Verkehr

Forscher machen unsere Straßen schlau

08.08.2013
Von Benjamin Reuter und Andreas Menn

Dunkler Straßenbelag

Das britische Startup ICAX beheizt mit einer ähnlichen Technologie seit 2011 ein riesiges Ausbildungszentrum für 2000 Schüler nahe London. Das Warmwasser liefern 14 Kilometer lange Rohrleitungen auf einem Parkplatz. Gas für die Heizung brauchen die Betreiber nicht mehr.

Andererseits wirkt dunkler Straßenbelag bisher im Sommer wie ein Sonnenfang, der Häuser zusätzlich um bis zu 4,5 Grad aufheizt und den Energiebedarf für Klimaanlagen hochtreibt. Der US-Baustoffhersteller Quest hat daher eine Asphaltfarbe entwickelt, die Wärme reflektiert und so den Aufheizeffekt weitgehend aufhebt.

Straßenbelag frisst Abgase

Eine stark befahrene Straße in Chicago leistet seit wenigen Monaten noch Erstaunlicheres: Ihr Bodenbelag frisst buchstäblich die Abgase, die der über sie rollende Verkehr produziert. Scheint die Sonne auf die Fahrbahn, lösen winzig kleine Partikel aus Titanoxid, die dem Asphalt beigemischt sind, chemische Reaktionen aus. Stickstoffoxide aus Autoabgasen, die beim Menschen zu Lungenschäden führen, verwandeln sich dann in gesundheitsneutrale Salze. Die spült der nächste Regen weg.

Entwickelt hat den Asphalt der italienische Baustoffkonzern Italcementi. Versuche des Unternehmens ergaben, dass die beschichtete Straße bis zu 85 Prozent der Abgase in Bodennähe abbaut. Laut dem Chicagoer Umwelt- und Nachhaltigkeitsreferat kostet die 14 Millionen Dollar teure Strecke sogar rund ein Fünftel weniger als herkömmliche Bauprojekte.

Neuer Asphalt

Einen weiteren Trick hat ein neuartiger Asphalt auf Lager, den der niederländische Wissenschaftler Erik Schlangen von der Universität Delft entwickelt hat: Er repariert sich selbst. Dafür füllt der Forscher zwischen die Steinchen des Straßenbelags einen Kleber, dem er feine Stahlfasern beimischt. Will Schlangen Risse in seinem Straßenbelag schließen, muss er den darin enthaltenen Stahl nur mit einer Art Mikrowelle erhitzen. Daraufhin schmilzt der Asphalt und die Risse schließen sich.

Schlangen und sein Team haben die Technik auf einem stillgelegten Teil der Autobahn A58 in den Niederlanden getestet. Ergebnis: Wenn der Belag alle vier Jahre mit einer speziellen Induktionsmaschine wieder versiegelt wird, verlängert sich die Lebensdauer im Vergleich zu heutigem Asphalt auf das Doppelte, auf bis zu 40 Jahre. Allein in Deutschland wendet die öffentliche Hand jedes Jahr bis zu zehn Milliarden Euro auf, um Straßen zu reparieren. Zumindest ein Teil davon ließe sich künftig vielleicht sparen - durch Verkleben.

Gerade erst tagte in Berlin wieder der Elektromobilitätsgipfel mit Kanzlerin Angela Merkel. Eines der größten Probleme der sauberen Fortbewegung beklagten Experten: die geringe Reichweite der Strommobile.

Aber auch dafür bieten Forscher mit innovativen Straßenkonzepten Lösungen. Wissenschaftler der kalifornischen Eliteuniversität Stanford etwa wollen den Akku von Elektroautos während der Fahrt laden. Dafür müssten im Asphalt und am Boden des Autos Metallspulen angebracht werden, die Energie mithilfe von Induktion durch die Luft übertragen. Laut Berechnungen der Forscher soll die Leistung reichen, um Autos anzutreiben.

Strom tanken über die Induktionsschleife

Bevor aber ganze Autobahnen umgerüstet werden, muss sich die Technik im kleineren Maßstab bewähren – etwa bei Linienbussen. So sollen ab 2014 in Mannheim auf einer Linie Elektrobusse fahren, die an jeder Haltestelle über Induktionsschleifen drahtlos Strom tanken.

Computergesteuerte E-Autos, LEDs im Straßenbelag - das amerikanische Architekturbüro Höweler + Yoon will alles zu einem 750 Kilometer langen, mehrstöckigen Superhighway kombinieren, der Boston mit Washington verbindet. Dort sollen S-Bahnen, Leihautos und Fahrräder verkehren, die Pendler staufrei ans Ziel bringen. Vorteil der hypothetischen Verkehrsader: Sie verbindet alle Verkehrsmittel und braucht weniger Fläche als heutige Trassen.

Güterverkehr

Womöglich wird sich ein Teil des Verkehrs sogar unter die Erde verlagern. Das plant das Schweizer Startup Cargo Tube. In einem breiten Tunnel transportieren E-Mobile Güter aller Art bei Tempo 30 von Stadt zu Stadt. Mit Strom versorgt und gelenkt werden die Transporter wie heute schon in Lagerhallen per Induktionsschleife im Boden. Die Shuttles fahren rund um die Uhr, stehen nie im Stau und sollen dank geringer Personal- und Energiekosten preiswerter sein als Lkw-Transporte.

Während ein ähnliches Projekt der Uni Bochum seit Jahren keine Investoren findet, arbeiten die Schweizer von Beginn an mit Logistikern wie dem Paketdienst DPD und der Supermarktkette Coop zusammen. "Wir haben die wichtigsten potenziellen Nutzer unseres Systems im Boot", sagt Projektleiterin Yvette Körber. Binnen zehn Jahren, hoffen die Schweizer, wäre eine gut 50 Kilometer lange Pilotstrecke von Zürich zum Logistikkreuz Härkingen fertig - und übernähme die Hälfte des Güterverkehrs von der parallelen Autobahn.

Eines der größten aktuellen Verkehrsprobleme wäre zumindest dort vorerst gelöst: der tägliche Lkw-Stau.

(Quelle: Wirtschaftswoche)