Fraunhofer: Postive Bilanz in den neuen Bundeslaendern

01.10.1993

Die Fraunhofer-Gesellschaft engagierte sich bereits fruehzeitig in den neuen Laendern - mit Erfolg, wie Max Syrbe im nachfolgenden Resuemee feststellt. Der Autor war von 1983 bis Ende September 1993 Praesident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Foerderung der angewandten Forschung e.V., Muenchen.

Seit der Wiedervereinigung bildete die Integration von ostdeutschen Forschergruppen in die Fraunhofer-Gesellschaft einen entscheidenden Schwerpunkt der Unternehmenspolitik. Es war die Transformation der Wissenschaftseinrichtungen der neuen Bundeslaender in eine Struktur zu leisten, und zwar so, wie sie effizient in den alten Bundeslaendern betrieben wird - ausserdem waren Konzepte fuer Einheiten zu entwickeln, wie sie in der angewandten Forschung und in der Vertragsforschung gebraucht werden. Dabei war vor allem schnelles Handeln erforderlich, weil der Markt fuer angewandte Forschung staendig bedient werden muss.

Die angewandte Forschung kann infolgedessen nicht abwarten, bis ausfuehrliche Evulationen von Leistungsfaehigkeiten und Potentialabschaetzungen abgelaufen sind. So kam die Fraun-hofer- Gesellschaft in enger Abstimmung mit dem Wissenschaftsrat schnell zu tragfaehigen Konzepten, die eine weitere Lebensfaehigkeit dieser Einrichtungen der angewandten Forschung in Ostdeutschland ermoeglichten. Es gelang mit Hilfe des Bundes und der ostdeutschen Landesregierungen termingerecht zu Beginn 1992 fuer rund tausend Mitarbeiter in insgesamt 21 zunaechst bis Mitte 1994 befristet gegruendeten Fraunhofer-Einrichtungen - darunter zwoelf Aussenstellen bereits bestehender Fraunhofer-Institute - zukunftstraechtige Arbeitsplaetze zu schaffen.

Die neuen Fraunhofer-Einrichtungen - sieben in Sachsen, drei in Berlin, zwei in Brandenburg und je eine in Sachsen-Anhalt und in Thueringen - liegen genau im Nachfragetrend; Die Qualitaet der Forschung und auch die Motivation sind exzellent. Erfreulicherweise ist es den Forschern gelungen, sowohl Projektmittel als auch Auftraege aus der Wirtschaft zu akquirieren und damit einen nennenswerten Teil ihrer Aufwendungen aus eigenen Ertraegen zu decken. Auf diese Weise gelang es, Mittel aus der Grundfinanzierung dafuer zu nutzen und in die Herrichtung der Forschungslabors und moderne Geraete zu investieren.

Die Nachfrage der Wirtschaft wird noch auf Jahre durch die Unternehmen in den alten Bundeslaendern bestimmt. Die Betriebe in den neuen Bundeslaendern kaempfen um ihr Ueberleben. Forschungskapazitaeten wurden aus den Unternehmen ausgegruendet. In den privatisierten Unternehmen bestimmen in der Regel die Kaeufer die Produktpolitik und die eingesetzte Produktionstechnologie. Zusaetzliche Nachfrage nach Forschung und Entwicklung aus Unternehmen in den neuen Bundeslaendern wird sich langsam und von der Disposition der Wirtschaft und ihrer Lage im Weltmarkt abhaengig entwickeln.

Die fuer das Wirken der Fraunhofer-Gesellschaft erforderlichen und gemeinsam vom Bund und den neuen Laendern im Verhaeltnis 90 zu 10 zu tragenden Zuwendungen belaufen sich bis 1994 auf rund 500 Millionen Mark. Fuer Sanierung und Umbauten sind etwa 300 Millionen Mark aufzubringen, wenn die Institute sich dem Wettbewerb mit den Forschungseinrichtungen der westlichen Welt stellen sollen. Neben den Investitionen in Gebaeude und Raeume bedarf es neuer wissenschaftlicher Geraete: Die Ausstattung ist veraltet. Gerade fuer die Vertragsforschung kommt es darauf an, ueber industriekompatible Rechner und Geraete zu verfuegen. Zur Produktivitaetssteigerung in den neuen Fraunhofer-Einrichtungen ist eine Erstausstattung mit wissenschaftlichem Geraet notwendig, wie sie in der Bundesrepublik bei der Gruendung neuer Institute ueblich ist.

Leider konnte das Sued-Nord-Gefaelle auch im Osten nicht vermieden werden. Ausgehend von bestehenden Kapazitaeten hat die Fraunhofer- Gesellschaft im Freistaat Sachsen fuenf Institute und vier Aussenstellen mit rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern errichtet. Sie haben 1992 einen Betriebsaufwand von 64 Millionen Mark, von dem sie bereits 18 Millionen Mark durch eigene Ertraege decken. 30 Millionen Mark wurden investiert.

Zunaechst arbeiten die Forschergruppen als Befristete Wissenschaftliche Arbeitsgruppen (BWE) - ueber die Umwandlung der BWE in Dauereinrichtungen wird die Fraunhofer-Gesellschaft noch in diesem Jahr anhand folgender Kriterien entscheiden: Nachgewiesener Ertragsanteil, gemessen am Betriebsaufwand mindestens 25 Prozent mit wachsender Tendenz; Darstellung des langfristigen Aufgabenprofils in Verbindung mit einer belastbaren Aussage zu der damit korrelierenden Nachfrage des FuE-Marktes, so dass erwartet werden kann, dass sich die Einrichtungen in die in der Fraunhofer - Ge- sellschaft uebliche Finanzierung (zirka 80 Prozent Ertraege, gemessen am Betriebsaufwand) einpassen wird; Realisierung einer dem Aufgabenprofil angepassten Personalstruktur und der Einbindung der Fuehrungskraefte in die oertlichen Hochschulen sowie Vereinbarung der erforderlichen dauerhaften Foerderung durch Bund und Laender, einschliesslich der fuer Bauinvestitionen und Erstausstattung notwendigen Sonderfinanzierungen.

Synergie zwischen

Ost und West

Wenn wir heute Bilanz ziehen, so ist sie ueberwiegend positiv: Durch gemeinsame Fuehrungskraefte-Seminare und Fortbildung ist eine Integration der Menschen bis in den persoenlichen Bereich hinein erfolgt; die Ziele und die Kultur der Fraunhofer-Gesellschaft werden nun gemeinsam gepraegt.

Die Staerken im Westen - sie liegen vor allem im Wissen ueber den Stand und die Trends in der Technik und deren Anwendung - sind mit denen im Osten - dort ist vor allem der entschlossene Wille zu Leistung und Aufbau vorhanden - verbunden. Das Ergebnis ist eine Entwicklung der oestlichen Einrichtungen, die deutlich besser ist als erwartet.

Von Max Syrbe