IBM-Anwender erhalten einen ärgerlichen Brief

Flankierende Maßnahme für geplante Preiserhöhungen ?

31.10.1975

STUTTGART - Vor wenigen Tagen flatterte allen IBM-Mietkunden ein Brief ins Haus mit dem die Stuttgarter IBM-Zentrale "über einige Änderungen in den Zusatzvereinbarungen zum IBM-Mietabkommen" (Original-Brieftext)informieren wollte. Die Neuregelungen betreffen den Mietplan mit verlängerter Mietzeit (MVM) sowie den Mietplan mit bestimmter Laufzeit (MBM).

Alte Verträge - so heißt es - würden nicht tangiert, die Änderungen gelten ab 16. 12. 75, in der noch verbleibenden - recht kurzen - Übergangszeit bestünde eine Wahlmöglichkeit zwischen alten und neuen Bestimmungen.

Was da unter zwei Punkten den Anwendern mitgeteilt wurde, enthält auf den ersten Blick nichts "Weltbewegendes": Deshalb wird ein Abschnitt "Kaufoption" neu in die Zusatzvereinbarungen aufgenommen und des weiteren festgelegt, daß Mietpreiserhöhungen "nur eingeschränkt wirksam werden" (Obergrenze 3,5 Prozent). Eigentlich Grund genug, den Brief "ohne viel Aufhebens in den IBM-Ordner wandern zu lassen" - wie der EDV-Leiter eines Groß-Anwenders der Computerwoche gegenüber äußerte.

Eine juristische Meisterleistung

Ein kleiner Trick ist jedoch drin. Der zweite Absatz des Briefes endet mit dem Satz: "Es entfällt die bisherige Kündigungsmöglichkeit bei Preiserhöhung von Ablösebeträgen." Das ist der entscheidende Punkt des Textes: "Man muß höllisch aufpassen, um nicht drüberweg zu lesen", warnt Sighart Rotter, EDV-Leiter der Gervais Danone AG, München. Er bezeichnet den Brief, so wie er abgefaßt ist, als juristische Meisterleistung, fügt aber hinzu: "Es ist nicht ganz fair, daß die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten den Anwendern als letzter Satz eines Paragraphen untergejubelt wird, zu dem er eigentlich dem Inhalt nach gar nicht gehört." Nach dieser Regelung ist nämlich ein Kunde mit Langzeitvertrag jetzt insgesamt schlechter gestellt: Die vorzeitige Kündigung von Langzeitverträgen wegen Preiserhöhungen, die bisher möglich war, wird als normale Kündigung gewertet, bei der - je nachdem, wie viele Monate bis zum regulären Vertragsablauf noch verbleiben - Ablösebeträge an IBM zu zahlen wären.

Es muß nicht bei 3,5 Prozent bleiben

Welche Strategie hinter dieser Briefaktion steht, ist leicht auszumachen: IBM will anscheinend nicht riskieren, daß bei Preiserhöhungen, die offensichtlich geplant sind, Langzeitmaschinen zurückkommen.