Für Deutschlands Eishockey-Team war keine "Bronze" im Computer

27.02.1976

- Letzter Tag heute der XII. Olympischen Winterspiele. Bis auf das Springen von der Großschanze ist alles gelaufen. Honeywell Bull lieferte den offiziellen EDV-Dienst und erhielt dafür 7,3 Millionen Schilling oder etwa 1 Million Mark.

- Das rechnerische Defizit bei Abwicklung dieses Auftrages dürfte sich vielfach ausgezahlt haben durch die weltweite Werbung.

Das wollen wir hoffen.

-Wohl keiner, der die Spiele verfolgte, wird den Namen Honeywell Bull heute noch falsch schreiben. Derart massive Schleichwerbung hat es auf Olympischen Spielen eigentlich noch nie gegeben. Und wahrscheinlich fragt man sich bei Siemens, die 1972 in München ja auch einiges aufstellten, wie haben, die Wiener das nur gemacht?

Darf ich als erstes den Begriff "Schleichwerbung" aus dem Zusammenhang mit den Olympischen Spielen eliminieren. Es war in Abstimmung mit dem Organisationskomitee unsere Aufgabe, umfangreiche Informationen den Fernsehanstalten zu liefern, und wir haben diese Informationen mit einem Herkunftshinweis versehen.

- Haben Sie eine Vorstellung, wie oft dieser Herkunftshinweis zu lesen war vielleicht in Minuten pro Tag oder gar in Zuschauerzahlen?

Wir freuen uns, daß einige hundert Millionen Fernsehzuschauer, die Schätzungen gehen bis zu 800 Millionen, in aller Welt während der Olympischen Winterspiele unseren Firmennamen vielfach und viele Minuten gesehen haben, und wir hoffen, daß dieser Firmenname bei diesen Zuschauern mit einer guten Informationsleistung verbunden bleiben wird.

- Aber zum Schluß gab es doch auch Proteste; mit dem Ergebnis, daß in den letzten Tagen für die abendlichen Zusammenfassungen die Placierungs-Inserts ohne den Honeywell-Bull-Schriftzug erschienen. Gab es Ärger?

Keineswegs Ärger mit unseren Partnern, mit denen wir bis zum letzten Tag zusammengearbeitet haben, sondern die Ursache lag in einer internen Entscheidung des Österreichischen Rundfunks und Fernsehens, der diese Inserts in einer abgeänderten Form offline am Zeichengenerator erstellte.

- Am Ende der Spiele die Frage: Hat denn nun alles ausnahmslos geklappt oder hatten Sie auch Probleme?

Kleinere Probleme sind bei einem Projekt dieser Größenordnung von vornherein zu erwarten. Nicht umsonst wurden daher für dieses Projekt rein hardwaremäßig so umfangreiche Sicherheiten gewählt. Es ist uns während der Gesamtdauer der Spiele eine

Systemkomponente, nämlich eine Plattenstation, einmal ausgefallen.

-Die Konsequenzen?

Wir konnten dieses Problem binnen Sekunden durch Umschalten der Ausgabeleitungen beheben. Es wurde nur auf das zweite Doppelsystem umgeschaltet, auf dem ja ständig parallel alles mitgefahren wurde, was eben für diese Fälle vorgesehen war. Unmittelbar anschließend wurde eine weitere Plattenstation als Ersatz für die ausgefallene aktiviert und wenige Minuten später war wieder auf beiden Doppelsystemen 61/60 der gleiche Datenbestand vorhanden.

- Wie oft hatten Sie diesen Ernstfall geprobt?

Durch die vorangegangenen zahlreichen Probe-Wettbewerbe war das unserer Operator-Mannschaft so in Fleisch und Blut übergegangen, daß keine Probleme dabei auftraten.

- Soweit die Hardware. Gab es Schwierigkeiten bei der Software?

Bei der System-Software sowieso nicht. Bei den Sport-Programmen hatten wir ein einziges Mal Schwierigkeiten, die allerdings nicht durch uns verursacht wurden - und zwar beim Eishockey.

- Sicherlich geht es um die Bronze-Medaille für das deutsche Eishockey-Team?

Genau. Wir haben die Programme natürlich so geschrieben, wie uns die entsprechenden Verbände ihre Wettkampfregeln übergeben haben. Nach dem vom Eishockeyverband bestätigten System-Entwurf haben unsere Computer, errechnet, daß Finnland und nicht Deutschland die Bronze-Medaille gewonnen hätte. Es freut mich für unser Nachbarland, daß die Jury beziehungsweise ein Ausschuß des Internationalen Eishockeyverbandes die Bronze-Medaille der Bundesrepublik Deutschland zuerkannte; und zwar dadurch, daß sie eine Regel heranzogen, die uns leider vorher nicht mitgeteilt wurde.

-Es gab also in ihren Systemen, einen anderen dritten Sieger. Hatte das nicht Konsequenzen für die Gesamt-Auswertung und für die Abschluß-Statistiken?

Wir waren gezwungen, unsere Ergebnisse upzudaten, was selbstverständlich keine Schwierigkeiten machte.

- Beim Eiskunstlaufen der Herren Hatte am Ende der Computer die Reihenfolge der mittleren Plätze nicht nur verschoben, sondern sogar vertauscht. Und einige Kommentatoren fragten, ob der Computer da wohl richtig gerechnet hätte.

Das ist richtig. Darf ich vorausschicken, daß die Eiskunstlaufprogramme unsere schwierigsten Programme sind, da es bei keinem anderen Wintersport-Wettbewerb so schwierige und komplizierte Regeln gibt. Bekanntlich ist beim Eiskunstlauf ein Endergebnis erst dann zu errechnen, wenn alle Läufer bewertet wurden. Wir konnten für diese Olympischen Spiele einen zusätzlichen Service bieten, nämlich erstmals nach jedem einzelnen Läufer die Platzziffer nennen -, unter der Annahme, er wäre der letzte Läufer. Das hat es bisher noch nicht gegeben. Beim Eiskunstlaufen der Herren trat nun der Fall ein, den man seit dreizehn Jahren nicht mehr hatte. Der Kanadier Toller Cranston hatte durch seine ausgezeichneten Bewertungsziffern bei der Kür, die vorher bewerteten Läufer so beeinflußt, daß sie nicht nur hinter ihm placiert wurden, sondern teilweise auch - durch die komplizierten Regeln des Eiskunstlaufs bedingt - umgereiht wurden.

-Sie hatten also recht.

Sicherlich. Den zweifelnden Kommentatoren wurde durch das Rechenbüro, das etwa eine halbe Stunde nach Wettbewerbsende die von vier Personen manuell errechneten Placierungen vorlegen konnte, unsere Ergebnisse von bestätigt.

- Die Olympiade ist vorbei. Für Sie persönlich Ihr bisher größtes Projekt. Sind Sie nun olympiamüde oder wird soll das weitergehen?

Für den Moment reicht es uns erst einmal. Aber für die Gesellschaft Honeywell Bull zählt, daß alle Programme von vornherein für Weiterverwendung, konzipiert wurden.

- Da hört man raus, daß Sie bereits an Moskau, an Lake Placid und sicherlich auch an die zahlreichen einzelnen Weltmeisterschaften denken. Vermutlich haben bereit. hier in Innsbruck diese Veranstalter sich für Honeywell Bulls Olympia-EDV-Service interessiert.

Wir haben hier zahlreiche Besuche der Vertreter entsprechender Organisationskomitees gehabt, die sicherlich mehr waren als nur Höflichkeitsbesuche.

Dipl.-Ing. Heinz Felsner (34)

leitete als "Project Manager Olympic '76" Honeywell Bull's Olympia-EDV-Dienst.

Nach dem Studium an der Technischen Hochschule Wien ging er für zwei Jahre als Betriebsassistent zu einer Maschinenfabrik und kam 1968 zu Honeywell Bull nach Wien, wo er im "Zivilberuf" Leiter der Vertriebsunterstützung (Marketing Support Manager) ist.

Der gebürtige Wiener, begeisterter Skifahrer und Bergsteiger, betreute in Innsbruck ein Team von 55 EDV-Spezialisten, hardwareseitig unterstützt durch vier HB-Systeme 61/60, 50 Drucker-Terminals und 13 Bildschirme. -m-