European Communication Council legt neuen Bericht vor

Forscher glauben an Zukunft des E-Commerce

16.02.2001
MÜNCHEN (CW) - Der European Communication Council (ECC) hat seine jüngste Bestandsaufnahme der Internet-Ökonomie vorgelegt. Nach Ansicht der Wissenschaftler boomt der E-Commerce weiter.

"Die Trüffelschweine und Minenhunde haben ausgedient. Jetzt beginnt das normale Geschäft." So beschreibt Axel Zerdick die künftige Entwicklung im E-Commerce-Umfeld. Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen entwickelten sich Internet-basierte Geschäftsmodelle mehr und mehr zum Normalfall. Viele Mitarbeiter gescheiterter Dotcom-Unternehmen würden zu Firmen der Old Economy wechseln und dort das E-Commerce-Modell vorantreiben.

Der Zusammenbruch vieler Dotcom-Firmen dürfe dem Berliner Professor zufolge nicht überbewertet werden. Momentan finde eine längst überfällige Korrektur der Börsenwerte statt. Viele Firmen, die sich das Motto E-Commerce auf die Fahnen geschrieben haben, hätten Faktoren wie das Wirkungspotenzial ihrer Produkte, die Reichweite des Marktes sowie die Entwicklungsgeschwindigkeit überschätzt. Auch die weit verbreitete Casino-Zocker-Mentalität habe einigen Firmeninhabern wirtschaftlich das Genick gebrochen.

Der E-Commerce-Anteil am Transaktionsvolumen sei jedoch stark branchenabhängig, erklärt Arnold Picot von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Während der B-to-B-Handel im Fahrzeugbau 2003 bereits 28 Prozent erreichen dürfte, werden Branchen wie die Land- und Forstwirtschaft, deren Wirtschaftsstruktur sich weniger für Internet-basierte Geschäftsmodelle eigne, mit einem Anteil von vier Prozent weiter hinterherhinken.

Der Münchner Professor warnt auch vor möglichen Gefahren des E-Commerce. So ließen sich damit zwar Faktoren wie Absatzpotenzial und Kundenorientierung verbessern. Allerdings müssten sich die Unternehmen auch auf einen intensiveren Wettbewerb und hohe Investitionskosten gefasst machen.

Einen Gesichtspunkt, den die ECC-Wissenschaftler neu aufgenommen haben, behandelt die Aufmerksamkeitsökonomie. Der Baseler Professor Klaus Schrape vertritt die These, dass der Kampf um die Aufmerksamkeit der Kunden sich zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor entwickeln werde. So stehe einem immer größer werdenden Angebot von Sach-, Dienst- und Informationsleistungen eine begrenzte Aufnahme- und Zeitkapazität auf der Kundenseite gegenüber. Neben den traditionellen Ebenen der Markttransaktion wie Güter- und Informationsströme müssten die Firmen zukünftig auch die Aufmerksamkeitsströme in ihre Strategien einbeziehen.

Vor diesem Hintergrund werden laut Schrape die klassischen Massenmedien weiter eine wichtige Rolle spielen. Er rechnet damit, dass diese vom Internet stärker profitieren werden. Der Aufbau von Bekanntheit, Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Image einer Marke allein über das Internet sei dagegen unmöglich.

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer zunehmend medial geprägten Kultur muss künftig der Staat spielen, fordert der Schweizer Wissenschaftler. So dürften sich beispielsweise die Lehrer in den Schulen dem neuen Medium nicht verweigern.

Staatliche Kultuseinrichtungen müssten im Gegenzug entsprechende Initiativen von Schulen und Lehrern fördern. Allerdings werde es Zeit brauchen, bis E-Commerce-Mechanismen zum alltäglichen Leben gehören. Ob jedoch die auf raschen Erfolg programmierte Wirtschaftskultur den Zeitfaktor berücksichtigen wird, bleibt abzuwarten.

Die Rolle des Staates bei der Unterstützung des E-Commerce beurteilen die ECC-Wissenschaftler kritisch. So seien beispielsweise die Regulierungsansätze in der Telekommunikations- und Medienbranche viel zu zaghaft. Zerdick bemängelt unter anderem die länderspezifischen Lösungen bei der Vergabe der UMTS-Lizenzen. Hier wäre eine EU-weite Initiative nötig gewesen.

Infos zum ECCDas 1996 gegründete ECC ist nach eigenen Angaben ein Gremium unabhängiger Wissenschaftler aus Europa und den USA, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Entwicklungen in der Medien- und Telekommunikationsbranche zu analysieren. Dabei gelte es, die aktuelle wissenschaftliche Diskussion in diesem Umfeld zu sondieren und die wichtigsten Trends und Themen herauszuarbeiten. Zielgruppe sind Entscheider aus der Kommunikations- und Medienindustrie. Das ECC wird durch Seven One Media finanziert, den Werbezeitenvermarkter der Pro Sieben.Sat.1 Media AG.

Mitglieder (zuständig für den deutschsprachigen Raum):Professor Dr. Dr. h.c. Arnold Picot: Seminar für Betriebswirtschaftliche Informations- und Kommunikationsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München;

Professor Dr. Klaus Schrape: Professor an der Unversität Basel, Vizedirektor und Leiter des Bereichs Medien und Kommunikation bei der Prognos AG;

Professor Dr. Axel Zerdick: Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin.

Publikationen:- Exploring the limits - Europe''s Changing Communication Environment (1997);

- Die Internet-Ökonomie - Strategien für die digitale Wirtschaft (2001, 3. erweiterte und überarbeitete Auflage).