Achtung Steuerfallen

Firmenumzug im Visier der Betriebsprüfer

14.10.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Weitere Fälle

Nicht jede Auslandsaktivität ist eine Funktionsverlagerung. Neben der Funktionsverdoppelung existieren weitere Fälle, in denen der Fiskus keine Schlussbesteuerung der abgehenden Gewinnpotenziale erwartet: etwa wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen werden, eine Mitarbeiterentsendung innerhalb eines Konzerns stattfindet oder eine Geschäftstätigkeit im Ausland ganz neu aufgenommen wird. Um Diskussionen mit dem Betriebsprüfer zu vermeiden, sollten die betroffenen Unternehmen sich eng an den Regelungen des Anwendungserlasses orientieren und die Verlagerungsvorgänge sorgfältig dokumentieren.

Gestaltungsmöglichkeiten konsequent ausschöpfen

Die steuerlichen Folgen einer Funktionsverlagerung können Unternehmen in mehrfacher Hinsicht treffen. Gerade wenn rentable Funktionen übertragen werden oder bedeutende Synergieeffekte beim aufnehmenden Unternehmen bestehen, droht eine hohe Sofortbesteuerung. Oft fehlen der Unternehmensgruppe dafür die liquiden Mittel. Hinzu kommt die Gefahr der Doppelbesteuerung: In nicht allen Ländern können aufnehmende Unternehmen das Entgelt für ein Transferpaket steuerlich berücksichtigen.

Schon in der Planungsphase sollten Unternehmen deshalb alle steuerlichen Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten im Blick haben. Die steuerlichen Belastungen aus grenzüberschreitenden Restrukturierungen können durch die nachfolgend dargestellten Gestaltungsoptionen reduziert werden.

Nutzungsüberlassung:

Die sofortigen Steuerbelastungen einer Funktionsverlagerung, lassen sich vermeiden, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter (z.B. Kundenstamm oder Patente) im Rahmen eines Nutzungsverhältnisses über einen längeren Zeitraum überlassen und nicht übertragen werden. Vorteil: Bei einer Nutzungsüberlassung werden die stillen Reserven nicht sofort, sondern im Laufe der Nutzung - und damit in der Regel über mehrere Jahre verteilt - besteuert.

Wichtig ist, dass die Auslandsfirma für die Nutzung ein laufendes, marktgerechtes Entgelt zahlt. Zwar muss das inländische Unternehmen die Lizenzeinnahmen versteuern, doch kann das ausländische Unternehmen die Lizenzgebühr als Betriebsausgaben geltend machen. Eine Doppelbesteuerung wird vermieden. Vorteilhaft ist darüber hinaus, dass mit der Vereinbarung eines Nutzungsverhältnisses regelmäßig eine umsatz- oder gewinnabhängige Vergütung vereinbart werden kann, die die Anwendung der gesetzlichen Preisanpassungsklausel ausschließt.

Funktionsverdoppelungen:

Nur selten werden Funktionen im Inland komplett abgebaut und im Ausland in derselben Form wieder aufgebaut. Kann ein Unternehmen gegenüber den Finanzbehörden belegen, dass keine Einschränkung der inländischen Funktion erfolgt ist, liegt eine Funktionsverdoppelung vor. Auch hier sind marktgerechte Vergütungen für eventuell überlassene immaterielle Werte zu vereinbaren.

Vorsicht ist geboten, wenn es im Inland in den ersten fünf Jahren nach der Verdoppelung zu Umsatzrückgängen kommt. Wird eine Verlagerung unterstellt, haben Unternehmen nur dann überzeugende Argumente in der Hand, wenn sie die Sachverhalte genau und zeitnah dokumentieren, etwa durch Plan-Ist-Vergleiche, Ursachenanalysen oder Maßnahmenpläne.

Öffnungsklauseln:

Zusätzliche Gestaltungsoptionen bieten zwei der drei gesetzlich geregelten Öffnungsklauseln. Wer die Voraussetzungen für diese Ausnahmeregelungen erfüllt, kann anstelle der Gesamtbewertung auf die Bewertung der tatsächlich verlagerten Einzelwirtschaftsgüter abstellen. So kann eine deutlich niedrigere Bemessungsgrundlage für die Besteuerung erzielt werden.

Die erste der beiden praxisrelevanten Ausnahmen greift, wenn keine "wesentlichen" immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile verlagert werden. Die andere Öffnungsklausel lässt sich anwenden, wenn mindestens ein genau bezeichnetes "wesentliches" immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist. "Wesentlich" ist ein immaterielles Wirtschaftsgut immer dann, wenn es in qualitativer Hinsicht zur Ausübung der Funktion erforderlich ist und qualitativ betrachtet mehr als 25 Prozent des Gesamtwerts der Funktion ausmacht.

Bei der Bestimmung der Relationen kann es sinnvoll sein, das Transferpaket gegebenenfalls durch materielle Wirtschaftsgüter, etwa ein Warenlager oder Barmittel, anzupassen. Auch wenn nach dem Wortlaut der Öffnungsklauseln der Eindruck entsteht, man könne hiermit alle Gesamtbewertungsfälle vermeiden, ist dies leider nicht so. Zumindest die Finanzverwaltung verlangt bei beiden Varianten die Berücksichtigung geschäftswertbildender Faktoren, was de facto wiederum auf eine Gesamtbewertung hinausläuft.