Flexibilität statt langfristige Personalpolitik

04.03.2005
Längere Arbeitszeiten, kürzere Qualifizierung und Jobs mit Unterbrechungen - was Flexibilität für Mitarbeiter bedeuten kann.

Eine vorausschauende Personalpolitik fällt den meisten Unternehmen schwer. Im Auf und Ab der Konjunktur stellen sie Mitarbeiter ein oder entlassen sie wieder. Um auf Marktschwankungen besser reagieren zu können, fordern Personalverantwortliche noch mehr Flexibilität für die Unternehmen. Das ergab eine Diskussion im Rahmen der "Handelsblatt"-Konferenz "Personal im 21. Jahrhundert".

"Wenn wir in Deutschland so weitermachen, werden wir in drei bis vier Jahren nicht mehr über die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer, sondern über einen Stellenabbau im großen Stil sprechen müssen." Stefan Ries, Global Head Human Resources Business Partner bei der SAP AG, sieht die Zukunft des deutschen Arbeitsmarktes schwarz, wenn dieser nicht dereguliert werde und sich die Beschäftigten nicht auf eine flexible Arbeitswelt einstellten. Deregulierung bedeutet in seinen Augen vor allem die grundsätzliche Möglichkeit für Unternehmen, längere Arbeitszeiten einzuführen. Er warb für die Vertrauensarbeitszeit à la SAP: "Bei uns werden die Aufgaben den Mitarbeitern übertragen, und diese lösen sie in der Zeit, die sie dafür brauchen." Eine solche Flexibilität benötige das Unternehmen, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Auch Lutz Pscherer, stellvertretender Konzernbetriebsratsvorsitzender der Vattenfall Europe AG, hatte im Allgemeinen nichts gegen flexiblere Arbeitszeiten einzuwenden. Allerdings merkte er an, dass man Mitarbeiter, die sich selbst ausbeuten, vor sich selbst schützen müsse.

Flexibilisierung heißt auch für Zeitarbeitsvertreterin Heide Franken das Gebot der Stunde. Die Geschäftsführerin der Randstad Deutschland GmbH fordert ein grundsätzliches Umdenken: "Immer mehr Arbeitnehmer werden Unterbrechungen ihrer Arbeitsverhältnisse erleben müssen. Die Lohnspreizung wird zunehmen, vor allem Niedriglohnsektoren werden sich stärker herausbilden.

Ein konjunktureller Aufschwung geht nicht mehr unbedingt mit der Schaffung von zahlreichen Arbeitsplätzen einher, sondern oft mit Rationalisierung." In diesem Szenario sieht Franken die Zeitarbeit zum einen als Instrument, mit dem Unternehmen auf Marktschwankungen reagieren können. Zum anderen könnten durch sie vor allem geringer Qualifizierte in Lohn und Brot gebracht werden. "Voraussetzung sind aber wesentlich kürzere Qualifizierungen als eine dreijährige Fachausbildung", fordert Franken.

Qualifizierung nach Bedarf

Bei Randstad sind derzeit 25000 Zeitarbeiter unter Vertrag, die Hälfte ungelernte Kräfte. Weiterqualifiziert wird in enger Absprache mit dem Kunden - und wenn ein Auftrag besteht. Diese "punktgenauen Qualifizierungen" sollten laut Franken dieselbe Anerkennung wie eine Fachausbildung erhalten.

Wie sich Unternehmen innerhalb strenger gesetzlicher Grenzen einen gewissen Freiraum in der Personalpolitik schaffen können, zeigte T-Com-Vorstand Karl Knoll am Beispiel seines Unternehmens: Die Festnetzsparte stehe einerseits unter einem großen Rationalisierungsdruck, habe aber andererseits wenig Spielraum für Personalabbau: 80 Prozent der Mitarbeiter, darunter eine Vielzahl von Beamten, sind unkündbar. "Wir können es uns nicht erlauben, Mitarbeiter ohne Arbeit voll zu bezahlen", sagt Knoll. Mittlerweile sind darum schon 20000 Mitarbeiter in die konzerneigene Personalserviceagentur "Vivento" gewechselt, die sich um Servicegeschäft im Drittmarkt bemüht. So unterstützen derzeit 4000 Telekom-Beamte die Arbeitsagentur, unter anderem in Call-Centern für Anfragen zu Hartz IV. Von den 20000 Vivento-Mitarbeitern sind derzeit 16000 in Beschäftigung - ihre Möglichkeit, wieder in den Telekom-Konzern zurückzukehren, schätzt der Vorstand allerdings als niedrig ein, da der Rationalisierungsdruck zu hoch ist. Die Chancen lägen in externen Aufträgen.