Force de Frappe electronique:

Frankreichs Fördermilliarden für die Computerindustrie

12.05.1978

PARIS - Die Grande Nation zeigt sich gegenüber der heimischen EDV-Industrie großzügig: Zwischen 1967 und 1974 wurde die CII mit insgesamt 1,8 Milliarden Franc unterstützt. Ein Mehrfaches davon ließ man sich die Ehe mit Honeywell Bull kosten. Für die Jahre 1971 bis 1980 sind noch mal Mittel in Höhe von rund zwei Milliarden Franc

vorgesehen. Die Strategie für derartige Verteilungspläne stammt von der staatlichen Institution DIELI (Direction de l'industrie electronique et de l'informatique) innerhalb des Ministeriums für Industrie und Technik. DIELl besteht aus zwei Projektgruppen, dem SDE für Technik und Halbleiterentwicklungen sowie dem SDI für Computerhard -und Software.

Über die Ziele der staatlichen Förderung ihrer EDV- und Elektronikindustrie sprechen die Staatsbediensteten recht offen. "Wir wollen den amerikanischen Wettbewerbsdruck reduzieren", erklärt ein Sachbearbeiter. "Wenn auch die IBM in unserem Land einen nicht zu unterschätzenden Beschäftigungsfaktor darstellt, so kann nicht behauptet werden, daß IBM für die französische Allgemeinheit eine positive technische Errungenschaft bildet."

Und der Beamte begründet auch seine deutliche Distanz zur dortigen 20 000 Mann starken IBM-Tochter. Nach seiner Meinung profitiert von den Forschungsergebnissen ausschließlich die IBM selbst. "Darüber hinaus", so der DIELI-Räpräsentant, "haben die Töchter keinerlei Autonomie, und die Aufgaben sind so untergliedert, daß keine industrielle Niederlasssung über eine Computerserie unbeschränkt verfügen kann."

Argwohn und Skepsis gegenüber fremden Einflüssen ist bei den Franzosen verständlich. Immer noch sitzt das uneingestandene Versagen beim Schiffbruch der weltweit bekannten Firma Bull, die zwischen 1955 und 1965 damalige Zeiten über Spitzenprodukte verfügte. Als beim Erobern zusätzlicher ausländischer Märkte dem Unternehmen das Geld ausging, mußte die Aktienmehrheit an den amerikanischen Konzern General Electric abgegeben werden. Erst nach diesem Verlust kam staatliche Hilfe ins Gespräch, und als antiamerikanische Front wurde die CII gegründet.

Frankreichs EDV- und Elektronikindustrie beschäftigt im weitesten Sinne rund 300 000 Personen. Der Jahresumsatz liegt bei 45 Milliarden Franc. Daß die Regierung diese Industrien fördern will, liegt in einer Untersuchung begründet, die nach dem UNIDATA-Debacle erarbeitet wurde. Für eine Subventionierung sprachen folgende Punkte:

- Geringer Verbrauch an Energie und importierten Rohstoffen.

- Umweltfreundlichkeit.

- Funktionsfähige kleine Produktionsstätten in der Größenordnung von etwa 500 Personen; damit günstige Basis für die Raumansiedlungspolitik.

-Hoher Beschäftigungsanteil von Ingenieuren und Technikern, dadurch Begänstigung des sozialen Gefüges.

-Wachstumsrate von zehn Prozent.

Bei den gewährten Investitionen werden als Empfänger drei Gruppen unterschieden: Groß-EDV, Minicomputer und Peripheriegeräte, EDV-Service und Systemhäuser.

Das gesamte französische Potential der Groß-EDV wurde durch Aktienzukauf von Honeywell-Bull-Anteilen im Juni 1976 in der neuen internationalen Gesellschaft CII-Honeywell -Bull vereinigt. (Umsatz 1976: 3,2 Milliarden Franc, bei über 19 000 Mitarbeitern.)

Nach dem Wachstumsplan, dem sich jeder Subventionsempfänger unterwerfen muß, hat sich das Unternehmen verpflichtet, 1980 über sechs Milliarden Franc Umsatz zu erreichen. Zwischen 1976 und 1979 werden zusätzliche degressive Zuwendungen von 1,2 Milliarden Franc gewährt. Der Staat hat darüber hinaus Abnehmezusagen von Rechnern in Höhe von 4 Milliarden Franc unterschrieben. Wird dieser Auftrag überschritten, kürzt man die Zuwendung; bei Unterschreiten des Betrages wird jedoch die Subvention erhöht.

"Damit", so der DlEL-Sprecher, "hat ein europäischer Hersteller erstmals die fachliche Kapazität und Kompetenz sowie Finanzkraft und Verkaufsstärke, um der Vorherrschaft von IBM einen starken Mitbewerber entgegenzusetzen."

Der schnell wachsende Markt für Kleincomputer und Peripheriegeräte hat staatliche Gelder auch in den Bereich der Peri-Informatique fließen lassen. Beim westlichen Nachbarn gibt es rund 30 Hersteller dieses Genres. Die drei führenden: SEMS (Mitra- und Solar-Minis), LogAbax (Kommerzielle Kleinrechner, Drucker und Peripheriegeräte) und Transac/Sintra (Datenkommunikation, Terminals). Die gesamten Firmen dieser Gruppe hatten 1977 einen Umsatz von 1,6 Milliarden Franc; er soll bis 1980 auf 4 Milliarden gesteigert werden.

Staatlich gefördert werden vor allem Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie Expansionsaktivitäten auf Märkten außerhalb des Landes. Die Regierung streckt den betreffenden Firmen 50 Prozent des Finanzbedarfs vor. Darüber hinaus gibt es für langfristige Entwicklungsprojekte Darlehen zu sehr niedrigen Zinsen.

Begünstigt werden besonders Terminal-Lieferanten durch Vertragsvergabe für Installationen im öffentlichen Dienst. Darüber hinaus wird die öffentliche Hand durch 20 Berater eingestimmt, die von DIELI bei EDV- und Systemauswahlproblemen zur Verfügung stehen.

Daß auch Rechenzentren, Software- und Systemhäuser auf der Förderliste stehen, hat in Frankreich einen besonderen Grund. In keinem anderen westlichen Computerland wird die Trennung von Hard- und Software-Lieferung so streng getrennt wie bei den Franzosen. Der Anteil externer Beratung und Programmierung ist deshalb unverhältnismäßig hoch. So ist es nicht verwunderlich, daß die einheimische EDV-Dienstleistungsbranche, gemessen an ihrem Umsatz und Personalbestand, hinter den USA weltweit an zweiter Stelle steht.

Schließlich legt Frankreich auch Wert auf eine weitgehend unabhängige Halbleiterindustrie. In einem Fünfjahresprogramm wurden deshalb für die Weiterentwicklung der hochintegrierten VLSI-Technik 600 Mio. Franc bereitgestellt.

- Klaus Rosenthal ist freiberuflicher EDV-Journalist in Aschaffenburg