Sponsoren für das G-Win sind dünn gesät

Forschungsnetze bugsieren Unis aus dem Internet-Stau

16.12.1998
CW-Bericht, Frank Niemann MÜNCHEN - Seit dem allgemeinen Internet-Boom leiden Bildungseinrichtungen zunehmend unter dem Bandbreitenschwund. Das soll sich ändern: Die USA bauen im Rahmen ihres Internet-2-Projekts bereits an einem neuen landesweiten Backbone, und hierzulande wird im Jahr 2000 das Gigabit-Wissenschaftsnetz (G-Win) in Betrieb gehen.

In den USA wurden bereits einige amerikanische Universitäten an das landesweite Backbone "Abilene" angebunden. Abilene entsteht unter der Regie der University Corporation for Advanced Internet Development (Ucaid), in der 175 Universitäten, Forschungseinrichtungen, Behörden und Firmen organisiert sind. Laut Ucaid-Präsident Doug Van Houweling wird Abilene noch in diesem Jahr Daten mit bis zu 2,4 Gbit/s übertragen können. Geplant sind Verbindungen mit maximal 9,6 Gbit/s. Im Jahr 2000 soll das Vorhaben abgeschlossen sein.

Rund 40 Industriepartner beteiligen sich an der Initiative. So stellt der Carrier Qwest Communications sein Glasfaser-Backbone zur Verfügung. Der Netzwerkspezialist Nortel Networks bringt seine Synchronous-Optical-Network-(Sonet-)Technik ein, und Cisco Systems steuert IP-over-Sonet-Router bei. Rund 85 Prozent der 500 Millionen Dollar, die Abilene verschlingen wird, spendet die Industrie. Im Gegenzug dürfen die Firmen in eigener Sache Forschung betreiben.

Von solchen Fördergeldern kann der Verein zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes e.V (DFN-Verein) nur träumen. Auch hierzulande hat man zwar die Notwendigkeit eines neuen Netzes für Forschung und Bildung erkannt. Bereits im Frühjahr 2000 soll das Gigabit-Wissenschaftsnetz (G-Win) das bisherige B-Win ablösen. Im Gegensatz zu den USA müssen die deutschen Unis die Kosten aber wahrscheinlich größtenteils selbst tragen. "Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob auch die deutsche Industrie ein neues Wissenschaftsnetz sponsert", äußert sich Klaus-Eckart Maass, kaufmännischer Geschäftsführer des DFN-Vereins, skeptisch. Neben privater Unterstützung erhoffen sich die Forscher auch Gelder aus Bonn. Maass setzt darauf, daß der Bund eine Anschubfinanzierung leisten wird. Schon für das B-Win machte die Regierung 80 Millionen Mark locker. Aus einer Bundestagsrede von Edelgard Bulmahn, der neuen Ministerin für Bildung und Forschung, geht hervor, daß sich auch die Rot-Grüne Koalition für den Ausbau des Forschungsnetzes stark machen will. Wie das Ministerium mitteilte, hängt der Umfang der Fördermittel von den genauen Kosten des G-Win ab.

Erstaunlicherweise kostet das neue Netz laut Eike Jessen nur etwa soviel wie das B-Win. Der Informatikprofessor, Mitglied des DFN-Verwaltungsrats, begründet dies mit dem Preisverfall für Netzkomponenten.

So sei das gesamte im Internet übertragene Datenvolumen zwischen 1990 und 1998 um das 6000fache angestiegen, die Investitionen in Infrastruktur nahmen dagegen nur um das 13fache zu. Ferner kommt dem DFN die geänderte Situation auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt zugute. Im Vergleich zu 1996, als das B-Win startete, kostet Bandbreite nun viel weniger. Noch steht nicht fest, welche Carrier Leitungen bereitstellen werden.

Das G-Win soll etwa den achtfachen Durchsatz des jetzigen Forschungsnetzes aufweisen. Zur Zeit quälen sich ungefähr 60 Terabyte pro Monat durch das B-Win, und das bei einer maximalen Übertragungsrate von 155 Mbit/s. Durchs G-Win sollen einmal Daten mit bis zu 2,4 Gbit/s jagen. Doch dies ist erst der Anfang, denn die Glasfasertechnik bietet noch Potential für wesentlich höhere Brandbreiten. Unter Verwendung mehrerer Lichtwellen ließe sich der Durchsatz auf das 40fache hochschrauben. Jessen geht davon aus, daß der Verkehr jedes Jahr um das Doppelte bis Dreifache anwächst. Das G-Win wird als IP-over-ATM-Netz realisiert, wobei Synchronous Digital Hierarchy (SDH) beziehungsweise Wave Division Multiplexing (WDM) die Basis bildet. Dabei müssen die Forscher ein komplett neues Netz bauen, da sich das B-Win aus technischen Gründen nicht mehr erweitern läßt.

Die Aufgabe des B-Win beschränkt sich nicht darauf, Universitäten zu vernetzen. Das Netzwerk soll darüber hinaus zu Forschungszwecken dienen, insbesondere zum Einsatz von Echtzeitanwendungen wie Videokonferenzen oder gemeinsame Dokumentenbearbeitung (Joint-Editing). Zur Zeit sammelt der DFN Erfahrungen mit Bandbreiten-Management. So betreibt der Verein eine Teststrecke zwischen München und Erlangen sowie ein Pilotnetz zwischen dem Forschungszentrum Jülich, dem GMD-Forschungszentrum Informationstechnik, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie der Universität Köln.

Ohne leistungsstarken Zugang zum kommerziellen Internet wäre das Forschungsnetz nur die Hälfte wert. Über den deutschen Commercial Internet Exchange (DE-CIX) ist das heutige B-Win über eine 34-Mbit/s-Leitung mit den Netzen der Internet-Service-Provider (ISPs) verbunden. Wie es in einer Mitteilung des Electronic Commerce Forum (Eco), einem Verband der deutschen Internet-Wirtschaft, heißt, soll diese Bandbreite nun erhöht werden. Von einem solchen Schritt würde auch das zukünftige G-Win profitieren. Die Verhandlungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Ob das schnellere Forschungsnetz allen Surfern in Deutschland zugute kommt, ist fraglich. "In erster Linie verbessert sich die Situation der Unis", stellt Harald Summa, Geschäftsführer des Electronic Commerce Forums fest, "doch die Staus im kommerziellen Web werden dadurch nicht kürzer.