Charles Phillips befürchtet Kundenabwanderung zu SAP

Fronten zwischen Oracle und Peoplesoft verhärten sich

04.07.2003
LONDON (CW) - Die Oracle-Verantwortlichen bekräftigten auf der Hausmesse "Appsworld" in London ihren Willen, den Wettbewerber Peoplesoft zu übernehmen. Auch wenn Oracle-Chef Lawrence Ellison zunehmend sanftere Töne anschlägt, gilt es, wachsenden Widerstand zu überwinden. Neben dem Peoplesoft-Management, das inzwischen alle rechtlichen Register zieht, machen auch viele Kunden Front gegen das feindliche Übernahmeangebot.

"Wenn es Konsolidierung gibt, dann treiben wir diese lieber voran als zuzusehen", beschreibt Vice President Charles Phillips in London die künftige Oracle-Strategie. Das Unternehmen benötige neue Produkte, Vertriebskanäle und Partner. Diese ließen sich allerdings nicht auf die Schnelle entwickeln. Daher werde es sicher noch einige weitere Übernahmen geben, so Phillips Fazit. Er will auch nicht ausschließen, dass Oracle J.D. Edwards im Zuge der angestrebten Peoplesoft-Übernahme ebenfalls einsackt.

Oracle denke bereits seit zirka einem Jahr an eine Übernahme von Peoplesoft, erläutert Phillips. Dies sei ein Bestandteil eines Fünfjahresplans, mit dem der Druck auf den Konkurrenten SAP erhöht werden soll. "Oracle und speziell Larry Ellison haben ihre Ansichten über Akquisitionen im vergangenen Jahr geändert", schildert er die Strategiewende. Ellison sei in der Vergangenheit kein Freund von Übernahmen gewesen. So hat es in den vergangenen Jahren auch kaum Aktivitäten auf diesem Sektor gegeben.

Ellison selbst schlug in London moderate Töne an. Nachdem der Oracle-Chef Anfang Juni im Zuge seines ersten Angebots noch getönt hatte, man werde die Peoplesoft-Produkte einstampfen und den Großteil der Angestellten vor die Tür setzen, vollzog der ehrgeizige Segler nun eine 180-Grad-Wende. Ellison versprach den verunsicherten Peoplesoft-Kunden, den Support für das aktuelle Produktportfolio für wenigstens zehn Jahre sicherzustellen und keinen Zwang auszuüben, auf Oracles E-Business-Suite zu wechseln. Allerdings würden die Peoplesoft-Applikationen nicht weiter aktiv vermarktet.

Über die Verweigerungshaltung des Peoplesoft-Managements zeigte sich Ellison enttäuscht. So würden das Angebot und ein Treffen auf höchster Management-Ebene weiter abgelehnt. "Das Unternehmen gehört den Aktionären und nicht dem Vorstand", kritisierte der Oracle-Chef. Er selbst gehe davon aus, dass die Peoplesoft-Aktionäre das Angebot von 19,50 Dollar je Anteilschein akzeptieren werden. Dies sei eine faire Offerte. Insider berichten jedoch, dass zahlreiche Fonds-Manager bereits auf einen Preis von über 20 Dollar spekulieren. Daher lässt sich auch Ellison eine Hintertür für ein drittes Angebot offen: "Sag niemals nie."

Die SAP bleibe auch nach der Übernahme der große Rivale, beschreibt Phillips die künftigen Kräfteverhältnisse im Markt für Unternehmenssoftware. Allerdings könnte Oracle innerhalb der nächsten zehn Jahre bis zu 30 Prozent der Peoplesoft-Kunden an SAP verlieren, warnt der Manager. Vor allem Kunden, die neben den Human-Resources-Lösungen von Peoplesoft "SAP Financials" im Einsatz hätten, könnten den Verlockungen der Walldorfer erliegen. "Wir werden alles tun, um diese Kunden nicht zu verlieren", versichert der Oracle-Manager. "Genau das passiert aber bereits."

SAP selbst gibt sich zurückhaltender. Zwar hätten sich aufgrund der US-amerikanischen Marketing-Kampagne etwa 40 Gespräche mit Peoplesoft-Kunden ergeben. In diesem Markt und bei dieser Kategorie von Software werde jedoch nichts von heute auf morgen entschieden, verlautet aus der Walldorfer Firmenzentrale. Neben den USA läuft die SAP-Marketing-Aktion auch in der europäischen Ausgabe der "Financial Times" und in Großbritannien. In Deutschland lohne sich der Aufwand wegen der geringen Zahl an Peoplesoft-Kunden jedoch nicht. Das SAP-Angebot für umsteigewillige Peoplesoft-Kunden umfasst eine kostenlose Bestandsaufnahme und Analyse der IT-Infrastruktur. Auch bei den Migrationsservices könnten Kunden mit Sonderkonditionen rechnen. Ansonsten funktioniere alles genauso wie bei einem regulären Verkaufszyklus, erläutern die Verantwortlichen. Dieser dauere etwa neun bis zwölf Monate. Daher sei frühestens zu Beginn nächsten Jahres mit konkreten Abschlüssen zu rechnen, so die Prognose aus Walldorf.

Kundenverband gegen Übernahme

Während die Oracle-Verantwortlichen bereits Pläne für die Phase nach der Übernahme schmieden, formiert sich der Widerstand. So erklärte beispielsweise das International Customer Advisory Board (ICAB), eine 17 Mitglieder zählende Organsation, die für sich in Anspruch nimmt, für die weltweit rund 5100 Peoplesoft-Kunden zu sprechen, seine Unterstützung für die Haltung des Peoplesoft-Managements: "Wir sind der festen Überzeugung, dass die Übernahme von Peoplesoft durch Oracle zu weniger Wettbewerb führen und Kunden dazu zwingen würde, ihre Applikationen und möglicherweise auch ihre Datenbanken zu migrieren. Dieses unnötige, teure und riskante Unterfangen kann nicht im Interesse der Kunden sein", kritisiert ICAB-President Peg Nicholson.

Oracle weist die Vorwürfe scharf zurück. Die Peoplesoft-Verantwortlichen hätten ihre Kunden unnötigerweise in Aufruhr versetzt, um von den offensichtlichen Vorteilen des Angebots abzulenken.

Während die Kontrahenten ihre Schlachtreihen ordnen, zeichnet sich auch ein Kräftemessen vor Gericht ab. Nachdem beide Parteien bereits wechselseitig Klagen gegeneinander eingereicht haben, will Peoplesoft nun mit Gary Reback, einem erfahrenen Kartellanwalt aus dem Silicon Valley, den Angriff Oracles abschmettern. Der Anwalt spielte in den 90er Jahren eine entscheidende Rolle im langjährigen Kartellprozess gegen Microsoft. Ironie des Schicksals: Damals kämpfte Reback auf der Seite Oracles gegen die Monopolbestrebungen von Microsoft. Nun wird der 54-jährige Rechtsanwalt mit dem gleichen Vorwurf gegen seinen einstigen Verbündeten vorgehen.

Die Querelen werden bis weit in den Sommer hinein andauern, prognostiziert Bob Dutkowsky, Chairman und CEO von J.D. Edwards. Man arbeite zwar Tag und Nacht, um das Abkommen mit Peoplesoft unter Dach und Fach zu bekommen. Bis es so weit sei, werde es allerdings noch vier bis sechs Wochen dauern. Währenddessen hat das US-amerikanische Justizministerium die kartellrechtliche Untersuchung des Deals verlängert. So stellte das Ministerium am 30. Juni eine zweite Informationsanforderung an Oracle. Experten zufolge könnte die folgende Untersuchung Wochen oder gar Monate dauern. Dies dürfte Peoplesoft die nötige Zeit verschaffen, um den Merger mit J.D. Edwards abzuschließen.

Allerdings steht auch Peoplesoft unter Druck. So muss das Unternehmen gute Zahlen für das Ende Juni abgelaufene zweite Quartal abliefern, um die eigene Position zu festigen. Analysten rechnen jedoch damit, dass die andauernden Unruhen gerade während der umsatzstärksten Wochen am Ende des Quartals für schlechte Zahlen sorgen werden. Auch die Peoplesoft-Verantwortlichen warnen vor zu großen Erwartungen. Das abgelaufene Quartal sei davon gekennzeichnet gewesen, dass einige Kunden fällige Entscheidungen aufgeschoben hätten, um den Ausgang der Übernahmeschlacht abzuwarten. Dieser Zustand der Unsicherheit dürfte sich auch während der weiteren Untersuchungen der Kartellbehörden nicht ändern. Damit erweist sich die Fristverlängerung für Peoplesoft als zweischneidiges Schwert.

Das bestätigen auch die Verantwortlichen der Software AG, die noch Produkte des von Peoplesoft übernommenen Unternehmens Vantive einsetzen. Sollte hier eine Migrationsdiskussion aufkommen, müsse man sich natürlich überlegen, wie langfristig Peoplesoft zur Verfügung stehe. Es gebe jedoch momentan keinen Druck, eine Entscheidung zu treffen. Die Software AG könne erst einmal abwarten und sehen, was passiert.

Ganz pragmatisch sehen die IT-Verantwortlichen bei der Üstra, den Verkehrsbetrieben der Stadt Hannover, den Übernahmepoker. Ein Kauf Peoplesofts könnte sogar Vorteile haben, da man eine Datenbank von Oracle im Einsatz habe. Sorgen um Support mache man sich nicht. Es gebe Verträge, die auch ein Unternehmen wie Oracle übernehmen und erfüllen muss. (ba)

Abb: Marktanteile für Unternehmenssoftware 2002

Angesichts der nach wie vor stark fragmentierten Märkte für ERP-, CRM- und SCM-Software dürfte es den Peoplesoft-Verantwortlichen schwer fallen, ihre Monopolvorwürfe gegen Oracle aufrecht zu erhalten. Quelle: Gartner