Vor allem große Anwender profitieren von neuem Preismodell

Frischer Wind beim Mainframe-Pricing

07.06.2002
MÜNCHEN/DRESDEN (js) - Bereits seit längerem fordern Mainframe-Anwender von der IBM günstigere Lizenzen und verständlichere Preismodelle. Nun hat Big Blue reagiert, in Kürze wird die veränderte WLC (Workload Charge) zur Verfügung stehen. Einfacher ist die Suche nach der günstigsten Abrechnungsmethode für die Anwender dadurch allerdings nicht geworden.

Mainframes gelten als die teuren Dinosaurier der IT. Die IBM hat in letzter Zeit einiges getan, um mit diesem Image aufzuräumen: Das Open-Source-Betriebssystem Linux wurde auf Maschinen der z-Series portiert, und IBM brachte die z800, ein neues, Linux-orientiertes Einsteigermodell, auf den Markt. Mit dem Applikations-Server von SAP R/3, der seit Mai für Linux auf z-Series allgemein verfügbar ist, steht dem einen oder anderen Unternehmen nun auch eine Anwendung zur Verfügung, die das Zeug zur Killerapplikation hat. Auf der Konferenz der IBM-Anwendervereinigung GSE (Guide Share Europe), die vor einigen Tagen in Dresden stattfand, hat IBM nun auch Details zu dem ab 1. Juli geltenden Preismodell für die teuren IT-Urgesteine vorgestellt.

Verändertes Workload-Pricing

An dem in der Mainframe-Welt üblichen Grundprinzip der monatlichen Lizenzgebühren wird nicht gerüttelt. Wie gehabt orientiert sich auch das neue Pricing-Modell an der Leistung, die ein Anwender seiner z-Series abverlangt. Dennoch gibt es einige wichtige Unterschiede: Bislang nahm IBM die Preisfindung für das Betriebssystem z/OS und die Mainframe-typischen Produkte wie Cics oder IMS über eine vorab kalkulierte Systemkapazität vor. Die Anwender definierten, wie viel Leistung ein bestimmter Workload voraussichtlich benötigen würde. Die Bezahlung basierte auf der Summe der LPAR (Logische Partitionen) -Definitionen. Dieses Modell hatte einige Schwächen und Ungereimtheiten. So konnte etwa die Summe aller vordefinierten Workloads durchaus die Gesamtkapazität der Maschine übersteigen, da bei der Kalkulation Spitzenlasten einzelner Anwendungen berücksichtigt werden mussten. In so einem Fall galt allerdings die reale Gesamtkapazität des Mainframes als Preisgrundlage.

Im überarbeiteten WLC-Modell, das Big Blue nun anbietet, entfällt die Vorabdefinition der Workload-Kapazitäten. Die Lizenzgebühren werden stattdessen anhand der wirklich genutzten Kapazität berechnet. Dazu misst ein Reporting-Tool über einen Zeitraum von vier Stunden die tatsächliche Nutzung einer oder mehrerer LPARs. Die Bezahlung basiert auf der kombinierten LPAR-Nutzung. Eine Partition, die zwar 1000 MIPS (Million Instructions per Second) groß ist, aber im Schnitt nur mit 700 MIPS genutzt wird, soll dadurch in Zukunft deutlich billiger werden. Wird ein Programm über mehrere Partitionen hinweg genutzt, dient der Durchschnitt daraus als Preisbasis. Hier liegt für viele Unternehmen Sparpotenzial: Wenn die verschiedenen LPARs zu unterschiedlichen Zeiten ihre Spitzenlast haben, werden nicht mehr alle Partitionen nach ihrer maximalen Kapazität in Rechnung gestellt.

Karl-Georg Martin, Produkt-Manager z-Series bei IBM, verdeutlichte auf der GSE-Tagung diesen Vorteil an einem Beispiel: Eine Maschine mit 300 MSUs (Million of Service Units) Gesamtkapazität benötigt in einem Zeitraum 190 MSUs für Cics und 100 MSUs für IMS. In einem anderen Zeitintervall braucht Cics nur 75 MSUs, während IMS dann 175 MSUs für sich beansprucht. Nach dem alten Preismodell müsste der Anwender sowohl für Cics als auch für IMS jeweils 200 MSUs als Spitzenlast vordefinieren - theoretisch 400 MSUs auf einer Maschine, die nur 300 MSUs zur Verfügung stellen kann. In einem solchen Fall sei der Kunde für die in Wirklichkeit vorhandene Leistung seines Mainframes zur Kasse gebeten worden. Die gleiche Lastverteilung in den beiden Zeitintervallen ergibt bei der neuen WLC einen etwas günstigeren Preis: Die Spitzenauslastung der Maschine liegt im ersten Intervall bei 190 MSUs für Cics und 100 MSUs für IMS. Neue Berechnungsbasis für die Lizenzkosten ist damit der reale Spitzenwert von 290 MSUs. Neu ab 1. Juli sind auch höhere Rabatte für Großanwender. Je mehr Leistung der Mainframe hat, desto günstiger wird eine Leistungseinheit. Bis zu 30 Prozent geringere Lizenzkosten für z/OS verspricht IBM den Anwendern im neu eingeführten WLC-Level 5, der oberhalb von 875 MSUs beginnt. Und bei der Workload-abhängig berechneten Middleware, zum Beispiel Cics oder DB2, können die Anwender im leistungshungrigen Bereich des WLC-Levels 4 bis zu 25 Prozent sparen. Der Preisvorteil wirkt sich laut Martin aber erst bei großen Installationen aus.

Sparen ab 5000 MIPS

Auch Marktbeobachter sehen den Nutzen der neuen Preisstruktur auf die großen Anwender begrenzt. So stellt etwa die Gartner Group fest: "Große Mainframe-Installationen werden von der Kostensenkung durch die Einführung des Level-5-WLC-Pricings bei z/OS und Level 4 bei Middleware profitieren." Von einem deutlichen Kostenvorteil geht Gartner jedoch nicht aus, da nur Unternehmen mit mehr als 5000 MIPS Kapazität betroffen seien. Ein Anwender mit 6000 MIPS, so die Gartner-Rechnung, werde bei z/OS mit dem neuen WLC Level 5 monatlich 4000 Dollar einsparen - er zahlt 144000 statt bislang 148000 Dollar.

Wie Gartner sieht auch die Giga Information Group erst für Installationen über insgesamt 5000 MIPS eine Kosteneinsparung. Allerdings mache die neue WLC das Preisgefüge für die Anwender einfacher, so die Analysten. Für Giga ist das eingeführte Modell jedoch nur ein erster Schritt, dem nun das "Feintuning" folgen werde.

Haltung der ISVs noch unklar

Mit den Kosten für z/OS oder IBM-Middleware sind die Mainframe-Gebühren jedoch nicht abgetan. Die meisten Anwender benutzen zusätzlich auch Software von Drittherstellern. Ob die ISVs (Independent Software Vendors) das neue IBM-Pricing annehmen, steht noch in den Sternen. Zum Beispiel Computer Associates (CA): Hier werde gerade geprüft, ob die neue WLC für die eigenen Kunden vorteilhaft sei, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Die Frage sei, ob das Modell mittel- oder langfristig zu höheren Kosten bei den Anwendern führen würde. In diesem Fall übernehme CA diesen Pricing-Ansatz nicht.

Die Anwenderorganisation begrüßt zwar die neue WLC, äußert aber auch Kritik. "Wir haben ja vor einiger Zeit von IBM das Versprechen bekommen, dass das Pricing einfacher werden würde. Das ist nun definitiv nicht der Fall", bedauert Christoph Laube, Deutschland-Manager und Mitglied der Pricing-Taskforce der GSE. Er zeigt allerdings Verständnis dafür. Wenn für jede mögliche Kundensituation eine optimale Preislösung herauskommen soll, müsse man wohl auch hinnehmen, dass das System durch die Vielzahl der Möglichkeiten kompliziert sei. Laube ist sicher, dass sich die Anwender intensiv mit dem Modell befassen müssen, um es zu durchschauen. Allerdings habe IBM zugesagt, Kunden, denen durch das neue Preismodell höhere Rechnungen ins Haus flattern würden, die alten und für sie günstigeren Lizenzgebühren zu berechnen.

Linux bringt Sparpotenzial

Doch auch kleinere Anwender können die Mainframe-Kosten senken. Das Schlüsselwort für sie ist Linux. Neben der z800, einem Linux-Mainframe zu günstigen Preisen, den IBM vor kurzem einführte, können besonders Linux-Workloads auf den großen Maschinen der z900-Serie die Lizenzgebühren senken. Für das Unix-artige Linux gelten bei IBM generell andere Preismodelle, wie IBM-Manager Martin erläutert: "Bei der Unix-Seite kommt man von der prozessororientierten Berechnung, die Mainframe-Seite kommt von der leistungsorientierten." Da auf den Maschinen der z-Series beide Systeme laufen können, hat IBM auch beide Pricing-Varianten angenommen. Und um Linux auf dem Mainframe am Markt populär zu machen, wurden einige Preise in diesem Umfeld gesenkt. So ist etwa die Konsolidierungsversion z900 IFL (Integrated Facility for Linux) deutlich günstiger geworden.

Harte Trennung notwendig

Um die zur genauen Abrechnung notwendige klare Trennung zwischen den Linux- und z/OS-Prozessoren eines Mainframes zu erzielen, werden diese hart über Mikrocode getrennt. "Damit können Anwendungen, die auf den z/OS-Prozessoren arbeiten, nicht mehr auf die Leistung der Linux-Prozessoren zugreifen", erklärt Martin. Das WLC-Pricing sei dann auch auf den dedizierten z/OS-Teil des Großrechners begrenzt.

Diese Strategie verfolgt Theo Krämer, Leiter des Rechenzentrums im Bereich Abgastechnik bei der Eberspächer GmbH & Co. KG. Er hat bereits Erfahrungen mit den hart getrennten z/OS- und Linux-Prozessoren gemacht. Vor allem Workloads wie etwa die Applikations-Server von SAP R/3 betreibt das Rechenzentrum laut Krämer unter Linux auf z-Series: "Wir versuchen, alle Produkte, die sehr CPU-intensiv sind, auf IFL-Prozessoren zu legen, die, was Softwarelizenzen betrifft, ja mehr oder weniger umsonst sind." Etwa 25 Prozent der Maschinenkapazität bei Eberspächer gehören bereits dem Open-Source-Betriebssystem. Das Unternehmen möchte im teuren z/OS nur noch die Unternehmensdaten halten, da aus Sicht des RZ-Leiters dieses System im Umgang mit Daten überlegen ist. Die neue WLC ist für Krämer kein großes Thema mehr, der Linux-Ausbau auf dem Mainframe ist beschlossene Sache, wenn sich nach den bislang guten Erfahrungen keine technischen Hürden mehr ergeben.

Produkte von Drittanbietern hat das Unternehmen mittlerweile nicht mehr auf dem Großrechner. Ziel des RZ-Leiters ist es, das System möglichst einfach und überschaubar zu halten, um mit minimalem Personalaufwand zurechtzukommen: "Nur so holt man das, was z/OS mehr kostet, wieder rein."

Im Griff zu Linux auf dem Mainframe sieht auch die Giga Information Group eine potenzielle preiswerte Zukunft des Hosts. Der Mainframe profitiere von der aktuellen Verbindung neuer Funktionalität und einem immer besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. IT-Verantwortliche sollten sich laut den Marktbeobachtern das Mainframe-Computing als kosteneffektives Mittel zur Effizienzsteigerung bestehender IT-Strukturen näher anschauen.

Abb: Auswirkung des WLC-Levels 5

Nur Installationen mit mehr als 5000 MIPS werden vom neuen Level 5 profitieren. Quelle: Giga Information Group