Französisches Kooperations-Modell erfolgreich mit Anwendungsgenerierung:

France Telecom geht offiziell ans ISDN-Netz

16.12.1988

PARIS (bi) - Mit einer in Teilen übereilt erscheinenden Eröffnung des französischen ISDN-Dienstes versuchte sich jetzt die France Telecom als die weltweite Nummer eins in Sachen "Dienste-integrierende Netze" ins internationale Bild zu setzen.

Auf den kritischen Rundumschlag der EG-Kommission, die erst kürzlich ein Nachhinken der europäischen Postverwaltungen um zwei Jahre moniert hatte, reagierten die flotten Franzosen über die offizielle Eröffnungsveranstaltung mit Ministerrede hinaus auch gleich mit einem griffigen Netz-Namen: "Numeris" ist offenbar eine Kreation der letzten Minute; die zahlreichen Festredner hatten sich noch nicht an die Bezeichnung gewöhnt und verharrten in ihrer Technologensprache.

Spekuliert wurde von internationalen Beobachtern, daß sich die selbst installierte Nummer eins mit diesem Geschwindigkeitscoup einiges an Anpassungsarbeiten zum Beispiel an das britische oder auch an das bundesdeutsche ISDN-Netz ersparen wolle. Denn auch die absehbar mangelhafte Kompatibilität der ISDN-Netze in Europa war neben der fehlenden Verfügbarkeit von Endgeräten Kritikpunkt der Brüsseler Kommissare gewesen.

Auf der Grundlage eines berechtigten Stolzes auf ihre Erfolge in Technik und durch Einführungsstrategie des französischen Bildschirmtextes, genannt Teletel, konnten die Postleute in Paris etliche bereits funktionierende ISDN-Anwendungen präsentieren. Beeindruckend waren in erster Linie ein Distributions-Service für aktuelle farbige Pressefotos, die in beachtlicher Schärfe übermittelt werden können, ferner eine Verkaufsunterstützung für einen Immobilien-Fonds per Foto und ein Fernwartungssystem, das auf Mischkommunikation Grafik/Sprachübertragung beruhte.

Die Franzosen setzen bei der leidigen Anwendungsentwicklung auf Kooperationen und nicht auf Fördermittel, beispielsweise aus dem Etat eines Forschungsministeriums. Insgesamt 20 Anwendungen aus allen Branchen, das dürften mehr sein, als derzeit in der Bundesrepublik verfüg- oder auch nur präsentierbar sind, resultieren bereits aus derartigen Kooperationen zwischen Informationsanbietern und der France Telecom, die ihren Partnern Hilfe bei der Software-Entwicklung gewährt und offenbar auch mit sonstigem Know-how nicht geizt.

Drei Verträge wurden mit Pomp und vor großem Publikum neu abgeschlossen: Die Partner sind Bull, Digital Equipment und Electronic Data Systems (EDS).

Partnerschaften mit Bull, Digital und EDS

Diese Partnerschaften beziehen sich alle auf die Entwicklung von Hard- und Software-Produkten sowie von Anwendungen, die herkömmliche DV-Applikationen modifizieren oder substituieren sollen. DEC ist für die Entwicklung neuer Schnittstellen-Karten und Software-Produkte zuständig. EDS und Telesystemes (Tochter der France Telecom) unterzeichneten einen Vertrag, der den Anschluß von DV-Systemen extrem großer Anwender an ISDN über private digitale Netze regelt.

Bis zum Jahresende sollen an das bereits zu 60 bis 70 Prozent flächendeckende Numeris-Netz jeweils an die 200 spezielle Numeris-Anwender in Paris und in der Bretagne angeschlossen sein; bis zum Jahr 1995 hofft Postminister Paul Quiles auf eine halbe Million Numeris-Netzwerker. Dieses Mal sollen die Endgeräte allerdings nicht mehr so wie die Minitels des Teletel-Dienstes kostenlos verteilt werden: Die monatlichen Gebühren betragen 300 Francs, also knapp 100 Mark.