Arbeiten bei Porsche: Mehr als nur ein Rädchen im Getriebe

"Fremdsprache" Schwäbisch

03.11.2000
Von VON Ingrid
Dynamik und Eigeninitiative gehören bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen für die Mitarbeiter zum Arbeitsalltag. Derzeit baut der Sportwagenhersteller seinen IT-Bereich aus - Wirtschaftsinformatiker sind besonders gefragt.

"Für mich war es ein Jugendtraum, hier zu arbeiten und dann noch so ein Auto zu fahren", erzählt Peter Obermayr mit glänzenden Augen. Zurzeit stehen die Chancen für ambitionierte Young Professionals gut, beim Sportwagenhersteller einzusteigen. Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG sucht in diesem Jahr noch zirka 15 neue Mitarbeiter. "Wir suchen pragmatische Leute, da wir ein umsetzungsorientiertes Unternehmen sind", so Michael Merklinger, Wirtschaftsingenieur und bei Porsche im Personalwesen tätig. "Die Soft Skills sollten sehr ausgeprägt sein. Wir sind ein dynamisches Unternehmen, und deshalb kommt es uns besonders darauf an, dass die Leute von der Person her optimal zu uns passen."

Dynamik und Schnelligkeit verstehen sich bei einem Sportwagenhersteller fast von selbst. Allerdings sind diese Attribute auch bei den Mitarbeitern gefragt. Das heutige Unternehmen ging aus dem von Professor Ferdinand Porsche senior 1931 in Stuttgart gegründeten Konstruktionsbüro hervor. Der erste Sportwagen rollte 1948 in Gmünd, Kärnten, aus der Montagehalle. Der Sohn des Firmengründers, Ferry Porsche, taufte den ersten flotten Flitzer "Porsche 356". Seit 1950 baut das Unternehmen in Stuttgart-Zuffenhausen Porsche-Modelle. Derzeit arbeiten insgesamt 9000 Beschäftigte weltweit für das Unternehmen, davon zirka 3500 in der Produktion. Seit 1972 übernimmt das Forschungszentrum in Weissach auch Entwicklungen für andere Firmen.

Rückkehr in die Gewinnzone

Im Februar 2000 begannen die Bauarbeiten für das Werk in Leipzig. Dort soll ab 2002 ein neuer Geländewagen vom Band rollen. Aus der wirtschaftlichen Krise vor einigen Jahren schaffte der Autobauer die Rückkehr in die Gewinnzone. Der Konzern erhöhte den Gesamtumsatz in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 1999/2000 auf 2,91 Milliarden Mark, was einer Steigerung von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das neueste Modell, der 911 Turbo, kam im Juni 2000 auf den Markt. Für das kommende Geschäftsjahr plant das Unternehmen, 2500 Wagen dieses Modells zu produzieren. Inzwischen korrigierte Porsche die Zahlen nach oben auf rund 4000.

Mit dem Wachstumskurs entstehen in allen Bereichen neue Arbeitsplätze, besonders im ITBereich. "Zurzeit gibt es zwei Schwerpunkte: die unternehmensweite SAP-Einführung und alles, was unter den BereichE-Business fällt", so Klaus Wiedemann, Abteilungsleiter Anwendungssoftwaresysteme, Vertrieb und Marketing. Der 34-jährige Diplom-Betriebswirt (BA) arbeitet seit neun Jahren im Unternehmen. Die SAP-Einführung läuft in Teilprojekten ab, und hier ist der Personalbedarf sehr groß. Der zweite große Schwerpunkt umfasst zahlreiche E-Business-Aktivitäten, besonders im B-to-B-Bereich. "Die Projektaufgaben reichen von Untersuchungen im Vorfeld über die Beratung der Fachbereiche und die Zusammenarbeit mit externen Partnern bis zur Steuerung und Begleitung der Prozesse." Dabei unterstützten die neuen Mitarbeiter im IT-Bereich anfangs stärker den Programmierbereich und konzentrierten sich später auf die Beratung und Konzeption, so Wiedemann, dessen

Studienschwer- punkt Wirtschaftsinformatik optimal in das Anforderungsprofil des Unternehmens passt.

"Der ideale Bewerber für Porsche hat ein Wirtschaftsinformatikstudium", so Merklinger. "Aber auch Betriebswirte und Maschinenbauer, welche die Kundenseite kennen und zusätzlich die Informatikseite vertieft haben, können wir gut einsetzen. Reine Informatiker gibt es bei uns selten, da wir keine reine Anwendungsentwicklung haben." Bei der Weiterbildung setzt das Unternehmen auf Eigeninitiative. "Wir wollen, dass sich die Mitarbeiter selbst aktiv um ihre Weiterbildung bemühen und sich nicht zurücklehnen und es dem Unternehmen überlassen - nach dem Motto: Jetzt zeig uns mal, was du zu bieten hast", erklärt Merklinger. Diese Konsumentenhaltung passe weder zum Unternehmen noch zu dessen Selbstverständnis.

Die Einstiegsgehälter von Hochschulabsolventen bewegen sich zwischen 80 000 und 85 000 Mark. Hat ein Bewerber seine Diplomarbeit bei Porsche geschrieben oder als Praktikant bei Projekten mitgearbeitet, kann es schon mal mehr sein. Idealerweise sollten Studierende für ein Praktikum sechs Monate einplanen und das Vordiplom bereits in der Tasche haben. Das Praktikantenprogramm hat sich zum strategischen Rekrutierungsinstrument entwickelt. "Hat sich jemand im ersten Praktikum bewährt, bieten wir ihm ein zweites oder eine Diplomarbeit im Haus an", so Merklinger zur personellen Strategie des Unternehmens.

Schnelle Sportwagen sind längst keine reine Männersache mehr. Trotzdem ist der Frauenanteil bei den Mitarbeitern noch sehr gering. "Wir würden gerne mehr Frauen einstellen, denn die Attribute von Porsche sprechen auch Frauen an", so die Meinung in der Männerrunde. Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens stellt für die Mitarbeiter eine wichtige Motivationsquelle dar. "Unsere Mitarbeiter identifizieren sich zu 100 Prozent mit Porsche." Im IT-Bereich gehe die Fluktuation gegen Null. Vielleicht liegt es an der spannenden Frage: Wann gibt es den ersten Porsche? "Nach zwei Jahren kann der neue Mitarbeiter einen Sportwagen leasen. Das hängt natürlich von der Leistung und der damit verbundenen Eingruppierung ab", konkretisiert Merklinger. Allerdings möchte der Personalexperte die Begeisterung der Mitarbeiter nicht alleine auf materielle Anreize reduziert wissen. "Wir bieten keine Aktienoptionen, dafür aber interessante Projekte und ein dynamisches Umfeld. Die Mitarbeiter

haben die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft des Unternehmens mitzugestalten."

Peter Obermayr arbeitet seit zwei Jahren im Unternehmen. Das Arbeitsgebiet des 29-Jährigen umfasst die Anwendungssoftwaresysteme für das Personalwesen. "Gerade im Personalbereich stehen viele Projekte an, da bisher nicht so viele Softwaresysteme im Einsatz waren." Obermayr schätzt vor allem die offenen Strukturen und die fast familiäre Atmosphäre. "Ich kann hier direkt auf Leute zugehen und bekomme direkte Antworten. Ich muss mir Informationen nicht über Umwege holen. Man ist an jeder Stelle wichtig. Das sehe ich als Wertschätzung mir gegenüber an."

Ein Trainee-Programm für neue Mitarbeiter gibt es bei Porsche nicht. "Das Unternehmen ist recht übersichtlich. Wenn ich hier an einem Rädchen drehe, dann sehe ich da hinten auch noch, dass sich etwas bewegt", erläutert Merklinger. Die Einarbeitung beginnt vom ersten Tag an "on the job". Die Neuen bekommen in einem Projektteam eine Aufgabe übertragen, die im Vorstellungsgespräch bereits andiskutiert wurde. Ein Pate unterstützt sie dabei. "Die Einsteiger sollen hier aktiv an die Aufgaben herangehen. Nach vier Wochen kennen sie alle wichtigen Leute", so Merklinger. Bei den Bewerbern achtet der Personaler auf Praktika, Auslandsaufenthalte und Interesse für die Automobilbranche. Noten sind dabei nicht ganz unwichtig, ebenso ein breit gefächertes Interessensspektrum und Fremdsprachen. Welche besonders wichtig sind? "Englisch natürlich", und nach einigem Nachdenken fügt Merklinger hinzu: "Schwäbisch". Sicher eine nützliche Voraussetzung, um

beispielsweise die Einladung zur "hocketse" zu verstehen. Hinter dem Begriff verbirgt sich das jährliche Mitarbeiterfest. Allerdings bietet das Freizeitprogramm auch für Zugereiste genügend Gelegenheiten, die fehlenden Sprachkenntnisse einzuüben.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.