Prototyp auf der Google-I/O-Konferenz

Folgt auf die Google Glass die Übersetzungsbrille?

23.05.2022
Von Mike Elgan
Nach der Google Glass hat der Konzern jetzt eine Übersetzungsbrille präsentiert. Sie könnte Augmented Reality auf breiter Front zum Durchbruch verhelfen.
Googles Übersetzungsbrille blendet den übersetzten Text in Echtzeit ein.
Googles Übersetzungsbrille blendet den übersetzten Text in Echtzeit ein.
Foto: Google

Auf seiner Entwicklerkonferenz Google I/O hat der Konzern den Prototypen einer Übersetzungsbrille vorgestellt. Sie soll es eines Tages ermöglichen, mit jemandem in einer Fremdsprache sprechen und die Übersetzung in der Brille zu sehen. Dabei kann die Brille nicht nur Text in Echtzeit in derselben Sprache anzeigen was eine andere Person sagt, sondern auch die Übersetzung in eine andere Sprache - etwa gesprochenes Mandarin als englischen Text.

Smartphone-User werden jetzt vielleicht mit der Achsel zucken und sich fragen, was ist hier die News? Schließlich bietet der Google Translator auf dem Smartphone schon seit längerem die Option, eine Konversation von Menschen, die zwei verschiedene Sprachen, zu übersetzen - und das per akustischer Sprachausgabe. Und genau das ist ein Problem: Der Übersetzungston stört den Gesprächsablauf. Durch die visuelle Darstellung der Übersetzung soll man mit Hilfe der Brille Gesprächen einfacher folgen können. Zudem könnten so auch hörgeschädigte Nutzer an einer Konversation teilnehmen, da sie sehen können, was andere zu ihnen sagen.

Augmented Reality per Brille

Im Gegensatz zu Google Glass ist der Prototyp der Übersetzungsbrille auch Augmented Reality (AR). Im engeren Sinn bot nämlich Google Glass keine erweiterte Realität - die Brille war lediglich ein Heads-up-Display. Die Übersetzungsbrille von Google ist dagegen in der Tat eine AR-Brille, die im Wesentlichen Audiodaten aus der Umgebung aufnimmt und dem Nutzer eine Abschrift des Gesagten in der Sprache seiner Wahl zurückgibt. Auch wenn auf der Google I/O die Übersetzungsfunktion als einzige Anwendung für diese Brille gezeigt wurde, stellt sich die Frage, ob die Brille nicht viel mehr könnte? Schließlich ist die Übersetzung nur eine willkürliche App für die Verarbeitung von Audiodaten in der Cloud.

So funktioniert die Brille

So könnte die Brille problemlos jedes beliebige Audio für jede Anwendung verarbeiten und jeden beliebigen Text oder jedes beliebige Audio für den Brillenträger zurückgeben. Schließlich sendet die Brille lediglich Geräusche in die Cloud und zeigt den Text an, den die Cloud zurückschickt. Dabei sind die Anwendungsmöglichkeiten für die Verarbeitung von Audiodaten und die Rückgabe von verwertbaren oder informativen Kontextinformationen eigentlich unbegrenzt und nur von der verwendeten Cloud-App abhängig. Die Brille könnte jedes beliebige Geräusch senden und dann jeden Text anzeigen, der von der Remote-Anwendung zurückgegeben wird.

Anwendungsszenarien

So ist es denkbar, dass Geräusche wie bei einem Modem kodiert werden. Diese Pieptöne oder Pfeiftöne könnten von der Brille in die Cloud gesendet werden, wo sie wie ein Audio-QR-Code verarbeitet und von den Servern interpretiert werden. Auf diese Weise ließen sich dannbeliebige Informationen zurückliefern und auf der Brille anzeigen - etwa Anweisungen zur Bedienung von Geräten. In einem Museum könnte es Informationen über ein bestimmtes Artefakt sein, während in einem Geschäft Informationen über ein bestimmtes Produkt geliefert werden.

Oder warum kombiniert man die Übersetzungsbrille nicht mit Google Assistant? Es wäre so, als würde man ein intelligentes Display mit Google Assistant verwenden - ein Haushaltsgerät, das neben den normalen Audiodaten auch visuelle Daten aus Google Assistant-Abfragen liefert. Diese visuellen Daten wären in der Brille verfügbar, freihändig, egal wo der Nutzer sich befindet. Aber stellen Sie sich vor, die "Übersetzungsbrille" wäre mit einem Smartphone gekoppelt.

Vorteile gegenüber Google Glass

Letztlich setzt nur die Fantasie den Einsatzmöglichkeiten der Brille Grenzen. Und sie hat im Gegensatz zur Google Glass zwei große Vorteile: Sie hat keine Kamera, was ihre gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen dürfte und die Trägerin bzw. der Träger sehen nicht wie ein Cyborg aus. Schließlich sieht die Brille wie eine ganz normale Sehhilfe aus. Woraus sich gleich die nächste Idee ergibt: Warum die Brille nicht mit verschreibungspflichtigen Gläsern kombinieren?

Noch ist das alles Zukunftsmusik, denn Google machte auf der I/O keine Angaben dazu, ob eine kommerzielle Markteinführung geplant ist.