Forderungen der IBM werden für Hamburger Broker zum Stolperstein:ICC-Pleite offenbart Krise der Leasingbranche

21.03.1986

HAMBURG - "Die IBM hat mich gekillt!" Ulrich Schröder, Inhaber und Alleingeschäftsführer der ICC International Computer & Consulting GmbH mit Sitz in Hamburg, beantragte am 6. März Konkurs. Ein Vergleichsantrag wurde nicht gestellt. Der Konkurs ist inzwischen eröffnet.

Eine Rechnung über knapp 3 Millionen Mark hat der Marktführer der ICC jetzt in Form einer Klageschrift präsentieren lassen. Die Zahlungsaufforderung bezieht sich auf ungerechtfertigte Nachlässe aus dem Bereich Lehre und Forschung, so die Sprechweise der deutschen IBM.

Im November 1984 waren die flotten Deals mit den stark ermäßigten IBM-Rechnern für den Bereich Forschung und Lehre aufgeflogen. In großem Umfang waren preisreduzierte Maschinen, die für Universitäten und Forschungseinrichtungen bestimmt waren, an kommerzielle Unternehmen weitergegeben worden. Die daran beteiligten Leasinggesellschaften zahlten den ausschließlich für die wissenschaftliche Nutzung von IBM-Computern gewährten Rabatt nicht an Big Blue zurück.

Offensichtlich war die deutsche IBM-Tochter aber in dieses Roulette eingeweiht oder spielte gar den Drahtzieher. Nach dem Bekanntwerden des Rabattskandals folgten Entlassungen und ein umfangreiches Revirement in den Top-Etagen der Stuttgarter. In diese Geschäfte mit eingesponnen worden zu sein, hatte damals auch die ICC zugegeben. Schröder erklärte, lediglich drei Maschinen auf diese Weise verschoben zu haben, ansonsten sei die Sache erledigt.

Doch so gelassen wie die ICC nahm die IBM dies offensichtlich nicht. Schon um das Gesicht zu wahren und sich vom Stigma des Mittäters zu befreien, mußte der Mainframe-Marktführer die Flucht nach vorne antreten. Anfang 1985 präsentierte er der ICC eine Rabattnachforderung über 2,8 Millionen Mark. Davon sollten 40 Prozent bis zum 31. Dezember '85 bezahlt werden. Da die Leasinggesellschaft an der Elbehaussee es offensichtlich mit dem Zahlungsziel nicht so genau nahm, wurde die IBM massiv: 2,975 Millionen Mark inklusive Zinsen soll die ICC jetzt auf die Konten des blauen Giganten überweisen.

Damit nicht genug: IBM ließ obendrein die Muskeln spielen. Das Stuttgarter Unternehmen drohte mit einem Lieferstopp, falls ICC die Verbindlichkeiten nicht begleiche. Das Wasser schon am Hals, versucht Schröder jetzt, zum Gegenschlag auszuholen: "Ich meine, daß ich an die IBM einen großen Schadenersatzanspruch habe." Der Boß der insolventen ICC wirft der IBM unseriöse Praktiken vor, die den Ruin seines Geschäftes bewirkt haben sollen. Dazu zählt er einen brutalen Verdrängungswettbewerb, Umgehung des Gleichbehandlungsprinzips, eine aggressive Rabattpolitik zur Eliminierung des Wettbewerbs und Bad-Mouthing größten Stils.

Bei allen Ressentiments gegenüber dem großen DV-Hersteller gibt Schröder aber unumwunden zu: "Die Forderung der IBM war der letzte Tropfen im Wasserglas, in dem die ICC gestorben ist." So bestehen eben nicht nur Verbindlichkeiten gegenüber der IBM. Das Finanzamt hat die Hanseaten ebenfalls zur Kasse gebeten: Mehrwertsteuerzahlungen über mehrere Millionen Mark. Teuer zu stehen gekommen ist die ICC ebenfalls die Beteiligung an dem Neustädter Rechenzentrum ICR.

Zusammen mit den Rheinländern wollte ICC groß ins IBM-PC-Geschäft einsteigen. Doch im hohen Norden mußten die Leasing-Macher erkennen, daß sie die Möglichkeiten überschätzt hatten. 1984, zwei Jahre nach dem Engagement, verkaufte Schröder seine Anteile zurück an ICR; die Verluste in ungenannter Höhe blieben jedoch. Bei der ICC beteuert man gleichwohl, keine Verbindlichkeiten gegenüber Banken zu haben.

Von dem Konkurs der ICC sind 23 Mitarbeiter betroffen. Schröder selber, der seinen beruflichen Weg in Schweden bei Siemens begann, sieht seine Zukunft in der Beraterecke. Er, der gehorsam jahrelang das Hohelied auf die IBM gesungen hat, will mit Big Blue "wenig oder besser gar nichts mehr zu tun haben".

Wegen angeblichen Geldmangels verkaufte Schröder die von ihm 1982 gegründete ICC Euroleasing GmbH zum Januar 1985 an Dieter H. Knoppke, ehemals Geschäftsführer von Amdahl Deutschland. Seit einigen Jahren managt Knoppke bereits verantwortlich die Aktivitäten der ICC Euroleasing Ltd. in Kanada. Das Kürzel ICC wird allerdings jetzt aus dem Firmennamen verschwinden. Was bleibt, ist die Euroleasing GmbH in Hamburg mit Knoppke als Geschäftsführendem Gesellschafter. Aufgabe der ICC Euroleasing GmbH war nach Angaben von Knoppke einst die Abwicklung des Neugeschäftes.

Interessant ist, daß schon einige Zeit vor dem offiziellen Konkursantrag Vorsorge für ein "Ableben" der ICC getroffen wurde. So besteht zwischen der ICC und der Euroleasing ein sogenannter Geschäftsbesorgungs-Vertrag, der von der Pleite unberührt bleibt. Danach liegt die Portfolio-Management-Verantwortung der von ICC installierten Anlagen künftig bei Euroleasing. Konkret: Der Anwender wird sich in Zukunft mit dieser Gesellschaft arrangieren müssen. Juristen haben da so ihre Zweifel. Sie wollen prüfen, ob ICC vor dem Hintergrund des drohenden Konkurses bereits Teile seines Portfolios auf Euroleasing übertragen hat.