Flache Hierarchien sind eine Illusion

15.01.2003
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

CW: Sollten Sie nicht gleich mit den Auftraggebern Klartext reden und sie auf die Schwierigkeiten hinweisen?

KÜHL: Mit Bescheidenheit meine ich, dass die soziologische Organisationsberatung davon ausgeht, dass es keine perfekt funktionierende Organisation gibt. Unternehmen müssen sich immer wieder mit Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten auseinander setzen und sich permanenten Veränderungen stellen. Die Lösung eines Problems führt direkt zu einem neuen. Zu den Aufgaben der Manager gehört es, damit klarzukommen, sie haben keine andere Wahl. Sie müssen Schwerarbeit leisten. Deshalb vergleiche ich den Manager und letzlich auch den Berater mit Sisyphos.

CW: Wenn unternehmerische Entscheidungen neue Probleme und Paradoxien schaffen, wie sieht dann ein seriöses Beratungsergebnis aus?

KÜHL: Wir präsentieren keine ganz neuen Lösungen, sondern ermutigen die Unternehmen, anderes auszuprobieren, auch wenn sich die Maßnahmen scheinbar widersprechen. Eine Organisation hält solche Widersprüche aus, sie erlebt sie ständig. Die Aufgabe der Berater ist es, ein Erprobungsfeld zu schaffen, bevor alles endgültig durchdacht ist. Veränderungsprozesse werden in der Metaplan-Methode spiralförmig vorangetrieben. Dazu gehören drei Ebenen: Steuern, Erdenken und Erproben sowie die Rückkoppelung. Die erste Ebene „Steuern“ umfasst die Eckpunkte des Vertrags. Mit dem Auftraggeber wird beispielsweise über Organisatorisches wie Zeitplan, Aufwand, Veränderungsrichtungen und die beteiligten Mitarbeiter gesprochen. In der Erprobungsphase werden verschiedene Lösungswege parallel verfolgt und in die Praxis umgesetzt, die erarbeiteten Konzepte durch Recherchen und Analysen untermauert. Wichtig ist hierbei, dass die

Erprobungsphase beginnt, bevor die theoretischen Überlegungen ganz abgeschlossen sind. Was sich beispielsweise in der Testphase als gute Lösung bewährt hat, wird später beibehalten. In der dritten Phase setzen sich die Beteiligten in Workshops, Gruppengesprächen und Versammlungen mit den erarbeiteten Konzepten und Ideen auseinander und diskutieren darüber.

CW: In Ihrem Buch kritisieren Sie Konzepte, die Mitarbeiter zu mehr Selbständigkeit und unternehmerischem Denken anregen sollen. Solche Ideen verunsichern Ihrer Meinung nach nur. Welche Rolle kommt den Mitarbeitern im Unternehmen zu?