ADR und Cullinet müssen Umsatzpläne revidieren:

Freie Software-Anbieter geraten unter Druck

19.07.1985

FRAMINGHAM (hh) - Dunkle Wolken über den Anbietern systemnaher Software: Die Applied Data Research (ADR) meldet das erste Mal seit zwei Jahren Quartalsverluste, und auch Cullinet mußte seine Umsatzerwartungen nach unten revidieren. Marktbeobachter aus den USA sehen hierin Anzeichen für einen allgemeinen Abwärtstrend auch in der Softwarebranche.

Überrascht zeigte sich der Princetoner ADR-Präsident Martin Goetz über diese Entwicklung. Sein Unternehmen erwirtschaftete im ersten Quartal dieses Jahres noch einen

Mehrumsatz von 70 Prozent und einen Gewinnzuwachs von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Wie auch andere Industriebeobachter ist Goetz davon ausgegangen, daß die Absatzflaute, die derzeit den Hardwareherstellern das Leben schwermacht; nicht auf die unabhängigen Entwickler von Großrechner-Software durchschlagen würde.

Zwar seien drastische Kostendämpfungsmaßnahmen momentan noch nicht angesagt, könnten aber durchaus notwendig werden, wenn sich der Abwärtsdruck verschärft.

In diesem allgemeinen Sog mußte auch Cullinet vor kurzem eine Planrevidierung nach unten eingestehen: Während die Unternehmensverantwortlichen ein Jahreswachstum von 40 bis 50 Prozent prognostizierten, belief sich das Ergebnis des ersten Quartals nur auf ein 30- bis 40prozentiges Wachstum. Das letzte Fiskaljahr des Unternehmens aus Westwood in Massachusetts endete mit 50 Prozent Steigerung, obwohl auch hier das letzte Quartal diesen Wert unterschritt.

Dieser Cullinet-Slowdown wird von Marktbeobachtern allgemein als erstes Zeichen für den wachsenden Druck auf die Branche angesehen. Nach Angaben des Brokers Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith aus New York gebe es auch bei anderen Softwareschmieden Anzeichen, daß sich insbesondere der Verkaufszyklus bei hochwertigen Produkten verlangsame. Aber während die Absatzflaute bei den Hardwareherstellern echte Wirtschaftsprobleme aufgeworfen habe, würden die Softwareschmieden mit einem blauen Auge davonkommen und lediglich übersteigerte Umsatzerwartungen bereinigen müssen.

Dieser Lagebeurteilung stimmen verschiedene Marktbeobachter zu. So geht der Vice-President der Gartner Group von einem durchschnittlichen Jahreszuwachs in Höhe von 25 bis 35 Prozent aus. Die Anwender schauten weiterhin nach neuen Applilcationsprodukten, da die "Inhouse"-Entwicklung nach wie vor sehr teuer sei.

Einbrüche, bedingt durch die längeren Hardware-Verweilzeiten und eingeschränkte Budgets, schlügen deshalb auch besonders auf die Anbieter hochqualifizierter Produkte wie DBMS (Datenbank-Management-Systeme) durch. Cullinet und ADR, die sich in diesem Segment bewegten, seien erste Beispiele für diesen Trend.