Zuletzt vier Börsengänge abgesagt

Frankfurts Neuer Markt muß der Popularität Tribut zollen

24.09.1999
FRANKFURT/M. (CW) - Der Neue Markt ist einmal mehr in die negativen Schlagzeilen geraten. Binnen einer Woche haben zuletzt nicht weniger als vier Emissionskandidaten ihr Going Public abgesagt. Beobachter sprechen von einer völligen Übersättigung des vor zweieinhalb Jahren mit viel Vorschußlorbeeren gestarteten Handelssegmentes für High-Tech-Werte.

Einen selbst für Neue-Markt-Verhältnisse ungewöhnlichen Start legte beispielsweise die Frankfurter MSH International Service AG hin. Der aus der früheren Memorex Telex GmbH hervorgegangene Value-Added-Distributor setzte seinen Emissionspreis mit 15,50 Euro weit unterhalb der Bookbuilding-Spanne fest, die von 18,50 bis 21,50 Euro gereicht hatte. Gleichzeitig wurde Zahl der auszugebenden MSH-Papiere deutlich gesenkt und die Erstnotiz um zwei Tage verschoben. Lakonischer Kommentar des Konsortialführers Deutsche Bank: Die hohe Differenz zwischen Zeichnungsspanne und Ausgabepreis sei die Konsequenz aus der "geänderten Stimmung am Markt gegenüber IT-Werten" gewesen.

Noch schlimmer erging es den Emissionskandidaten PC Ware AG, m + s Elektronik, dem israelischen Hersteller von Überwachungs- und Diagnose-Systemen Oridion Systems sowie dem US-Softwarehaus Main Control. Alle vier Unternehmen sagten vergangene Woche ihr unmittelbar bevorstehendes Debüt auf dem Frankfurter Börsenparkett ab und verschoben das Going Public auf unbestimmte Zeit. Fast überall zogen, wie es heißt, die Banken die Notbremse. Im Falle m + s war aber dem Vernehmen nach ein sich abzeichnender Emissionspreis von unter 13 Euro auch für das Unternehmen selbst unterhalb der "Schmerzgrenze", nachdem die Bookbuilding-Spanne noch von 17,50 bis 21,50 Euro gereicht hatte.

Kenner der Frankfurter Banken- und Börsenszene sprechen mittlerweile von einer völligen Übersättigung des Neuen Markts. Angesichts von mittlerweile 154 gelisteten Unternehmen sei das Geschehen am High-Tech-Ableger der Deutschen Börse AG "intransparent" geworden. Die Geldhäuser seien als Konsortialbanken überlastet und könnten ihrer Prüfungs- und Aufsichtspflicht nicht mehr in angemessener Weise nachkommen, heißt es unter Analysten. Verschärft werde die Situation noch durch die zunehmende Zahl ausländischer Firmen, die ebenfalls - oft auch im Zuge eines zweiten Listings - an den Neuen Markt streben. Mit anderen Worten: Es wird immer schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen. Selbst die institutionellen Anleger sahen sich deshalb zuletzt veranlaßt, deutlich zurückhaltender an der Frankfurter "Zockerbörse" zu investieren.

Was für die zuletzt betroffenen Börsenkandidaten nur ein schwacher Trost sein dürfte: Zumindest die beiden "Perlen" MSH und m + s gelten im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen am Neuen Markt als gesund - vor allem auch in puncto Gewinnentwicklung.