Franz Pixelbauer und seine Welt: Renaissance im Einzelhandel

01.06.2001

Wenn Franz Pixelbauer abends von der Uni kommt, schaut er meist noch bei seinem Einzelhändler an der Ecke rein. Dieser wollte gestern von ihm wissen, wie lange sein Laden wohl noch existieren werde. Schließlich lese er täglich, dass man über das Internet per Knopfdruck einkaufen und in Windeseile die niedrigsten Preise erfahren könne. Da vermöge er auf Dauer nicht mitzuhalten.

Franz Pixelbauer war durch das Gespräch verunsichert.

Offensichtlich war er hier als Experte gefragt und konnte trotz seiner vier Semester Informatikstudium nicht mehr als ein paar Gemeinplätze murmeln. Er hatte zwar gelesen, dass eine Reihe von Produkten wie Medikamente von ausländischen Internet-Händlern erheblich billiger angeboten werden. Das war?s aber auch schon. Er hätte dem Händler wohl etwas über das Softwareprogramm seines Warenwirtschaftssystems erzählen können, aber die unmittelbaren Auswirkungen des Internet auf dessen Geschäft machten ihn ratlos.

Zu Hause setzte er sich an seinen Rechner. Er fand Daten über die Umsätze, die heute über das Internet abgewickelt werden: Selbst in den USA scheint der Internet-Einzelhandel allenfalls ein kleines Zusatzgeschäft zu sein. Der Freizeitforscher Horst Opaschowski vermutet sogar, dass auch im Jahr 2010 über 90 Prozent des privaten Einkaufs nicht über Online-Geschäfte getätigt werden.

Webcam im HühnerstallAber was könnten die Gründe dafür sein? Die Aufbruchstimmung rund um das Internet lässt doch ganz anderes vermuten. Für den Lebensmittel-Einzelhandel leuchtet es Franz ein, dass es unsinnig wäre, Einzelbestellungen von Aufschnitt und Gemüse von Köln nach Hamburg zu karren. Die Ware verdirbt schnell, und der Transport mit Anlieferung beim Käufer wäre zu teuer. Anders könnte dies bei Medikamenten, Fernsehern oder Autos aussehen, sofern die Preisunterschiede zum Händler vor Ort eklatant sind.

Dann stößt Franz Pixelbauer auf einen Aufsatz von zwei Professoren, einer aus den USA, der andere aus Münster. Sie vermuten, dass das Internet eher ein Look- als ein Book-Medium sei. Mit anderen Worten: Die Leute informieren sich zwar gern, aber sie kaufen kaum über das Internet. Dies habe viel damit zu tun, dass über das Netz nur schwer eine Vertrauensbasis herzustellen sei. Offensichtlich brauche der Käufer das Gefühl, dem Händler vertrauen zu können. Es genügt oft, dass er ihm mal ins Gesicht geschaut hat. Auch komme es beim Kauf nicht allein auf den Preis an. Vielmehr spielten Qualität, Vor-Ort-Service, Reputation des Geschäftes und auch ökologische Aspekte bei der Kaufentscheidung eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Wenn das richtig ist, was die beiden schreiben, dann, so glaubt Franz, könnte das ja eine Renaissance für den Einzelhändler an der Ecke sein. Er hat sich im Lauf der Jahre Reputation und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Man müsste ihm nur empfehlen, möglichst schnell eine Website ins Netz zu stellen, um die persönlichen Kontakte durch virtuelle zu unterstützen und vor allem junge Kunden über das Netz zu gewinnen. Dort kann er über seine Sonderangebote informieren. Nach Möglichkeit mit Bringservice wie beim Pizzadienst. Im Hamburger Stadtteil Blankenese bieten drei Studenten den Händlern eine gemeinsame Website für den Stadtteil an. Das ist doch eine tolle Idee, so ist die Sache auch finanziell zu stemmen.

Schließlich stößt Franz Pixelbauer noch auf die Website eines kleinen Öko-Bauernhofes. Das mit der Vertrauensbasis, was den beiden Professoren so wichtig war, wird hier auf lustige Weise bestätigt. Der Öko-Bauer hat eine Webcam im Hühnerstall installiert. Alle paar Sekunden erscheint davon ein Foto. So können die Kunden sicher sein, dass die Eier tatsächlich von frei laufenden Hühnern sind.

Franz Pixelbauers Alter EgoArno Rolf arbeitet als Informatikprofessor an der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Umweltinformatik sowie Technikfolgenbewertung. Seine Erfahrungen und Erlebnisse mit den Studenten und seinen beiden Söhnen, die im Alter der Internet-Generation sind, hat er in der Kunstfigur des Franz Pixelbauer gebündelt. Dieser ist zwar begeistert von seinem Informatikstudium, stellt sich aber immer wieder Fragen, die über eine rein technische Sicht der Dinge hinausgehen.