Karriere machen

Frauen verlassen die Komfortzone

17.11.2010
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

"Augen auf bei der Berufswahl"

"Schreibmaschine schreiben und Stenografie waren mir ein Graus", erinnert sich Brigitte Stuckart. Deshalb lernte sie Nachrichtentechnikerin und bewarb sich 1974 an der Technikerschule in Berlin. "Meine Bewerbung hing davon ab, ob es eine Damentoilette gab", erzählt die heute 57-Jährige amüsiert. Es gab eine. Auch Sprüche wie "der Daumen von Frauen sei zu kurz, um einen Schraubenzieher zu halten" konnten sie nicht bremsen. Gut qualifiziert kehrte sie zu ihrem früheren Ausbildungsbetrieb, einem Konzern, zurück. Von der Hardware-Wartung bis zur Softwareentwicklung lernte Stuckart dort viele Bereiche kennen, doch im Vertrieb sah sie für sich die besten Karrierechancen. Doch in den 80ern war Diversity und Frauenförderung, womit sich große Konzerne heute gern schmücken, ferne Zukunftsmusik. Da der Konzern Stuckart den Aufstieg verwehrte, wechselte sie 1992 zu Softcon, einem jungen Mittelständler mit noch nicht festgefahrenen Hierarchien. "Ich habe im Vorstellungsgespräch gesagt, dass ich mir die Bereichsleitung zutraue." Bald stieg die resolute Frau in die Geschäftsleitung auf, seit 2005 wechselte sie als einzige Frau in den Vorstand von Softcon, den sie inzwischen allein leitet. Bei Softcon sind 30 Prozent der Belegschaft weiblich, ganz ohne Quote.

Brigitte Stuckart, Softcon: "Ein Aufstieg ist mit normalen Arbeitszeiten nicht machbar. Wer Karriere machen möchte, muss ein höheres Arbeitspensum stemmen."
Brigitte Stuckart, Softcon: "Ein Aufstieg ist mit normalen Arbeitszeiten nicht machbar. Wer Karriere machen möchte, muss ein höheres Arbeitspensum stemmen."
Foto: Brigitte Stuckart, Softcon

"Ich habe immer deutlich meinen Anspruch formuliert und bin selbstbewusst aufgetreten", verrät sie. Allerdings macht sie auch keine Hehl daraus, dass große Karriereschritte ein überdurchschnittliches Engagement verlangen. "Ein Aufstieg ist mit normalen Arbeitszeiten nicht machbar. Wer Karriere machen möchte, muss ein höheres Arbeitspensum stemmen." Geholfen hat ihr auf dem Weg an die Spitze ein aufgeschlossenes Management-Team. "Frauen machen oft den Fehler und investieren viel in Netzwerke, trauen sich aber nicht, sie in Anspruch zu nehmen. Ich habe immer von einem Geben und Nehmen profitiert."

Eine schlüssige Erklärung, weshalb es nicht viele Frauen an die Spitze geschafft haben, hat Stuckart nicht. Ihrer Meinung nach bringen sie gerade für die IT-Dienstleistung und Beratung viele wichtige Qualifikationen mit: Sie sind kommunikativ, verfügen über soziale Intelligenz, gute Mathematikkenntnisse und können hervorragend logisch denken. Trotzdem überholen später viele mittelmäßige Männer kluge Frauen auf dem Weg an die Spitze. "Männer wissen, wo sie in fünf Jahren sein wollen und arbeiten systematisch daraufhin. Frauen überlassen viel dem Zufall und schmollen, wenn sie bei einer Beförderung unentdeckt blieben. Sie trösten sich damit, dass sie es eigentlich besser könnten."

Stuckart sieht ein gutes Gehalt als legitimes Karriereziel an. "Ich rate jungen Frauen: Augen auf bei der Berufswahl. Denn wer viel Geld verdient, kann Job und Familie besser miteinander vereinbaren. Gute Kinderbetreuung ist teuer." Sie hat mit ihrem Mann drei inzwischen erwachsene Töchter erzogen. "Mein Mann hat meine Karrierepläne mitgetragen und mich unterstützt", sagt sie. "Natürlich habe ich viel Geld und Zeit in meine Weiterbildung investiert, das ist wichtig." Frauen sollten ihr schlechtes Gewissen ablegen, wenn es um die Karriere geht: "Es kann ein Vorteil sein, charmant zu agieren und auch mal die Ellbogen einzusetzen."