Fließende Grenzen zwischen Text- und Datenverarbeitung

22.06.1990

Textverarbeitung ist kein Thema für schlagwortorientierte Organisatoren,

Informations-Manager und EDV-Hersteller. Sie wird häufig als antiquiert

abgestempelt, weil man glaubt, daß damit keine Blumentöpfe mehr zu gewinnen

seien. "Haben wir etwa die Sprache verloren oder kehren wir ins Steinzeitalter

zurück?" fragt Helga Steinberger*.

Die Praxis beweist das Gegenteil: Der heutige Anspruch an die Verarbeitung von Texten ist höher denn je. Die Grenzen zwischen Daten- und Textverarbeitung sind fließend. Hard- und Software, aufgabengerecht eingesetzt, bergen für den Nutzer erstaunliche und erhebliche Vorteile.

Wir wissen alle, daß heute kein Mensch mehr in der Lage ist, die auf seinem Schreibtisch landenden umfangreichen Ergüsse vollständig zu lesen, geschweige denn zu verarbeiten. Die täglich über uns hereinbrechende Informationsflut zwingt zum Umdenken. Dazu ist es notwendig, neue Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, schriftliche Ausschweifungen und Zahlenfriedhöfe zu vermeiden. Hierbei bietet uns die Integration von Dateiverwaltungs-, Business- und Grafiksoftware Unterstützung an. Wir müssen nicht bei Adam und Eva beginnen, um Probleme der Textverarbeitung transparent zu machen.

"EVA" spielt eine wesentliche Rolle im Informationsgeschehen, und zwar als Grundprinzip der Informationsverarbeitung: Empfang und Erfassung, Verarbeitung, Archivierung sowie Speicherung.

Diese Tätigkeiten und ihre logische Abfolge müssen unternehmensübergreifend und nicht isoliert gesehen werden. Straffe Strukturen und organisatorische Transparenz bringen hohe Ressourcen-Effekte sowie enorme Kosten- und Zeitvorteile.

Textverarbeitung hat im Rahmen des Informations-Managements zwei Einsatzgebiete. Einerseits dient sie internen Verwaltungstätigkeiten, wie beispielsweise Schriftwechsel, Formular- und Berichtswesen. Andererseits wird sie zu Publikationszwecken herangezogen, zum Beispiel bei Zeitschriften, Zeitungen, Büchern, Service- und Nutzeranleitungen, Werbematerialien.

Kostenreduzierung bereits im Primitivbereich

Wandel und Nutzen, die Textverarbeitung kennzeichnen, zeigen folgende Beispiele.

Beispiel 1: Die "unterste" Stufe der Textverarbeitung ist die jedem bekannte "Kurznotiz", und zwar als Gedankenstütze oder Information .Beide erheben keinen Anspruch auf unmittelbare Weiterverarbeitung des Textes.

Vor einigen Jahren war es wirtschaftlicher, diese "Zettel" in Handschrift und nicht per elektronischer Schreibmaschine, der damals modernsten Technik, zu beschriften

Bei Einsatz von Btx-, Mailbox- oder vernetzten PC-Systemen mit elektronischem Briefkasten lassen sich Notizen heute problemlos 50 Prozent günstiger und in wesentlich kürzerer Zeit austauschen. "Reitende Boten" entfallen ebenso wie die Zettelwirtschaft

Beispiel 2: Adreßdateien, -karteien, Preis- und Stücklisten liefern geradezu Paradebeispiele für redundante Text- und Datenerfassung. Diese Mehrfach-Texterfassung kann heute entfallen, wenn Dateien beziehungsweise Stammdatenverwaltungs-Programme

eingesetzt und von möglichst allen inner- und außerbetrieblichen Stellen genutzt werden.

Vorteile dieser neuen Strukturen und Techniken: Sie reduzieren die Kosten oft um mehr als 75 Prozent. Dies ist unter anderem bedingt durch den Wegfall der redundanten Text- und Datenerfassung und deren Überprüfung.

Es lassen sich damit automatisch kuriose Schreibweisen gleicher Text- und Dateninhalte eliminieren.

Zudem können aus den gespeicherten Texten und Daten beliebig Statistiken und Listen automatisch selektiert beziehungsweise in Balken oder Kuchendiagramme umgewandelt werden. Diese Auswertungen waren früher zusätzlich einzeln "von Hand zu pinseln".

Allein diese beiden Beispiele verdeutlichen, daß sich die heutige Textverarbeitung mit der Datenverarbeitung und anderen Kommunikationseinrichtungen "überlappt" . Jeder kann und sollte daher einmal für sich anhand seines eigenen Aufkommens an Notizen, Dateien und Karteien ein Rechenexempel starten. Er wird dann feststellen, daß die neuzeitliche Textverarbeitung eine erhebliche Kostenreduzierung bereits im "Primitivbereich" bringen kann.

Beispiel 3: Interne und externe Seminare stehen heute für Management und Mitarbeiter sozusagen auf der Tagesordnung. Wir bräuchten den vielen Einladungen zufolge eigentlich nur noch zuzuhören. Wenn wir jedoch die Inhalte rekapitulieren wollen, benötigen wir sie schwarz auf weiß gedruckt. Abhandlungen zu Papier zu bringen ist klassische Textverarbeitung. Das folgende Ablaufbeispiel und die Abbildung 2 zeigen, welcher Zeit- und Kostenaufwand hinter dieser Aufgabe steht.

In der Darstellung wurde unberücksichtigt gelassen, daß die Anschlagleistung von Bürokräften für Texterfassung in den letzten Jahren um durchschnittlich 40 Prozent gefallen und die Fehlerhäufigkeit deutlich gestiegen ist.

Ausgangssituation: Ein 50 Seiten umfassender Text einschließlich Diktat und drei Korrekturdurchgängen des Verfassers erfordert insgesamt neun Arbeitsschritte.

Im ersten Korrekturdurchgang fallen 50 Prozent, im zweiten 20 Prozent und im dritten 5 Prozent Änderungen an.

Bei Einsatz einer elektrischen Schreibmaschine erfordert der erste Arbeitsschritt mit 50 Prozent Textkorrekturen eine Neuschrift des Textes. Die zweite Korrektur zieht wegen des Korrekturanteils von 20 Prozent Veränderungen im Zeilen- und Seitenumbruch nach sich. Die Hälfte des Textes ist neu zu schreiben. Beim letzten Korrekturvorgang werden die Textstellen im Manuskript mit Korrekturlack behandelt beziehungsweise überklebt.

Bei Einsatz der elektronischen Systeme werden Diskettenlaufwerke genutzt. Der Verfasser braucht bei seinen Korrekturdurchgängen nur noch die Änderungsstellen zu überprüfen .

Dieser Text wird anschließend in einer Auflage von 500 Exemplaren publiziert. Dadurch ist eine Weiterverarbeitung notwendig. In der Vergangenheit erfaßte ein Setzer den Text in der Druckerei neu. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten kann der Text direkt verwendet werden. Wie sich hierbei der Nutzen auswirkt, zeigt die Abbildung 3.

Diese Beispiele dürften davon überzeugen, daß die Textverarbeitung nicht "out" ist, sondern einer erfolgreichen Zukunft entgegensieht.