Firmen suchen im Ausland

04.02.2009
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Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Deutsche Unternehmen schauen sich verstärkt in anderen Ländern nach Fach- und Führungskräften um. Die Erfahrungen sind durchwachsen.

Der ,War for Talents‚Äô findet künftig global statt", prognostiziert Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) an der Fachhochschule Ludgwigshafen. Ihre Begründung: Nach einer Studie des IBE im Auftrag des Personaldienstleisters Hays bei 309 Konzernen und mittelständischen Unternehmen hat mehr als die Hälfte dieser Firmen bereits Mitarbeiter im Ausland rekrutiert. Dass es mit 62 Prozent die großen Unternehmen sind, verwundert kaum. Schließlich tummeln sich auf den Fluren von Siemens, SAP und Co. seit langem fremdsprachige Kollegen. Die befragten Entscheider der großen Unternehmen nennen zum einen ihr Selbstverständnis als globales Unternehmen als Grund für die Auslandsrekrutierung, zum anderen soll die internationale Kompetenz gesteigert werden. Von den Mittelständlern dagegen schauen sich nur 43 Prozent der Befragten nach nichtdeutschen Fachkräften um.

Zu der gesuchten Gruppe von hoch qualifizierten Fachkräften gehören IT-Spezialisten genauso wie Mitarbeiter für Forschung und Entwicklung. "Die Personalstrukturen in den Unternehmen werden internationaler", erklärt Hays-Vorstandsvorsitzender Klaus Breitschopf. Ausländische Kunden zu betreuen und im globalen Kontext Lieferanten zu suchen gehört seiner Meinung nach mittlerweile zur gängigen Praxis von Unternehmen. Doch die Untersuchung zeigt auch Defizite bei der Personalsuche im Ausland auf. Drei Viertel der Entscheider räumen ein, bei der Rekrutierung keine klare Unternehmensstrategie oder detaillierte Planung zu verfolgen. Des Weiteren werden demografische Probleme nicht wahrgenommen. Kurzum - die meisten Unternehmen betreten mit der Auslandsrekrutierung Neuland. Als klassische Rekrutierungsinstrumente werden die eigene Homepage, der direkte Weg über die Unternehmenszentrale oder der Kontakt zu internationalen Universitäten genannt.

"Dabei muss gerade die Rekrutierung ausländischer Mitarbeiter intensiv geplant werden", betont Arbeitsmarktexperte Stephan Pfisterer vom Branchenverband Bitkom. "Welche Abteilungen benötigen die Kollegen, wie sieht es mit der Einarbeitung, wie mit Sprachkenntnissen aus, wer kommt zu Beginn des Arbeitsverhältnisses als Mentor für den Neuen in Frage?", fährt er fort. Die nichtdeutschen Kollegen würden ja nicht nur rekrutiert, weil sie technisch fit seien, sondern weil sie für Internationalität ständen. Wenn beispielsweise ein Unternehmen seine Fühler nach Osteuropa oder dem asiatischen Raum ausstrecke, sei der Erfolg mit einem rein deutschen Team nicht gerade programmiert.

Mittelstand tut sich schwer

Für einen neuen Zielmarkt holt sich das Unternehmen laut Pfisterer idealerweise einen "Einheimischen" ins Boot. Der ausländische Kollege beherrsche die Sprache des Landes, kenne das kulturelle Umfeld und wisse, wie man mit wem kommunizieren sollte. Der Job selbst kann nach Erfahrungen des Bitkom-Experten durchaus von der deutschen Unternehmenszentrale aus gesteuert werden. Wenn der ausländische Kollege als Gruppencoach oder Projektleiter tätig sei, könnten die deutschen Mitarbeiter von ihm nur lernen. Pfisterer: "Von ihrem Kollegen aus dem anvisierten Zielmarkt erfahren sie, wie dieser tickt, und können dieses Know-how bei den neuen Kunden einbringen." Seiner Meinung nach lohnt sich der große anfängliche Aufwand, da die spätere gute Integrationsleistung ein Garant für den Erfolg sei.

"In deutschen Konzernen ist die Integration ausländischer Kollegen seit Jahren gang und gäbe", betont Pfisterer. Eine Vorreiterrolle würden unter anderem IT-Hersteller, Software- oder Consulting-Häuser einnehmen. Hier kümmern sich spezielle Abteilungen oder HR-Fachleute um die firmeninterne Versetzung oder den Austausch zwischen den Standorten. Seit neuestem aber seien ausländische Kollegen auch ein Thema für mittlere Betriebe. Pfisterer: "Diese Unternehmen sind es aber bislang nicht gewohnt, mit unterschiedlichen Mentalitäten, Arbeitsstilen und Sprachen umzugehen. " Wenn in einem nicht so großen Unternehmen Kollegen aus dem Ausland kommen, kann es wegen unzureichender Vorbereitung leicht schiefgehen."

Virtuelles Arbeiten ersetzt die Reisen

Pfisterers Resümee: "Bis hierzulande mit international besetzten Teams ebenso selbstverständlich gearbeitet wird wie in manch anderen Ländern, dauert es noch ein paar Jahre." Das Zuwanderungsrecht stelle dabei keine echte Unterstützung dar. "Diejenigen Unternehmen, denen es in nächster Zeit gelingt, hier Erfahrungen zu sammeln, sind für die Zukunft gut gerüstet. Wer sich allerdings nicht öffnet, geht ein hohes Risiko ein", so der Bitkom-Arbeitsmarktexperte.

Die Hellmann Worldwide Logistics in Osnabrück gehört zu den Unternehmen, in denen deutsche und ausländische Mitarbeiter seit Jahren zusammenarbeiten. CIO Jürgen Burger ist froh, dass die Rekrutierung ausländischer Mitarbeiter, die in der Niederlassung des jeweiligen Landes ihren Job tun, reibungslos vonstatten geht. Das Gleiche gelte für Beschäftigte, die zeitweise in Deutschland und zeitweise an den Standorten ihres Heimatlandes tätig sind. Der Grund für die reibungslose Abwicklung ist die gemeinsame Payroll, auf der alle in- und ausländischen Kollegen stehen. Sie erspare dem Unternehmen verwaltungstechnische Schwierigkeiten wie Visa-Genehmigung, Aufenthaltserlaubnis oder Versicherungen. Der Osnabrücker CIO: "Diesen Vorteil wissen wir zu schätzen." Andere Beschäftigte, die in den USA tätig sein müssen, gehen ihrem Job teilweise in Osnabrück virtuell nach. Sie arbeiten bis zu einem gewissen zeitlichen Limit in den USA und kehren dann wieder nach Deutschland zurück.

Bei der Fressnapf AG in Krefeld ist das Thema Internationalität ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Schließlich ist Europas größte Fachmarktkette für Haustierbedarf in zwölf Ländern vertreten. Um den Einzelhandel in den einzelnen Ländern zu betreuen, benötigt das Unternehmen eigenen Angaben zufolge Mitarbeiter, die nicht nur die jeweilige Sprache beherrschen, sondern zudem mit den landestypischen Gegebenheiten vertraut sind. So seien im Bereich Business Services Mitarbeiter 50 Prozent ihrer Zeit in der Zentrale in Krefeld und 50 Prozent in dem jeweiligen Land tätig. CIO Bernd Hilgenberg: "Das alles funktioniert ohne große Schwierigkeiten."

Weniger einfach sei es aber gewesen, einen ausländischen IT-Fachmann für die Krefelder Zentrale zu finden. Weil in Deutschland niemand zu finden war, schaltete das Unternehmen Stellenanzeigen im Ausland. "Nach einer Reihe von Gesprächen entschieden wir uns für eine ungarische IT-Fachfrau. Und von da an nahm das Drama seinen Lauf", so der IT-Chef.

Bürokratischer Aufwand schreckt ab

Der Verwaltungsakt, einen nichtdeutschen Mitarbeiter in einem deutschen Unternehmen zu beschäftigen, war laut Hilgenberg derart umfangreich, dass das Unternehmen zeitweise eine Person ganztags damit beschäftigen musste, sich mit der An- und Abmeldung der Krankenkasse, den diversen Versicherungen, der Art und Weise der Bezahlung etc. auseinanderzusetzen. "Ich wurde sogar aufgefordert, mich beim ungarischen Staat registrieren zu lassen", berichtet der Fressnapf-Manager.

Unter anderem musste geklärt werden, ob es sich im Fall der ungarischen Kollegin um einen Aufenthalt oder eine Entsendung handle, ob der deutsche Arbeitsvertrag in Ungarisch geschrieben sein muss und wer die Sozialabgaben abführt. Letztere zahle die Kollegin mittlerweile selbst, da das Unternehmen dazu nicht befugt sei. Nach dieser Erfahrung sei Fressnapf klar geworden, warum große Unternehmen für das Rekrutieren ihrer ausländischen Kollegen eigene Abteilungen ins Leben gerufen hätten. "Da die Kollegin wirklich gut ist, hat sich der Aufwand gelohnt, aber er schreckt davon ab, weitere Mitarbeiter aus dem Ausland einzustellen", bilanziert Hilgenberg.

Führen durch klare Anweisungen

Über jede Menge Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ausländischen Fachkräften verfügt auch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg, und zwar hauptsächlich im jeweiligen Land. Das Unternehmen sucht dann entweder eine ausländische Partnerfirma vor Ort, die von der projektleitenden GfK-Firma aus gesteuert wird, oder stellt Fachkräfte in der lokalen eigenen Tochterfirma für die gewünschten Aufgaben ein. Der IT-Verantwortliche Rainer Ostermeyer: "Unsere Erfahrungen in der Softwareentwicklung sind gemischt."

Während die Zusammenarbeit mit den Kollegen einer externen ungarischen Entwicklungsfirma sehr gut war, traten bei selbst eingestellten IT-Fachkräften in der Ukraine oder mit indischen externen Partnerfirmen große Probleme auf." Obwohl die betreffenden ausländischen IT-Profis bei der GfK im Rahmen des jeweiligen Projekts ausreichend informiert und eingewiesen wurden und über exzellente IT-Kenntnisse verfügten, seien die Ergebnisse eher enttäuschend gewesen. Ostermeyer plädiert dafür, die ausländischen Fachkräfte durch klare Anweisungen zu führen. Da das aber großen Aufwand verursacht, versteht er, dass viele deutsche Unternehmen sich zurückhalten, wenn es darum geht, sich mit ausländischen Experten zu verstärken. (hk)

Studie: Internationales Recruiting

Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) befragte 309 Unternehmensvertreter zu ihren internationalen Rekrutierungsstrategien. Gesucht werden demnach vor allem hochqualifizierte Spezalisten (72 Prozent). Laut Studie fahnden die befragten Unternehmen vor allem nach IT-Profis (40 Prozent) sowie Mitarbeitern für Forschung und Entwicklung (37 Prozent). Führungskräfte stehen ebenfalls auf der Liste weit oben. Der Bedarf in diesen Bereichen bleibt laut IBE auch künftig hoch. Noch stärker gefragt sind in den nächsten Jahren technisch ausgebildete Mitarbeiter (54 Prozent). Fündig werden Personaler, so die IBE-Studie, vor allem in Osteuropa (41 Prozent). Erst dann folgt das deutschsprachige Ausland (34 Prozent) vor England (29 Prozent) sowie den USA und Indien.