Debatte um Home-Office

Führungskräfte haben Angst vor Kontrollverlust

01.02.2021
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Wie fordert dieses neue Arbeiten Sie als Chefs einer Management-Beratung mit über 400 Beschäftigten?

Christophe Campana: Wir Menschen sind soziale Wesen. Darum war es für uns am Anfang der Pandemie gespenstisch, auch nicht erfreuliche Ansprachen virtuell zu halten und ins Nichts zu reden, ohne zu spüren, ob wir die Leute erreichen. Deshalb machen wir heute viel mehr Mitarbeiterbefragungen, um die Stimmung zurückgespiegelt zu bekommen und erhalten auch viel Feedback per Chat. Dennoch empfinde ich es als großes Defizit, den Puls der Beschäftigten nicht mehr unmittelbar zu spüren.

Eric Schott: Wenn das Team viel mehr Entscheidungen selbst trifft, entsteht für mich mehr Raum zu kommunizieren. So nutze ich verstärkt LinkedIn, und zwar nicht nur nach außen, sondern gezielt auch nach innen, in Richtung des eigenen Unternehmens, um über diesen Kanal unsere Haltung, unsere Prioritäten, aber auch unsere offenen Fragen zu kommunizieren. Kommunikation bedeutet dabei auch soziale Kommunikation. Wir haben schnell gemerkt, dass das menschliche Miteinander auf der Strecke geblieben wäre, hätten wir nicht bewusst soziale Elemente in unseren virtuellen Arbeitsalltag eingebaut.

Pausen zwischen den Meetings einplanen

Wie lässt sich das Miteinander im Virtuellen erhalten?

Eric Schott: Nehmen wir wieder das Beispiel Meetings. Am Anfang von Präsenzmeetings gab es früher oft Small-Talk oder es ging auch mal um private Themen. Heute startet jede Videokonferenz immer gleich thematisch auf den Punkt. Um 10.01 Uhr ist man schon mitten in der Agenda. Seit kurzem organisieren wir das deshalb so, dass mindestens zehn Minuten Pause zwischen zwei Video-Calls liegen, das Meeting setzen wir zum Beispiel nicht mit 60, sondern mit 50 Minuten an. So haben die Teilnehmenden auch Zeit, sich miteinander noch ein bisschen zu unterhalten oder Einzelne können mal durchschnaufen und sich für das nächste Meeting zu sortieren.

Mit einem Mentimeter lassen sich über Umfragen, Mood Surveys oder Tag Clouds Stimmungen, Meinungen und Erwartungen besser erspüren.
Mit einem Mentimeter lassen sich über Umfragen, Mood Surveys oder Tag Clouds Stimmungen, Meinungen und Erwartungen besser erspüren.
Foto: Campana & Schott

Christophe Campana: Wir verwenden auch Lösungen wie Mentimeter für Umfragen, Mood Surveys, Tag Clouds, um Stimmungen, Meinungen und Erwartungen besser erspüren zu können. Auch bauen wir spielerische Elemente wie Quizze, virtuelles Kaffeetrinken, zu denen man sich einfach einwählen kann oder einen virtuellen Aperitif in den Alltag ein. Viele kreative Ideen entstehen auch direkt in den Teams. Das Motto all dieser Initiativen heißt: Einfach mal ausprobieren und laufen lassen.

Was raten Sie Unternehmen, die jetzt doch Home-Office ermöglichen wollen?

Eric Schott: Vorausgesetzt, die technologischen Voraussetzungen sind vorhanden, kann man am besten mit Regelterminen wie Abteilungsbesprechungen oder Statusmeetings virtuell starten, während Workshops und Kreativformate erstmal außen vor bleiben. Parallel sucht man sich Personen im Unternehmen, die diesen Prozess der Virtualisierung von Zusammenarbeit übergeordnet begleiten und dazu Feedback geben. In der ersten Phase steht das Ausprobieren im Vordergrund, es gibt viele Varianten. Aber nach einigen Monaten einigt man sich auf Best Practices, wie im Unternehmen generell virtuelle Meetings gestaltet werden, so eine Art Gebrauchsanweisung.

Wenn das funktioniert, sind anspruchsvollere Formate wie Innovations- oder Kreativ-Workshops dran. Hier wechselt sich in einem Meeting das Online-Arbeiten im Plenum mit virtuellen Kleingruppen ab. Man muss nicht alles auf einmal umsetzen. Wichtig ist, dass man einen Schritt nach dem anderen macht. Homeoffice wird bleiben, auch wenn Corona vorbei ist. Homeoffice ist aber nur Teil einer viel größeren Entwicklung: performantes Arbeiten und Entscheiden - und Wohlfühlen - im New Work.

Christophe Campana und Eric Schott...

... lernten sich als Studenten in Karlsruhe kennen und gründeten 1992 nach Studium, Promotion und erster Berufserfahrung die Beratung Campana & Schott. Heute beschäftigt die Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Frankfurt am Main mehr als 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Standorten in Europa und den USA.

Christophe Campana befasst sich mit strategischem Projekt- und Portfoliomanagement und neuen Formen der Zusammenarbeit, etwa Social Collaboration.

Eric Schott ist spezialisiert auf Veränderungsprozesse im Zuge des digitalen Wandels sowie auf neue Formen der Zusammenarbeit innerhalb und zwischen Unternehmen. Er ist als Honorarprofessor an der TU Berlin tätig.