Fried Saacke, Doag: Oracle vernachlässigt den persönlichen Support

13.11.2007

SAACKE: Wenn ich Services miete, dann muss ich mich an den Standard anpassen. Ich kenne aber kein Unternehmen, das nicht irgendeine Erweiterung in seinem System programmiert hat. Dazu sehe ich derzeit keine Bereitschaft, auf diese Extrafunktionen zu verzichten. Das muss ja nicht einmal falsch sein. Jeder Anwender kennt sein Geschäft am besten und weiß, warum er manche Dinge genau so macht, wie er sie eben macht. Wenn jetzt ein Anbieter daherkommt und fordert, man müsse sich im Standard bewegen, dann verlieren diese Unternehmen womöglich ihren Wettbewerbsvorteil. Aus meiner Sicht kann sich On-Demand nur dort durchsetzen, wo Alleinstellungsmerkmale nicht in Form von Prozessen in der IT abgebildet sind.

Oracle überrascht mit hoher Produktqualität

CW: Oracle hat versprochen, auch die bestehenden Produktlinien weiter zu pflegen. Ist das Versprechen bislang eingehalten worden?

SAACKE: Hier hat uns Oracle positiv überrascht. Alles, was der Hersteller in diesem Jahr an Applikationen auf den Markt gebracht hat, besaß gerade im Vergleich zu früher einen hohen Qualitätsstandard. Es wurden quer durch die gesamte Produktpalette viele neue Funktionen implementiert. Sicher gibt es das eine oder andere Problem, das ist ganz normal. Aber die Qualität ist deutlich besser geworden.

CW: Setzen die Kunden die neuen Versionen ein, oder warten viele erst einmal ab, um dann direkt auf Fusion zu wechseln?

SAACKE: Die Kunden beobachten erst einmal. Sie nehmen die neuen Releases wohlwollend auf, sind aber erst vereinzelt auf die aktuellen Versionen umgestiegen. In erster Linie helfen die überarbeiteten Versionen, das Vertrauen der Anwender in die Oracle-Strategie zu stärken und Abwanderungsgedanken zu verwerfen. Gerade im Mittelstand wechseln die Anwender jedoch so spät wie möglich. Solange diese Unternehmen die neuen Funktionen nicht benötigen, bleiben sie auf den bestehenden Systemen. Das hat Oracle erkannt und beispielsweise auch den J.D.-Edwards-"World"-Anwendern auf der alten AS/400 ebenfalls ein neues Release angeboten. Die Kunden können damit in ihrer Welt bleiben und müssen keine Systemumstellung in Angriff nehmen. Oracle zeigt damit, dass alte Produkte, die schon J.D. Edwards einstellen und auch Peoplesoft nicht weiterentwickeln wollte, weiter gepflegt werden und damit eine Perspektive besitzen. Oracle beweist so, dass es die Themen Lifetime Support und Application Unlimited durchaus ernst meint. Natürlich auch, weil man erkannt hat, dass da ein wichtiger Markt dahintersteckt. Indem ich eine Produktfamilie einstelle, ist damit längst nicht sichergestellt, dass der betroffene Kunde dann ein anderes Produkt von mir kauft. Außerdem zahlen die Kunden auch Support.

CW: Vertrauen Sie Oracles Pflegeversprechen für die alten Produkte?

SAACKE: Die Lifetime-Support- und Application-Unlimited-Strategien Oracles sind glaubhaft – auch wenn wir wissen, dass Oracle früher oder später Anreize schaffen wird, auf Fusion Applications zu wechseln. Das könnte in etwa fünf Jahren der Fall sein. Vorerst wollen die Kunden aber erst einmal Sicherheit für die nächsten fünf bis zehn Jahre – und die ist da.

CW: Die aktuelle Diskussion ist stark technikgetrieben. Ist das für die Anwender, die in Funktionen denken, überhaupt relevant?