Assessment Center

Führung auf dem Prüfstand

29.09.2008
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Glückwunsch, Sie werden befördert. Bevor sich Mitarbeiter über diesen Satz freuen dürfen, müssen sie sich erst beweisen - nicht nur im Alltag, sondern zunehmend auch im manchmal mehrtägigen Auswahlverfahren.

Leichte Nervosität macht sich breit. Kritisch beäugen sich die Kontrahenten wie Langstreckenläufer vor dem Startsignal. Schließlich warten auf die Teilnehmer eines Assessment-Centers ein bis zwei Tage Dauerstress. Zwischen den vielfältigen Übungen, Gesprächen und Tests bleibt ihnen kaum Zeit für weiche Knie. Selbst ein aus Ratgebern mühsam antrainiertes Verhaltensrepertoire vergessen viele schnell, die Simulation wird Realität.

An die Postkorbübung erinnern sich manche Berufseinsteiger noch mit Schrecken: Möglichst effizient mussten sie Unterlagen sortieren, Arbeitsaufträge verteilen und das Wichtigste zuerst bearbeiten. Wer denkt, mit zunehmender Berufserfahrung solchen Übungen entwachsen zu sein, irrt sich. Gerade wenn es darum geht, talentierte Mitarbeiter auf ihre Führungsqualitäten zu testen, setzen wieder viele Firmen auf das mehrtägige, kostspielige Testverfahren.

Microsoft testet Soft Skills

Microsoft etwa lädt alle zwei Monate rund zehn Mitarbeiter zu einem eineinhalbtägigen Assessment-Center ein. "Uns geht es dabei ausschließlich um Soft Skills und nicht um Fachwissen", erläutert Tim Ackermann, Personaler bei Microsoft in München. Kommunikatives Verhalten, Teamgeist und Konfliktfähigkeit sowie Führungskompetenz sollen die angehenden Führungskräfte in aufeinander aufbauenden Rollenspielen und Übungen unter Beweis stellen.

Tim Ackermann, Microsoft: Nur wer seine Soft Skills im AC bewiesen hat, kann sich intern für eine Führungsaufgabe bewerben.
Tim Ackermann, Microsoft: Nur wer seine Soft Skills im AC bewiesen hat, kann sich intern für eine Führungsaufgabe bewerben.

Ein externer Dienstleister entwickelt mit dem Unternehmen die Fallbeispiele und übernimmt Organisation sowie Abwicklung. HR-Mitarbeiter und Führungskräfte von Microsoft sowie unabhängige Beobachter des Dienstleisters beobachten und beurteilen die Kandidaten. Das Vorschlagsrecht für die Teilnahme liegt bei den direkten Vorgesetzten.

"Die Akzeptanz des Verfahrens unter den Mitarbeitern ist sehr hoch", berichtet Ackermann. Selbst wenn es kein konkretes Jobangebot am Ende der eineinhalb Tage gibt, fasst ein persönlicher Entwicklungsplan die Ergebnisse zusammen und zeigt Perspektiven auf. Wer an seinen Schwachstellen arbeitet und seine Vorgesetzten von den Fortschritten überzeugen kann, nimmt möglicherweise in der nächsten Runde wieder teil. Denn wer sich für eine intern ausgeschriebene Führungsaufgabe bewerben möchte, muss vorher seine Soft Skills im Assessment-Center überzeugend darstellen.