Höherer Investitionsanteil, geringere Umsatzrendite im Jahr 1990

Für Datev sind Client-Server und Outsourcing nichts Neues

26.07.1991

NÜRNBERG (see) - Die Steuerberater-Genossenschaft Datev e.G. sieht sich als Vorreiter von aktuellen DV-Trends: Outsourcing und Client-Server-Vernetzung, so der Vorstandsvorsitzende Heinz Sebiger habe man schon immer betrieben. Frustriert zeigte er sich angesichts der jüngsten Steuer-Gesetzgebung; er sprach von "Flickschusterei".

Im 25. Jahr seit ihrer Gründung legte die Datev erneut ein zufriedenstellendes Ergebnis vor. Trotz einer Ausweitung der Investitionssumme auf 76 Millionen Mark - über die Hälfte für die Kapazitätsausweitung des Rechenzentrums - und einem auf 12,4 Prozent erhöhten Anteil der Investitionen am Umsatz (1989: zehn Prozent) weist die Gewinn- und Verlustrechnung wie im Vorjahr ein Netto-Plus von 7,3 Millionen Mark aus, das in die Rücklagen eingestellt wurde. Der Umsatz stieg um 14,5 Prozent auf 613 Millionen Mark.

So gering wie nie zuvor war allerdings die Umsatzrendite: Die Betriebsausgaben machten mit 580 Millionen Mark laut Finanzvorstand Jürgen Hiller 94,5 Prozent vom Umsatz aus. Als Steigerungsfaktoren nannte er neben sonstigen Posten die Personal- und Materialausgaben. Gleichwohl, so das Vorstandsmitglied, lag das Betriebsergebnis mit 33,6 Prozent noch geringfügig über dem vom Vorjahr. Die Mitglieder hätten eine dreiprozentige Rückvergütung auf ihren rückvergütungsfähigen Umsatz erhalten, 50 Prozent mehr als 1989. Laut Hiller verfügt die Datev über eine "günstige Ertragsstruktur und solide Finanzsituation".

Auf dieser Basis entwickelte sich das Geschäft im ersten Halbjahr 1991 nach Einschätzung der Genossenschaft positiver als erwartet; Hiller nannte ein Umsatzwachstum von bisher 21 Prozent. Die Prognose für das Gesamtjahr 1991 enthält neben einer Expansion um 18 Prozent ein deutlich höheres Betriebsergebnis und ein Ansteigen der - weitgehend aus Eigenmitteln zu finanzierenden - Investitionen auf "deutlich" über 100 Millionen Mark, wovon erneut der Großteil in größere RZ-Kapazität fließen soll.

Über ihre gegenwärtig rund 32 000 Mitglieder - Wachstum: durchschnittlich vier Prozent pro Jahr - wertet die Datev nach Sebigers Worten die Buchführung für 1,5 Millionen Unternehmen aus und erstellt monatliche Lohnabrechnungen für sechs Millionen Arbeitnehmer. Etwa 4000 Mitglieder verfügten bereits über einen ISDN-Anschluß; die Nutzung des Breitbandnetzes solle in diesem Jahr in Form neuer Angebote wie Fernwartung und -diagnose der in den Kanzleien installierten Software deutlich ausgeweitet werden .

Nach Auffassung der Datev ist das ISDN-Netz geeignet, die Rolle des Datev RZ neu zu definieren: als Logistikserver, Massenspeicher und als Informations-Pool. In dem Zusammenhang betonte Sebiger auch, die Rolle des Mainframe wandele sich zwar, er habe jedoch keinesfalls ausgespielt.

Klassische Idee neu verwirklicht

Hinter dem Client-Server-Konzept und dem Schlagwort "Outsourcing" erblickt der Datev-Vorstand "Tatbestände der Arbeitsteilung und Funktionsauslagerung in der DV, die mit Kleinanwendern bereits seit 1984 im Datev-Verbund praktiziert würden. Die klassische "Geschäftsidee" der Service Rechenzentren werde heute wegen der Bedürfnisse der Anwender, in letzter Zeit vor allem Großunternehmen, mit fortschrittlichen Techniken und Methoden neu verwirklicht.

Das Betriebssystem der Zukunft auf den PCs der Datev-Mitglieder ist in der Perspektive der Genossenschaft nach wie vor OS/2. Gleichwohl, schätzt Sebiger, werde MS-DOS mit seinen Leistungs- und Funktionserweiterungen sich noch lange am Markt halten.

Im vergangenen Jahr wurde ein großer Teil der SW-Entwicklungskapazität durch die Anpassung der Datev-Programme an neue gesetzliche Bestimmungen gebunden, strich der Datev-Mann heraus. Die Steuerreform 1990, der Einigungsvertrag mit der DDR und das jüngste Steueränderungsgesetz hätten sich auf fast alle Programme ausgewirkt. Obwohl die Nürnberger nach eigener Darstellung diese Anpassungsarbeit zeitgerecht erledigen konnten, kritisierte Sebiger die "interessenabhängige und Finanzbedarfs-getriebene Gesetzeshektik, die ohne politische Kraft für echte Systemreformen durchgeführt wird und keinerlei Rücksicht auf Nebeneffekte und Fernwirkungen nimmt". Die Arbeit des Gesetzgebers müsse hier künftig mehr an Begriffen wie Kontinuität und Rechtssicherheit orientiert sein, um ein nachvollziehbares System zu produzieren, so Sebigers Fazit.