Flexible Informationsauswertung bringt Wettbewerbsvorteile Die Bank of America sucht im Data-Warehouse nach Neukunden

13.10.1995

Von Helga Wick*

Zu den Grossanwendern des hierzulande noch recht neuen Data- Warehousing gehoeren in den USA die Banken. Sie durchforsten meist zugekaufte Daten, um herauszufinden, welche Kundenschicht noch nicht genuegend erschlossen ist. Hilfreich ist dabei, dass jenseits des grossen Teichs der Schutz der Personendaten nicht so wichtig genommen wird wie etwa in Deutschland.

Dem Data-Warehouse der Bank of America wird nachgesagt, weltweit eines der groessten derartigen Systeme zu sein. Fuer einen Ausdruck der 800 GB Daten auf Papier muessten rund 34 000 Baeume sterben. In diesem Informationsbestand sieht Robert Menicucci, Senior Vice- President der Bank of America, eine der wichtigsten Staerken seines Unternehmens.

Wenn Menicucci morgens seinen PC bootet, interessiert ihn moeglicherweise, wie viele der 6000 Bewohner des Silicon Valley - seinem Verkaufsbezirk - das Topmodell einer bestimmten Automarke fahren und gleichzeitig Spielrechte in einem Golfclub besitzen. Der Manager bekommt diese und aehnlich kombinierte Fragen innerhalb von Sekunden beantwortet.

Menicucci und sein Verkaufsteam gewinnen ueber Zahlungsgewohnheiten und die finanzielle Situation ausgewaehlter Kundengruppen detaillierte demografische Einblicke. Mit diesen Daten ausgeruestet, erstellt das Team massgeschneiderte Hypothekendarlehen und andere Finanzprodukte. Die Kundendienst-Anwendung, ueber die diese Aufbereitung von Kundendaten moeglich wurde, kann auch von anderen Abteilungen der Bank genutzt werden.

Die Anwendung, die allen 35 Bezirks-Managern der Bank of America Ende des Jahres zur Verfuegung stehen wird, greift auf das in neun Jahren aufgebaute, 800 GB grosse Data-Warehouse der Bank zu. In der Vergangenheit haben die Kundenberater "den Kunden das Produkt der Woche angepriesen, ohne zu wissen, ob diese es nicht schon besassen", sagt Menicucci und fuegt hinzu:

"Wir haben jetzt eine voellig neue Ausgangsposition."

Data-Warehousing, auch Data-Mining genannt, ist eine Weiterentwicklung der frueheren Decision-Support-Systeme. Die Idee besteht darin, Informationen etwa ueber Absatzzahlen oder Kundendienstleisungen nicht nur fuer den operativen Betrieb zu verwenden und dann zu loeschen, sondern sie aus den verschiedenen Unternehmensbereichen zusammenzufuehren und zu sammeln. Schafft man es, die Daten fuer kombinierte Fragestellungen zugaenglich zu machen, so lassen sich daraus Markttrends ablesen, die ohne eine derartige Technik uebersehen worden waeren.

"Es bringt Vorsprung im Wettbewerb, das steht fest", betont Richard Winter, Analyst bei der Unternehmensberatung The Winter Corp., Cambridge, Massachusetts. Insbesondere Telekommunikations-, Finanz- und Handelsunternehmen nutzen bereits Warehousing, fuegt er hinzu.

Schon die Groesse, aber auch die Bandbreite und kontinuierliche Weiterentwicklung des Data-Warehouses der Bank of America verleihen ihm ueber den Bankensektor hinaus beispielhaften Charakter, urteilen US-Analysten. Ihnen stimmt Bill Bradway, ein Kollege der auf Bankdienstleistungen und Technologie spezialisierten Unternehmensberatung The Tower Group zu, wenn er urteilt: "Diese Implementierung kommt einem unternehmensweiten Data-Warehouse schon sehr nahe."

Waehrend Warehouses in anderen Banken wie zum Beispiel der Chase Manhattan Bank in New York gewoehnlich die Datenbestaende von lediglich einer kleinen Anzahl Abteilungen nutzen, erhaelt das System der Bank of America Daten aus dem gesamten Unternehmen und seinen 30 Geschaeftseinheiten, unterstreicht Bradway.

Laut Charles Griffith, Vice-President of Retail-MIS der Bank of America in Concord, Kalifornien, werden in diesem Jahr 1200 Benutzer mit taeglich bis zu 2500 Anfragen auf das Data-Warehouse zugreifen. Diese Zahl wird weiter steigen, da das gigantische Data-Warehouse immer neue Ansaetze fuer Querbezuege gleichsam selbst hervorbringt. Griffith, der das System seit Inbetriebnahme im Jahr 1986 pflegt: "Wir entwickeln Ideen, die nicht denkbar waeren, wenn sich das Warehouse nicht ueber das gesamte Unternehmen erstrecken wuerde."

Kuerzlich machte sich die Bank auf die Suche nach spanischsprechenden Kunden, die vor der Entscheidung stehen, ein Haus zu kaufen. Gefunden wurden sie durch die Definition von rund ein Dutzend Suchvariablen. Inzwischen wird die ermittelte Gruppe mit einer speziell auf sie abgestimmten Werbung fuer Hypothekendarlehen angesprochen.

Der Erfolg bei einer solchen Suche haengt davon ab, wie intensiv und kreativ das Data-Warehouse genutzt wird. "Viele Banken haben damit begonnen, Kreditkarten-Daten in ihr Warehouse einzuspeisen, aber nur relativ wenige sind weiter gegangen", bemerkte Jerry Grochow, Direktor der American Management Systems Inc. Center of Advanced Technologies, Fairfax.

Die Bank gibt keine Auskunft ueber das zusaetzlich entstandene Geschaeft. Das Data-Warehousing scheint aber immerhin so lukrativ zu sein, dass MIS-Manager Griffith sagen kann: "Wir werden mit Programmen dieser Art fortfahren, das ist ganz sicher."

Trotz der riesigen Dimensionen des Data-Warehouse vergehen bei einer durchschnittlichen Anfrage bis zur Antwort laut Griffith ganze 30 Sekunden. Bei Vorlaeufersystemen mussten die Anwender die DV-Abteilung bemuehen und oft tagelang auf die Informationen warten. Die jetzige Geschwindigkeit ist teilweise auf die Hardware zurueckzufuehren. Ende Januar wechselte die Bank von einem Teradata- System zu einem 3600-Modell von AT&T Global Information Solutions mit 102 Prozessoren. Dabei konnte die Bank ihre bestehende Teradata-Datenbank weiterverwenden.

*Helga Wick ist Geschaeftsfuehrerin der Wick PR in Muenchen.