Rückzugsgefechte vor der EG-Kommission

Französische Post: Deregulierung mit Maß

28.04.1989

PARIS(IDG) - Der französische Minister für Post und Telekommunikation, Paul Quiles, nutzte die Eröffnung der diesjährigen Computermesse Sicob in Paris, um sich im Hinblick auf die Liberalisierung des Post- und Fernmeldewesens von seinem Vorgänger Gerald Longuet abzugrenzen.

Er wolle "klüger" als Longuet, der im politischen Spektrum weiter rechts anzusiedeln ist, zwar ebenfalls die ohnehin nicht aufzuhaltende Liberalisierung unterstützen, jedoch brutale Methoden, wie sie in den USA angewandt würden, nicht dulden. Im Klartext bedeute dies zwar die Unterstützung der Industrie bei der Entwicklung qualifizierter Kommunikationsdienste, wie sie der gemeinsame europäische Markt fordere, allerdings müsse zunächst das Deregulierungskonzept stimmen, damit die Dienste dann auch in dieses Konzept passen.

Quiles fügte hinzu, daß harte und unkontrollierte Methoden zu einer Minderung der Qualität der Dienste führen und damit die Wettbewerbsposition der Franzosen verschlechtern würden.

Im Endgerätemarkt indes sei die französische Position liberaler als in anderen EG-Ländern, auch seien schon Schritte zu mehr Wettbewerb bei Value-Added Services gemacht. Erwartungsgemäß stellt sich der Minister jetzt auch hinter das Grünbuch der EG-Kommission. Nach seiner Wahl im vergangenen Sommer hatte er noch spezielle Hoheitsrechte über landesspezifische Basisdienste gefordert. Jetzt will er den öffentlichen Telecom-Anbietern wie der France Telecom mehr Autonomie bei der Modernisierung zugestehen, damit sie auch neue Märkte angehen können.

Gleichzeitig ließ die EG-Kommission verlauten, daß sie mit einer Direktive die Mitglieder zu mehr und schnellerer Deregulierung der Telekommunikationsdienste anspornen wolle. Diese umstrittene Anweisung sieht eine Übergangsfrist für Datenübertragungsdienste vor, kann aber noch in diesem Jahr auf Mehrwertdienste wie Electronic Mail und Nachrichtendienste sowie Datenaustausch angewandt werden.