Projektmanagement entspräche den konkreten Anforderungen besser

Für Auftragsfertiger haben PPS-Systeme nur wenig Nutzen

09.10.1992

Wenn Unternehmen der Investitionsgüterbranche mit ihrem PPS-System nicht recht glücklich werden, muß das nicht unbedingt an dem Softwarepaket liegen. Vor allem für Auftragsfertiger sind die Nutzungsmöglichkeiten begrenzt. Mehr Effektivität können sie von einem Projektmanagement-System erwarten.

Da hat sich nun ein Anlagenbauer ein aufwendiges Produktionsplanungs- und -steuerungssystem (PPS-System) zugelegt, aber der Effekt ist nicht sonderlich groß.

Das Top-Management beklagt die hohen Kosten, und der verantwortliche Informatikchef kommt in Rechtfertigungsnöte, weil die investierten Millionenbeträge die Erwartungen nicht erfüllt haben. Das eher projektorientierte Geschäft eines Auftragsfertigers läßt sich nämlich mit dem PPS-System nicht befriedigend steuern.

Der Grund ist einfach: Bei einem Auftragsfertiger, wozu der Anlagenbauer in aller Regel gehört, kann ein PPS-System nicht voll genutzt werden, weil der Fertigungsprozeß bei Auftragserteilung noch gar nicht überblickt werden kann und das Produkt erst entwickelt werden muß.

Bis dahin läßt sich nicht viel über den Ablauf der Fertigung und seine Logistik sagen. Mit anderen Worten: Für den erfolgreichen Einsatz eines PPS-Systems muß der Auftragsablauf im voraus detailliert planbar sein. Genau das ist beim Auftragsfertiger nicht möglich.

Wenn der Auftragsfertiger dennoch ein solches PPS-System installiert hat, muß er nicht total verzweifeln. Immerhin läßt es sich für Teilfunktionen einsetzen: so zur Unterstützung des Einkaufs und des Materialbereichs sowie zur Aufstellung von Stücklisten und Arbeitsplänen im Rahmen der Fertigung.

Die Art der Unterstützung ist hier aber mehr operativ als planerisch, und ihre Bedeutung wird um so geringer, je niedriger der Anteil der Eigenfertigung ist und je weniger mit Wiederholteilen gearbeitet wird. Hier ist bei den Anlagenbauern eine deutliche Tendenz zu beobachten: Sie konzentrieren sich zunehmend auf das Engineering und verlagern die Fertigung auf Zulieferer. In manchen Unternehmen beträgt der Eigenfertigungsanteil weniger als zehn Prozent.

Heißt das nun, daß ein Auftragsfertiger keine Chance hat, die CIM-Idee zu realisieren zu der normalerweise, das PPS-System gehört? Auch der Auftragsfertiger benötigt Systeme, die den integrativen Aspekt berücksichtigen. Nur muß er die CIM-Philosophie anders umsetzen. Anstelle des PPS-Systems braucht er ein Projektmanagement-System (PM), das die Durchführung, der Leistung, aber auch die Einhaltung der Termine und der Kosten überwacht. Seit etlichen Jahren sind hochwertige Standardsoftwarepakete im Markt. Diese sind in der Regel benutzerfreundlicher und einfacher als die großen und komplexen PPS-Systeme.

"PPS raus und PM rein", diese Entscheidung kann im Einzelfall durchaus zweckmäßig sein, namentlich dort, wo der Anteil der Eigenfertigung sehr gering und die Fertigungsstruktur relativ einfach ist. Die Unternehmensleitung kann hierbei überdies auf den Beifall von Mitarbeitern hoffen. PPS-Systeme - das läßt sich nicht leugnen werden oft gerade von hochqualifizierten Mitarbeitern als Entmündigung empfunden, weil ihnen quasi bis auf den letzten Pfeilstrich vorgeschrieben wird, was im einzelnen zu tun ist.

Das entspricht so gar nicht der neuen "Lean Production" - Philosophie, die eine größere Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter einschließt. Andererseits muß man berücksichtigen; daß es längst nicht bei allen Auftragsfertigern möglich ist, das Produkt allein aufgrund einer Zeichnung herzustellen. Hier muß geprüft werden, wo Teile des PPS-Systems nutzbringend eingesetzt werden können.

Wo PPS-Systeme nicht recht funktionieren wollen, haben einzelne Fachbereiche häufig zur Selbsthilfe gegriffen und Projektmanagement-Werkzeuge eingesetzt. Leider handelt es sich dabei in der Regel um isolierte Ansätze, so daß es bei komplexen Fertigungsprojekten schwierig wird, diese verschiedenen Steuerungsinstrumente zu koordinieren. Die Gefahr, daß der für das Gesamtprojekt verantwortliche Manager nunmehr ein übergeordnetes Berichtssystem aufbaut, ist unverkennbar. Das aber ist unwirtschaftlich.

Sollen Projektmanagement-Werkzeuge ihre Aufgabe, Leistungen, Termine, Ressourcen und Kosten zu kontrollieren, erfüllen, müssen sie einheitlich eingesetzt werden. Sie führen ihre Kontrollaufgabe aus, indem sie die Liefer- und Leistungsstruktur abbilden. Dabei wird der Gesamtauftrag in Teilleistungen zergliedert und anhand der entscheidenden Kriterien (Kosten, Termine, Produktqualität, Ressourcennutzung etc.) im Wege eines Soll-Ist-Vergleichs kontrolliert. In einem engeren Rahmen (als beim PPS-System) ist es auch möglich, Alternativ-Simulationen vorzunehmen. Zum Beispiel kann die Frage beantwortet werden, was passiert, wenn sich eine bestimmte Teilleistung um drei Wochen verzögert, oder wenn die Beschaffung einer Komponente von den Plankosten abweicht.

Im Prinzip ist das Projektmanagement-Werkzeug- ein Stützkorsett für die Planung, das heißt, man kann ziemlich sicher sein, daß die Struktur eines Auftrags voll erfaßt wird und die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Aktivitäten deutlich werden. In größeren Projekten können das Tausende sein, das heißt, ohne ein solches Tool besteht kaum eine Chance, den Auftrag in seiner Gesamtheit zu beherrschen.

Seine Flexibilität erhält ein modernes Projektmanagement-System durch die Fähigkeit, gespeicherte Daten mit Hilfe einer 4GL-Benutzeroberfläche nach beliebigen Kriterien abzurufen. Es ist also kein starres Anwendungsprogramm, sondern hat eher den Charakter eines Programm-Generators, der mit relativ flexibler Datenhaltung verknüpft ist.

Der Nutzen eines solchen Werkzeugs darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß es nicht dazu da ist, normales Projektmanagement zu ersetze. Es hat reine Unterstützungsfunktion. Daher ist das Vorhandensein einer Projektorganisation absolute Voraussetzung. Sie muß die Aufgaben definieren und verteilen ebenso die Ergebnisse als Sollvorgaben festlegen. In der Praxis stößt man hingegen immer wieder auf Unternehmen, in denen selbst sehr große Aufträge mit eindeutigem Projektcharakter weitgehend im Rahmen einer Linienorganisation abgewickelt werden, in der die Projektverantwortung schwer erkennbar ist. Wo solche Zustände herrschen, kann die gesamte IT-Unterstützung mit Hilfe von Projektmanagement-Werkzeugen nicht sehr viel bewirken.

Der Kaufpreis eines solchen Werkzeugs ist die geringste Investition. Die wesentlichen Kosten entstehen erst bei der Nutzbarmachung des Systems. Hier geht es darum, eine Datenbasis zu schaffen, das heißt, Standardstrukturen, in das System zu bringen, um in begrenztem Umfang auch beim Auftragsfertiger Wiederholeffekte zu nutzen.

Kernpunkte für das Management

- Investitionsgüterproduzenten mit hohem Auftragsfertigungsanteil benötigen für diesen Bereich eine IT-Unterstützung, die dem Prozeßtyp "Projekt" entspricht. Diese Aufgabe kann nur ein Projektmanagement-Werkzeug vollbringen. Viele Auftragsfertiger wickeln ihre Geschäfte stattdessen immer noch mit der falschen Organisationsform (Linienorganisation) und der falschen IT-Unterstützung (PPS-System) ab.

- Beim Einsatz für die Auftragsfertigung wird ein PPS-System mit planerischen Anforderungen hoffnungslos überlastet. Von seinem Design her erfordert das PPS-System eine von Anfang an detaillierte Auftragssteuerung (Stücklisten, Arbeitsplanung) Das ist nur bei Serienfertigung möglich. Der Auftragsfertiger kann allenfalls mit unvollständigen Stücklisten arbeiten. Ihre Ergänzung erfordert lediglich neue Produktionspläne mit entsprechender Belastung für die DV-Kapazitäten.

- PC-gestützte Projektmanagement-Werkzeuge sind im allgemeinen nicht geeignet, den Anforderungen eines Auftragsfertigers gerecht zu werden.

- Projektmanagement-Werkzeuge sind kein Ersatz für eine Projektorganisation, sondern vermögen diese nur zu unterstützen.