IT-Oganisation von morgen

Fünf Schritte zu einer agilen IT-Funktion

23.02.2018
Von 


Dr. Cyrus Asgarian ist Executive Director und Partner der Kienbaum Consultants International GmbH. Er ist verantwortlich für das Beratungsfeld Organization Design. Herr Asgarian berät Vorstände und das Top-Management in allen Fragestellungen zur strategischen Neuausrichtung der Aufbau- und Ablauforganisation. Er ist spezialisiert auf die Begleitung globaler IT-Transformationsprojekte zur Steigerung der Agilität, Effizienz, Kundenorientierung sowie Innovationskraft von IT Funktionen.
Der Wandel hin zur "All-Agile IT" bringt neben technischen vor allem organisatorische Hindernisse mit sich. In diesem Artikel erfahren Sie, wie diese in fünf Schritten gemeistert werden.

Die volatilen Märkte, auf denen sich Unternehmen heute bewegen, verlangen von IT-Organisationen eine dynamische und adaptive Time-to-Market-Strategie. Diese rapiden Veränderungen werden häufig mit der VUCA-Formel zusammengefasst. Eine passende Antwort auf eine schwer einschätzbare Umwelt ist Agilität. Die meisten IT-Organisationen wollen in Zukunft vollkommen agil arbeiten, aber stehen noch ganz am Anfang - das zeigt die aktuelle Studie "All-Agile IT".

Agilität baut auf verschiedene Elemente.
Agilität baut auf verschiedene Elemente.
Foto: Panchenko Vladimir - shutterstock.com

Der Wandel hin zu einer agilen IT-Organisation bringt nicht nur technische Herausforderung, sondern vor allem auch organisatorische Hindernisse mit sich. Vorhandene Arbeitsstrukturen müssen aufgebrochen und Verantwortung umverteilt werden. Das mittlere Management ist davon besonders betroffen. Ziel einer agilen Arbeitsweise ist, dass Manager näher am Content und den Technologien verortet werden, um gleichberechtigt mit dem Team zu arbeiten und gegebenenfalls als Coach zu fungieren.

Agilität bedeutet kundenzentriertes Arbeiten auf Augenhöhe

Es besteht die Möglichkeit, dass diese Veränderungen im Kollegium das Gefühl von Macht- und Kontrollverlust hervorruft. Dieser Entwicklung kann man nur entgegen wirken, wenn eine Vertrauensbasis innerhalb des Teams kontinuierlich aufgebaut und aufrechterhalten wird. Die Aufgabe der Führungskraft ist es, nicht nur die Schritte zu einer agileren und User-zentrierten Struktur zu initiieren, sondern auch vorzuleben, dass Agilität nicht nur eine "Toolbox" ist, sondern eine Haltung.

Die Studie identifiziert insbesondere Führungskräfte als entscheidenden Faktor auf dem Weg von IT-Organisationen zu mehr Agilität. 95 Prozent der befragten IT-Funktionen streben bis 2022 eine agile Ausrichtung an, aber nur jede fünfte Führungskraft wird von den Studienteilnehmern als agil kompetent eingeschätzt.

In fünf Schritten agiler werden

Führungsteams sollten laut Kienbaums-Studie folgende Schritte beachten, um den Wechsel zu einer agilen Unternehmensführung möglichst erfolgreich zu gestalten:

  1. Agile Zielkultur definieren, kommunizieren und vorleben
    Das Führungsteam sieht sich selbst als Übersetzer und Übermittler eines klaren, agilen Zielbildes. Wenn mit Überzeugung für den Wandel geworben wird, erhöhen sich die Chancen das Kollegium direkt von Anfang an mit ins Boot zu holen. Zu den Eckpfeilern einer agilen Unternehmenskultur zählen unter anderem Selbstorganisation, Kollaboration, Schwarmintelligenz, Teamverantwortung, inkrementelles Arbeiten sowie eine positive Diskussions- und Fehlerkultur. IT-Leader müssen verkörpern, dass Agilität die Zukunft des Unternehmens ist.

  2. Entwicklung von agilen Kompetenzen vorantreiben
    Weiterbildung und Schulungen agiler Methodenkompetenzen unterstützen den Umstrukturierungsprozess. Dies gilt nicht nur auf Mitarbeiter-Ebene, sondern insbesondere auch für das mittlere Management. Jedoch kann nur ein Teil der Fähigkeiten geschult werden, der Großteil agiler Kompetenzen basieren auf gemachten Erfahrungen. Die Rekrutierung von Talenten, die über die notwendigen agilen Kompetenzen und Erfahrungswerte verfügen, rückt entsprechend in den Fokus.

  3. IT-Architektur priorisieren und richtiges Umfeld schaffen
    Agile Methoden lassen sich auch in der Infrastruktur oder Legacy-Systemen anwenden. Um den Nutzen der IT zu maximieren, muss eine entkoppelte IT-Architektur entstehen, damit die jeweiligen Teams möglichst unabhängig arbeiten können. Hilfreich ist es hier den Fokus auf das Zusammenspiel zwischen Applikationen, Infrastruktur und Daten zu legen, um durch Schnittstellen wie zum Beispiel APIs und Microservices, das richtige technische Umfeld zu schaffen.

  4. Agile Strukturen etablieren und Business und IT vereinen
    Die Verankerung von agilen Teams mit klarer Produktverantwortung ist ein zentraler Aspekt für eine erfolgreiche Umsetzung der all-Agile IT. Die IT mit ihrer traditionellen Ausrichtung nach dem Plan-Build-Rund-Prinzip war gestern. Agile Teams vereinen das IT-Development und die IT-Operations miteinander und tragen end-to-end Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette. Außerdem rücken IT und Business-Teams näher zusammen. Ziel sollte sein statt DevOps BizDevOps zu betreiben und dafür zu sorgen, dass der agile Funke auch auf die Fachbereiche überspringt.

  5. Incentivierungssysteme anpassen
    Weil agile Strukturen die Rolle des mittleren Managements grundlegend verändern werden, gilt es gleichzeitig Incentivierungssysteme einzuführen. Da die Führungskräfte vermehrt als gleichberechtigte Coaches agieren, ist ein neues Performance-System erforderlich, um die Leistung des Managements zu messen. Neue KPIs sind hier von zentraler Bedeutung.

Das Führungsteam hat es in der Hand

Die Aufgabe des Führungsteams ist es, das Konzept der agilen IT-Funktion mit Leben zu füllen und den Weg zum Ziel anzuführen. Aus jedem der fünf genannten Schritte können konkrete Ziele und Maßnahmen abgeleitet werden, um das Unternehmen spürbar nach vorne zu bringen.

Veränderungsfähigkeit ist hier das zielführende Attribut. Durch die Anwendung agiler Prinzipien wird diese gewährleistet. Veränderungsfähigkeit ermöglicht eine dynamischere Kommunikation mit dem Kunden, sodass letztlich veränderte Anforderungen schneller umgesetzt werden können.

Agilität schafft mehr Kundenzufriedenheit

Viele Unternehmen haben die Notwendigkeit für agile Prozesse bereits erkannt und planen den Wandel aktiv zu gestalten. Laut unserer Studie sind die Erfolge agiler Arbeitsweisen signifikant: 44 Prozent der Unternehmen, die bereits auf agile Prozesse setzen, konnten deutliche Verbesserung in der Time-to-Market erzielen und über 38 Prozent konnten die Kundenzufriedenheit anheben. Darüber hinaus verbesserte sich in einem Drittel der Firmen die Produktivität stark bis sehr stark und jedes vierte Unternehmen kann deutliche Verbesserungen der Software-Qualität verbuchen.

Dennoch stufen 51 Prozent der Befragten das Kompetenzlevel ihrer IT-Führungskraft in Sachen Agilität niedrig oder sehr niedrig ein und nur 20 Prozent sagen, dass ihre Führungskraft agil kompetent ist. Darüber hinaus geben 31 Prozent der Unternehmen an, erst seit einem Jahr das Agilitätskonzept zu verfolgen. Diese Zahlen zeigen, dass das Organisationskonzept "IT-Agility" in vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckt.

Der Studie zufolge befinden sich 85 Prozent der Unternehmen am Anfang des agilen Wandels; nur 14 Prozent sehen sich als Experten und gerade einmal ein Prozent schreibt sich die Rolle als Vorreiter zu. Die Hürden bei dieser Bewährungsprobe liegen hoch: Technisch und organisatorisch erfordert der agile Wandel einiges an Umdenken und spürbaren Anwendungen.

Wo müssen IT-Führungskräfte aufholen?

Vielen IT-Leadern fehlt es an den Fähigkeiten, die für die explizite Umsetzung des Agilitätskonzeptes neu erlernt werden müssen. Dazu zählen zum Beispiel die Kompetenz agile Teams zu steuern, als Vorbild für agile Kultur und agilen Mindsets zu fungieren und auf agile Methodenkompetenz zurückgreifen zu können. Somit stehen die IT-Führungskräfte vor der Herausforderung einen Wandel herbei zu führen, der den kulturellen Kern des Unternehmens in Frage stellt und verändern will, ohne selbst darauf vorbereitet zu sein.