heute reagieren die Softwarehäuser auf die Frage, ob sie sich denn mit Personalmarketing beschäftigten, eher überrascht. Für viele Geschäftsführer bedeutet dies oft nur Rekrutierung von Personal; und dabei bedient man sich in der Regel ausschließlich des Instruments der Stellenanzeigen. Versucht man Informationen über die Unternehmenskultur zu erhalten was also das eigene Unternehmen auszeichne wodurch es sich denn am Markt von anderen unterscheide ist wenig zu erfahren. Es kommen so altbekannte Phrasen wie: "Bei uns steht der Mitarbeiter im Mittelpunkt," "Der Kunde ist König" oder: "Wir bieten interessante Aufgaben".

Tatsache ist daß die Mehrzahl der Softwarehäuser zwischen zehn bis 50 Angestellte beschäftigt daß sich also aus ihrer Sicht Personal-Marketing im Scholzschen Sinne gar nicht lohnt. Zwar bietet man Praktikumsplätze an und pflegt auch gelegentlichen Kontakt zur Hochschule in der Umgebung aber mehr passiert in der Regel auch nicht. Den Mitarbeitern versucht man ein gutes Gehalt und vielleicht Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Für viel mehr reicht das Engagement denn auch nicht weil man dem Neuen unterstellt daß er nicht allzulange bleiben wird.

Langsam jedoch hat - zumindest bei einigen DV-Chefs - das große Nachdenken begonnen. Im Softwaremarkt findet ein Konzentrationsprozeß statt und die vormals hohen Zuwachsraten erreichen nur noch wenige. Darüber hinaus brachten hohe Fluktuationsraten für manches Unternehmen ein böses Erwachen. Bernhard Keller, Personalchef der ADV/Orga AG aus Wilhelmshaven der dieses Phänomen kennt ist gerade dabei, seinem Vorstand ein umfassendes Personal-Marketing-Konzept vorzustellen. Er will vor allem die Abteilungsleiter dahin bringen daß sie auf die Probleme der Mitarbeiter sensibler reagieren. Damit ist beispielsweise gemeint daß ein Mitarbeiter der in einem anspruchsvollen Projekt mitgearbeitet hat, anschließend auf irgendeine Art und Weise belohnt werden muß um ihn nicht zu demotivieren - sei es durch eine Bonuszahlung oder durch das Anbieten von Karriereperspektiven im Unternehmen.

Die Alldata Service Datenverarbeitungs- und Beratungsgesellschaft GmbH versucht es jetzt mit einem Unternehmensleitbild. Aber Marion Hartmann, Marketing-Leiterin des Münchener Unternehmens weiß daß es ein schwieriger Weg sein wird um sich als attraktiver Arbeitgeber auf dem Markt zu profilieren . Bisher sei es so gewesen. daß man einfach kleine Unternehmen aufkaufte oder Kooperationen einging, um an die Mitarbeiter heranzukommen.

Was sollte die Aufgabe des Personal-Marketings im Unternehmen sein? An erster Stelle müsse es gelingen so der Saarbrücker Professor Scholz, "die Unternehmenskultur nach innen und nach außen zu vermitteln":

- Die interne Kommunikation diene zur Mitteilung des unternehmensspezifischen Selbstverständnisses und damit dem Aufbau einer spezifischen Unternehmenskultur.

- Die externe Kommunikation bezwecke Imagewerbung und dadurch den Aufbau eines Akquisitionspotentials: Hier soll potentiellen Bewerbern ein unverwechselbares Profil des Unternehmens vermittelt und eine Brücke zur Unternehmensidentität geschaffen werden."

Scholz empfielt kleinen und mittelständischen Unternehmen sich auf folgende Unterscheidungsmerkmale zu konzentrieren, um sich von der Konkurrenz abzuheben:

- Kundenorientierung,

- Mitarbeiterorientierung,

- Resultats- und Leistungsorientierung,

- Innovationsorientierung,

- Kostenorientierung,

- Unternehmensorientierung und

- Tehnologieorientierung.

Voraussetzung sei allerdings eine realistische, von Betriebsblindheit freie Beurteilung der eigenen Unternehmenskultur.