Freiraum motiviert Mitarbeiter

27.05.2005
Wer die Potenziale seiner Mitarbeiter erkennt und fördert, steigert den Unternehmenserfolg. Dieses Credo müssen die Personalentwickler den Führungskräften noch beibringen.

Worin liegt das Geheimnis erfolgreicher Unternehmen? Aus dem Blickwinkel der Personal-Manager liegt die Antwort nahe: Der zufriedene Mitarbeiter bildet den Grundstein, darum sollten Firmen die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass die Angestellten ihr Potenzial zur vollen Leistung entfalten können. "Investitionen in die Mitarbeiter sind Investitionen in den Erfolg eines Unternehmens", ist auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement überzeugt und verweist auf die Bilanzen der als beste Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichneten Firmen. Die Preisträger des "Great-Place-to-Work"-Wettbewerbs, darunter die IT-Unternehmen SAP, Microsoft und Skytec, beschäftigen nicht nur zufriedene Mitarbeiter, sondern verzeichnen auch ein überdurchschnittliches Wachstum.

Für den Wettbewerb hat das Great Place to Work Institute 36000 Personen in 105 Unternehmen aus verschiedenen Branchen befragt und herausgefunden, dass sich die Mitarbeiter dann wohlfühlen, wenn ihnen "aufrichtiges Interesse" an ihrer Person entgegengebracht wird. Eine Schlüsselrolle fällt hier den Führungskräften zu: Diese sollen die Mitarbeiter in die Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen, einbeziehen und Fragen der Mitarbeiter direkt und offen beantworten - so die beiden wichtigsten Verhaltensweisen, mit denen Manager das Innovationsklima in einem Unternehmen fördern können. Diese Offenheit stellt sich aber in der Praxis als der schwierigste Part heraus, hat Frank Hauser vom Great Place to Work Institute festgestellt: "Management wird oft mit Kontrolle assoziiert. Wer Vertrauen fördern will, muss Offenheit pflegen und sich verletzbar machen." Führungskräfte sollten den Mitarbeitern den nötigen Freiraum geben und ihnen auch Fehler zugestehen.

Diese Forderung hat Thomas Geyer in die Tat umgesetzt, als er vor acht Jahren den IT-Dienstleister Skytec in Oberhaching bei München gründete. Für seine mittlerweile 130 Mitarbeiter gilt die Devise des eigenverantwortlichen Arbeitens: In der Regel entscheidet ein Projektleiter, ob und wen er einstellt, und übernimmt auch die Verantwortung, dass der neue Mitarbeiter ausgelastet ist. Nach Projektende bietet sich der Mitarbeiter auf dem internen Arbeitsmarkt für neue Aufgaben an. Skytec hat weder Organisationseinheiten noch feste Stellenbeschreibungen oder ein Vergütungssystem. Das Gehalt wird zwischen Projektleiter und Mitarbeiter ausgehandelt. "Gleiche Tätigkeiten können durchaus unterschiedlich bezahlt sein", räumt Geyer ein.

Dennoch sind die Mitarbeiter hoch zufrieden, wie die wiederholte Auszeichnung der Firma zeigt. Der Gründer führt das auf die offene Kultur zurück, die den größtmöglichen Freiraum biete: "Unsere Maxime lautet: Du darfst alles, was du glaubst, für die Erfüllung deiner Aufgabe tun zu müssen." Das führt dazu, dass die Teams zum Teil völlig unterschiedlich an ähnliche Aufgaben herangehen. Selbst nachweislich weniger effiziente Wege dürfen beschritten werden. Am Ende steht das Projektteam für den wirtschaftlichen Erfolg in der Verantwortung.

Der wirtschaftliche Erfolg setzt auch bei einem anderen Preisträger der offenen Kommunikationskultur Grenzen. "Beim Thema Umsatz haben wir eine stringente Kommunikation und strikte Vorgaben", räumt Rom de Vries, Personalchef von Microsoft Deutschland, ein. Diese Stringenz sei allerdings vertretbar, solange die Kommunikation auf ein klares Ziel ausgerichtet sei. Ansonsten setzt auch Microsoft auf ein hohes Maß an Selbstverantwortung. So unterstützt der Personalchef die Karrieremöglichkeiten der Mitarbeiter nur zu zehn Prozent mit Training, der Hauptteil der Entwicklung findet on-the-job statt. Bevor ein Mitarbeiter Personalverantwortung erhält, wird er in einem Assessment-Center auf seine Führungsfähigkeiten hin geprüft und dann geschult.

Die Microsoft-Personaler haben es als "strategische Aufgabe" erkannt, den Mitarbeiter auf den richtigen Job zu setzen, der ihm auch das Lernen und die Weiterentwicklung zum nächsten Karriereschritt ermöglicht. Ziel ist eine Nachfolgeplanung für alle unternehmenskritischen Positionen. Diese funktioniert heute noch nicht in jedem Fall, so Andreas Benkowitz, Director People & Organization Capability von Microsoft Emea: "Oft ist der Schritt zwischen aktueller und anvisierter Position einfach zu groß." Für mehr Transparenz sollen darum so genannte Profile Cards sorgen, in denen Microsoft seit eineinhalb Jahren Eigen- und Fremdbeurteilung der Mitarbeiter zusammenbringt.

Nachfolgeplanung und Mitarbeiterorientierung sind nicht von heute auf morgen umzusetzen. Diese Erfahrung kann die SAP AG bestätigen. "Wir werden Jahre brauchen, um jeder Führungskraft bewusst zu machen, dass People-Management ein wichtiger Bestandteil ihrer Tätigkeit ist", sagt Stefan Ries, Chief Operating Officer Global Human Resources.

Personen- statt Sachorientierung

Zu lange herrschte die Sachorientierung vor, derzufolge etwa derjenige ein guter Vertriebsleiter ist, der ein gutes Geschäftsergebnis vorzuweisen hat. Letzteres ist für die SAP-Führungskräfte zwar nach wie vor eine wichtige Messlatte, als zweite Bewertungsgröße kommt aber der Standard "Management Excellence@SAP" hinzu. Weltweit werden derzeit die Führungskräfte mit diesem Standard vertraut gemacht. Mitarbeiterentwicklung und das Aufbauen von Teams werden dabei als zwei von vier wesentlichen Aufgaben der Führungskräfte definiert, auf die mindestens 50 Prozent der Arbeitszeit verwendet werden sollten. Ob die Manager diese Aufgaben auch an- und ernst nehmen, spiegelt sich dann in den Ergebnissen der anschließenden Mitarbeiterbefragungen wider: Dort wird unter anderem gefragt, ob der Vorgesetzte erreichbar und offen für Fragen ist.