Franz Pixelbauer und seine Welt: Die Wissensgesellschaft - ein alter Hut?

04.05.2001

Franz Pixelbauer, Informatikstudent im vierten Semester, muss sich an zwei neue Schlagworte gewöhnen: Wissensgesellschaft und Wissens-Management. Die Medien sprechen jetzt davon, die Politiker haben dies zu ihrem Thema gemacht. Sie möchten die Wissensgesellschaft vor allem durch Bildung und Bereitstellung eines Netzzugangs für alle voranbringen.

Wissen schafft WachstumBisher war immer von der Informationsgesellschaft die Rede. Ist mit der Wissensgesellschaft etwas anderes gemeint? In jedem Fall haben jetzt Wissen und Bildung wieder höchste Priorität. Die Hoffnung von Politik und Unternehmen ist wohl, dass Spitzenleistungen möglichst viele neue Produkte und Dienstleistungen schaffen werden. Mit denen kann man dann im internationalen Wettbewerb wuchern und Wachstum schaffen. In dieser Logik fallen auch Jobs mit einfachen Tätigkeiten ab.

Franz Pixelbauer freut sich, dass ein Professor über das Thema Wissens-Management ein Projektseminar anbietet: "Wie kann ein Unternehmen das vorhandene Wissen seiner Mitarbeiter mit Computer und Internet optimal ausschöpfen und managen?" Frei nach dem Motto: "Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß." Es ist ja leicht einzusehen, dass Transparenz ein großer Gewinn für eine Firma ist, besonders auch Zeitgewinn: Immerhin verbringen Ingenieure rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit der Suche nach Informationen.

Zu Anfang fand Franz das Seminarthema ziemlich einfach. Alles, was auf Karteikästen oder in Verzeichnissen steht, werden wir erfassen und in Zukunft in einer Datenbank speichern, dachte er. Die wird noch angereichert mit den Namen und Funktionen aller Mitarbeiter mit ihrem speziellen Know-how. Jeder, der einen Rechner hat und berechtigt ist, kann auf diese virtuellen "gelben Seiten" zugreifen.

Informationen ausgrabenDer Professor machte die Studenten darauf aufmerksam, dass ein guter Teil des Firmenwissens heute in Programmen und Daten verborgen ist und nicht etwa mehr in Karteikästen. In Franz'' Arbeitsgruppe wurde heftig darüber diskutiert, wie man diese Informationen "heben" und den Interessenten systematisch und auf einfache Weise zur Verfügung stellen kann. Die Wirtschaftsinformatik nennt das wohl Data Mining. Damit wäre das Wissen, das in Unternehmen steckt, doch weitgehend transparent.

Datenbank ersetzt keinen KopfAber, so fragt sich Franz, ist das eigentlich schon das, was das Leitbild Wissensgesellschaft meint und womit eine Firma international konkurrenzfähiger wird? Steckt nicht das entscheidende Wissen in den Köpfen der Menschen? Dieses unbewusste, das so genannte implizite Wissen kann doch gar nicht formalisiert und in Datenbanken gespeichert werden. Es ist kaum greifbar und verändert sich schnell. Da sind doch Computer mit ihrem Latein am Ende.

Franz denkt an seine Arbeitsgruppe im Projekt. Sie haben etwas herausbekommen, weil sie zusammengearbeitet und "Wissensarchive" wie Fachzeitschriften genutzt haben. Das Wissen in den Köpfen ist durch zwanglose Gespräche "gehoben" worden, nach außen gelangt und so zu bewusstem, explizitem Wissen geworden. Es ist dabei neues Wissen entstanden. Wissensentwicklung hat offensichtlich viel mit Kommunikation in Gemeinschaften zu tun.

Und die können Computer und Internet durchaus sinnvoll unterstützen. Denn jetzt ist es nicht nur möglich, auf das abgelegte Wissen in Datenbanken zuzugreifen. Leute, die weit voneinander entfernt sind, haben über das Internet hervorragende Möglichkeiten zu kooperieren und gemeinsam ihr Wissen an einem Thema weiterzuentwickeln. Der Professor sagt, dass es für dieses gemeinsame Lernen und Arbeiten auch schon einen Namen gibt: "Communities of practice". Es scheint in den nächsten Jahren ein wichtiges Organisationsprinzip zu werden. In vielen Unternehmen haben sich bereits solche "Internet-Communities" gebildet. Das Internet kann diese Entwicklung sicher sehr befördern, glaubt Franz.

Auch das Lernen an der Uni und in Schulen kann sich dadurch enorm verändern. Andererseits ist die Erkenntnis, dass sich Wissen durch Kommunikation vermittelt und neu entsteht, nicht so ganz neu. Dieses Thema ist doch eigentlich das Geschäft der Pädagogen, und für sie sind diese Diskussionen, die Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Unternehmenspraxis da momentan veranstalten, doch wohl eher alte Kamellen?

Franz Pixelbauers Alter Ego

Arno Rolf arbeitet als Informatikprofessor an der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Umweltinformatik sowie Technikfolgenbewertung. Seine Erfahrungen und Erlebnisse mit den Studenten und seinen beiden Söhnen, die im Alter der Internet-Generation sind, hat er in der Kunstfigur des Franz Pixelbauer gebündelt. Dieser ist zwar begeistert von seinem Informatikstudium,stellt sich aber immer wieder Fragen, die über eine rein technische Sicht der Dinge hinausgehen.