Bundesverwaltung stopft laufend Löcher in der Umsatzsteuer-Verordnung:

Frust um WuSt bei Hart- und Weichware

11.09.1987

ZÜRICH (CWS) - In der Schweiz ist ein Streit darüber ausgebrochen, was Ware ist - denn Umsatzsteuer ist nur auf Waren zu entrichten. Ob der Staat an der Soft-Ware mitverdienen darf, liegt somit an der Definition des Warenbegriffs. Der Bund, dem die Warenumsatzsteuer (WuSt) jährlich Einnahmen in Höhe von sieben Milliarden Franken bringt, dehnt die Besteuerung immer weiter aus.

Viele Software-Firmen seien durch die herrschende Praxis der WuSt-Verwaltung in Bern verunsichert, denn sie wüßten nicht, ob eine heute WuSt-freie Dienstleistung morgen nicht schon WuSt-pflichtig sei, sagt Peter R. Walti, Präsident der Gesellschaft Schweizerischer EDV-Dienstleistungsunternehmen und Softwarehersteller (GES). Die WuSt-Pflicht werde durch die WuSt-Verwaltung laufend erweitert. In Automatenbriefen informiere die Verwaltung über neue Auslegungen. Walti nimmt an, daß die Behörden die WuSt-Pflicht gar nicht klären wollen, sondern vielmehr an einer Einnahmensteigerung interessiert seien.

Bei der der eidgenössischen Finanzverwaltung angegliederten Hauptabteilung Warenumsatzsteuer geht man davon aus, daß individuelle Software-Programme nicht WuSt-pflichtig sind. Hingegen sei für Standardsoftware, etwa für Buchhaltungsprogramme oder andere branchenspezifische Programme, die Warenumsatzsteuer zu erheben. Der Standardbrief 1688a/187 befaßt sich mit "Software-Leistungen, die für sich allein oder im Zusammenhang mit der Lieferung oder Vermietung von Hardware erbracht werden".

Aufklärung über Eigenart der Standardprogramme

Darin wird gesagt: "Software-Leistungen wie das Erstellen von individuellen Programmen, das Ändern und Warten von Programmen (individuelle oder Standardprogramme), ferner auch das Beraten, Analysieren, Organisieren, Ausbilden von Personal und dergleichen, sind nicht Warenumsätze und unterliegen deshalb, wenn für sich allein erbracht, der Warenumsatzsteuer nicht."

Hingegen seien Programme für numerisch gesteuerte Maschinen oder Standardprogramme Gegenstand von Warenumsätzen (Lieferungen oder Eigenverbrauch). Standardprogramme sind Programme oder Programmpakete, die zur Verwendung durch verschiedene Kunden bestimmt sind, gleichgültig, ob und in welchem Ausmaß sie den Bedürfnissen der einzelnen Kunden angepaßt werden.

Schlecht erging es der schweizerischen Tochtergesellschaft eines ausländischen Softwareherstellers, die zum Zeitpunkt der Eröffnung aufgrund des damals vorliegenden WuSt-Standardbriefes davon ausging, sie biete keine Standardsoftware und fertigen Anwendungen an. Sie importierte während einiger Zeit Software, auf die von den Zollbehörden keine WuSt erhoben wurde. Im Herbst 1986 wurde plötzlich von den Zollbehörden die Warenumsatzsteuer erhoben. Die Revisionsgesellschaft empfahl der Firma, die Situation mit der WuSt-Verwaltung zu bereinigen: Die Firma mußte WuSt in der Höhe von 100 000 Franken nachzahlen. Zusätzlich wurde sie von der eidgenössischen Steuerverwaltung mit 500 Franken gebüßt, weil das Unternehmen seinen Geschäftsabschluß nur der kantonalen Steuerbehörde, nicht aber der WuSt-Verwaltung vorgelegt hatte.

Hans Zettler, Geschäftsführer der Logismata in Zürich, findet die heutige Regelung ungerecht: Standardsoftware sollte auch nicht WuSt-pflichtig sein, da Computerprogramme auch über das Telefonnetz importiert werden könnten und somit der Kontrolle durch die Zollorgane entzogen seien. Die WuSt-Verwaltung in Bern kennt dieses Problem und nimmt an, daß viele Firmen solcherart eingeführte Programme nicht anmelden. Dies sei bei einer Steuererhebung, die auf Selbstdeklaration beruhe, kaum zu umgehen. Ein nicht als Grossist angemeldeter Händler zahle bei der Einfuhr einer Software 9,3 Prozent des Wertes franko Schweizer Zoll, inklusive Zollabgabe. Bei der Einfuhr für den Eigenverbrauch würden 6,2 Prozent belastet, erklärt die WuSt-Verwaltung. Der eingetragene Grossist zahle bei der Einfuhr von Software, die für den Weiterverkauf bestimmt sei, keine Warenumsatzsteuer, sondern belaste 6,2 Prozent dem Käufer und rechne dann den WuSt-Betrag mit der WuSt-Verwaltung ab.

Nicht nur die Software muß nach heutiger Praxis versteuert werden, sondern beispielsweise auch ein Wartungsvertrag. Die importierten Software-Nachträge müssen anteilmäßig zur erhobenen Wartungsgebühr "verwustet" werden. Selbstverständlich wird auch diese Praxis bemängelt, denn erbringt eine Drittfirma diese Leistung, so ist sie nicht WuSt-pflichtig.

Vor allem kleinere Softwarefirmen sind mit der Auslegung des aus dem Jahre 1941 stammenden Bundesratsbeschluß über die Warenumsatzsteuer nicht einverstanden. Sie sehen darin eine Einschränkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. So bieten kleinere Firmen meist schlüsselfertige Lösungen an, die auf Standardpaketen aufgebaut sind. Demgegenüber seien größere Firmen eher bestrebt, Lösungen selbst auszuprogrammieren. Diese Programme sind dann als Individuallösungen nicht WuSt-pflichtig.

Mit der Praxis zur Erhebung der Warenumsatzsteuer setzt sich der auf Rechtsfragen in der Informatik spezialisierte Rechtsanwalt Peter Kubli auseinander. Kubli schreibt in seiner Zeitschrift "Softius", die zentrale Norm der Warenumsatzsteuer sei der Begriff der Ware. Im Zivilrecht seien die sich im Zusammenhang mit der Qualifikation und dem Vertrieb von Software stellenden Rechtsprobleme weitgehend unbearbeitet. Er vertritt die Meinung, daß der Begriff der Ware von den Behörden in einer unzulässigen Weise ausgedehnt werde.

Es müsse darauf geachtet werden, daß sich die klassische, vom Gesetzgeber gewollte Warenumsatzsteuer nicht über den Umweg der Auslegung in eine allgemeine Umsatzsteuer verwandle. Eine Angleichung einer für sich allein genommen nicht steuerbaren Leistung an eine steuerbare sei - wenn überhaupt - höchstens dann zulässig, wenn sie im Vergleich zur Warenlieferung von untergeordneter Bedeutung sei. Die jetzige Auslegung stehe im Widerspruch zur vom Gesetzgeber bewußt vorgenommenen Einschränkung der Steuertatbestände auf die Lieferung oder Ablieferung von Waren, schreibt Kubli.

Firmen und Interessenverbände der Software-Branche murren zwar über die heute geltende Praxis der WuSt-Veranlagung, doch konnte sich bisher noch niemand dazu durchringen, sein Unbehagen dem Bundesgericht vorzulegen. Außerdem sind verschiedene im Beratungsgeschäft tätige Firmen gar nicht an einer Änderung der WuSt-Erhebung interessiert. An einigen Orten ist man deshalb damit beschäftigt, Arbeitsgruppen zum Thema Warenumsatzsteuer zu bilden, um eine gemeinsame Vorgehensstrategie zu entwickeln. Schließlich möchte man am Ende nicht noch mehr Steuern zahlen müssen als bis jetzt.