Franz Pixelbauer und seine Welt: Die Epoche der leeren Folien ist vorbei

03.08.2001

Franz Pixelbauer, Informatikstudent im vierten Semester, war in der letzten Woche zum erstenmal auf einer Fachkonferenz. Was ihm sofort ins Auge fiel: Fast jeder Referent präsentierte seinen Vortrag mit Laptop und Beamer! Für alle Unkundigen: Ein Beamer ist so etwas wie ein komfortabler Diaprojektor; er wirft die im Laptop gespeicherten "Folien" auf eine Leinwand und kostet bis zu 10 000 Mark.

Längst scheinen also die Zeiten vorbei zu sein, als der Referent seinen Vortrag nur mit Klarsichtfolien unterlegen durfte, dachte sich Franz. Ganz zu schweigen von der Epoche der leeren Folien, auf denen ein kluger Referent mit bunten Stiften im Laufe seines Vortrags eine runde Botschaft entwickelte.

Franz war bald klar: Wer auf Tagungen in der ersten Liga spielen will, hat auf seinem Laptop ein Arsenal an Einblendungen vorbereitet. Grafiken, Figuren und Buchstaben fliegen während des Vortrages aus allen Himmelsrichtungen per Knopfdruck auf die Leinwand. So können in einer Stunde mehr als 50 Einblendungen an die Wand gebeamt werden, dreimal so viel wie früher.

Dies alles hat für viele Referenten durchaus Vorteile: Das oft nervöse Hantieren mit den Folien fällt weg. Techniker können konstruktive Abläufe anschaulich demonstrieren. Vor allem hat der Referent jederzeit ein Gerüst, und die Gefahr, richtig den Faden zu verlieren, ist weitgehend gebannt. Notfalls liest man einfach nur ab. So können auch Ungeübte oder nur mittelmäßig Vortragende durchaus einen gewissen Aufmerksamkeitswert erreichen.

Zeitaufwendige ShoweffekteAndererseits, denkt Franz, dürfte dieser neue Referentenstandard vor allem das Zeitbudget der Manager belasten. Denn diese sind auch meist die Vortragenden. Schon bei der Erstellung der Grafiken geht viel Zeit mit Designen oder dem Basteln von Showeffekten verloren.

Aus eigener Erfahrung weiß er, dass die Erstellung von beispielsweise Powerpoint-Folien richtig Spaß machen kann. Er vergisst dann sich und die Zeit, und es ist fast wieder so wie früher, als er mit Legosteinen eine Burg baute. Leider muss Franz sich am Ende dann doch eingestehen, dass bei den Dingen, die so einfach aussehen, nur selten etwas Designerpreis-Würdiges herauskommt. Franz denkt: Eigentlich sollte ein Referent mal über die Kostenrechnung einer solchen Präsentation einen Vortrag halten.

Zwei Reden sind ihm von der Konferenz noch in Erinnerung geblieben: Eine Gruppe japanischer Wissenschaftler hatte für ihren halbstündigen Vortrag eine umfangreiche Multimedia-Gerätschaft installiert: zwei Beamer, ein Video und auch noch einen Overhead-Projektor. Es war eine Show wie bei MTV. Doch an den Inhalt der Rede kann Franz sich jetzt kaum noch erinnern. Danach war ein Skandinavier dran, er verschränkte die Arme, erzählte ohne technische Ausrüstung eine Geschichte, die er im Lauf der nächsten halben Stunde immer weiter zu einer Botschaft verdichtete. Nach und nach fallen Franz alle wichtigen Gedanken dieser Rede wieder ein. Es ist also doch nicht die Technik, die einen interessanten Vortrag ausmacht, denkt er.

Franz Pixelbauers Alter EgoArno Rolf arbeitet als Informatikprofessor an der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Umweltinformatik sowie Technikfolgenbewertung. Seine Erfahrungen und Erlebnisse mit den Studenten und seinen beiden Söhnen, die im Alter der Internet-Generation sind, hat er in der Kunstfigur des Franz Pixelbauer gebündelt. Dieser ist zwar begeistert von seinem Informatikstudium, stellt sich aber immer wieder Fragen, die über eine rein technische Sicht der Dinge hinausgehen.