Gastkommentar

Frech wie Oskar

28.04.2000
Eitel Dignatz Inhaber von Dignatz Consulting, München

Die Open-Source-Gemeinde tobt, die Presse ignoriert den Vorfall weitestgehend, und der Anwender bemerkt das Elend erst, wenn es zu spät ist. Doch was Microsoft in Windows 2000 mit der Authentisierungssoftware "Kerberos" veranstaltet, liegt durchaus auf der Linie des Gewohnten: Diese Implementierung ist inkompatibel zum Rest der Welt und versteht sich nur mit ihresgleichen, obwohl Kerberos ein Public-Domain-Protokoll ist.

Vergleichbar ist dieses Vorgehen etwa mit dem einer Baugesellschaft, die Eigenheime schlüsselfertig und inklusive Innenausstattung anbietet. Doch die Elektroinstallationen der Häuser laufen, als Marktneuheit, mit 175 Volt. Den Staubsauger wird der frisch gebackene Hausbesitzer nun wohl ebenfalls bei der Baugesellschaft kaufen müssen, zumindest dann, wenn er nicht im Schmutz ersticken will. Natürlich stünde es ihm frei, zu Besen und Kehrblech zurückzukehren oder auf andere Anbieter am Markt zu warten.

Erstaunlich ist Microsofts Chuzpe allerdings schon, wenn man die bisherige Entwicklung des Kartellrechtsprozesses betrachtet. Schließlich hat Richter Thomas Jackson in seinem 207-seitigen "Finding of Facts" recht deutlich gesagt, was er von Microsofts gezieltem Einsatz inkompatibler Schnittstellen hält, und etliche Passagen dieses Dokuments lesen sich so spannend wie ein Kriminalroman. Dass Microsoft diesen Mechanismus zur Erlangung und zum Erhalt seines Monopols wiederholt und erfolgreich eingesetzt hat, ist somit richterliche Meinung und kann wohl kaum als Stimmungsmache einiger Microsoft-Neider abgetan werden.

Selbst Zehntausende von Softwarefehlern in Windows 2000 sind im Vergleich zu Inkompatibilitäten à la MS-Kerberos eher ein Problem zweiter Ordnung: Fehler lassen sich beheben - Inkompatibilität bleibt.