Wenig Jobs, wenig Weiterbildung

Firmen vernachlässigen Generation 50 plus

11.12.2008
Von Anja Dilk und Heike Littger
Nur sechs Prozent der IT-Experten in Unternehmen sind zwischen 50 und 65 Jahre alt. Eigentlich kann sich die Branche diese Arroganz nicht mehr leisten.

Sie fühlen sich an den Rand gedrängt und wenig geschätzt. Sie wollen ranklotzen und werden zunehmend übergangen. Sie möchten ihre Aufgabengebiete verändern und müssen allzu oft im alten Fahrwasser bleiben - Mitarbeiter, die einmal die fünfzig überschritten haben, gelten in deutschen Unternehmen immer noch eher als Ballast denn als wertvolle Manpower - gerade in der jugendlichen IT-Branche. "Doch das werden sich die Firmen nicht mehr lange leisten können", sagt der Personalexperte Marcus Schmitz, Geschäftsführer der IGS-Organisationsberatung in Köln. "Selbst wenn es der Wirtschaft schlechter geht, wird der Fachkräftemangel kaum zu bewältigen sein, ohne ältere Mitarbeiter optimal einzubinden oder zu rekrutieren."

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Aber wie sollten Unternehmen dabei am besten vorgehen? Und was wünschen sich die Älteren selbst, um ihre Fähigkeiten am Arbeitsplatz möglichst effektiv und lange einsetzen zu können? Um das herauszufinden, hat Schmitz knapp 130 Führungskräfte in den IT- und Personalabteilungen, bei der Beratung und im Vertrieb deutscher Unternehmen befragt.

Ältere sind frustriert im Job

Die Ergebnisse der IGS-Studie liegen nun auf dem Tisch. Demnach sind viele ältere Mitarbeiter mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden. Wertschätzung erfahren sie vor allem von Gleichaltrigen auf der gleichen Hierarchieebene oder von den ganz Jungen, denen sie offenbar Orientierung bieten. Insgesamt werden sie nur selten um Rat, nach ihrer Expertenmeinung, ihrem Know-how gefragt und bei Entscheidungen gezielt hinzugezogen - und diese Einbindung ihrer Kompetenz ist für 70 Prozent der Befragten der Gradmesser für Wertschätzung. Fast 90 Prozent wünschen sich einen Generationenmix in den Teams, doch nur bei 35 Prozent ist er Realität. Die 50Plusler sehen ihre Stärken in Gelassenheit, Menschlichkeit, Erfahrung und Pflichtbewusstsein, die Jüngeren dagegen könnten eher mit Flexibilität, Karriereorientierung und Mobilität punkten. "Diese Eigenschaften ergänzen sich hervorragend", so Schmitz. "Doch leider werden sie in den meisten Unternehmen als unvereinbare Gegensätze wahrgenommen."

83 Prozent der älteren Mitarbeiter vermissen Fortbildungsprogramme, die ihren Bedürfnissen entsprechen - inhaltlich und methodisch. Seminare à la "Einführung in Führungsaufgaben" gehen überwiegend an ihnen vorbei. "Diese erfahrenen Leute kann man besser über Diskussionszirkel, über die eigene Reflexion, den systematischen fachlichen Austausch ans Lernen bringen." Dabei sind Mitarbeiter über 50 alles andere als lernfaul. 94 Prozent von ihnen würden sich im letzten Drittel ihrer Karriere gerne verändern, etwa indem sie weniger Führungsverantwortung übernehmen, dafür mehr Projektarbeit machen. Indem sie sich auf die Forschung konzentrieren oder bei Bedarf ihr Arbeitsvolumen etwas drosseln, durch Teilzeitarbeit etwa.

Marcus Schmitz, IGS: "Firmen können ältere Mitarbeiter nicht mehr ignorieren."
Marcus Schmitz, IGS: "Firmen können ältere Mitarbeiter nicht mehr ignorieren."

86,5 Prozent finden nicht, dass ihr Arbeitsplatz auf die Bedürfnisse Älterer zugeschnitten ist, aber 70 Prozent wünschen sich das. In den meisten Firmen gibt es weder spezielle Angebote für Ältere, noch werden sie in letzter Zeit vermehrt eingestellt. Dabei würde es sich für die Unternehmen allemal lohnen, auf die Wünsche der älteren Kollegen einzugehen. "Zumal sich fast die Hälfte vorstellen kann, sogar im Ruhestand auf kleinerer Flamme weiterzuarbeiten", so Schmitz. Voraussetzung: "Um das Potenzial der älteren Mitstreiter optimal zu nutzen, brauchen wir einen Bewusstseinswandel in den Unternehmen."