Markt für Content Syndication im Internet wächst

Firmen peppen ihre Sites mit fremden Inhalten auf

20.10.2000
MÜNCHEN - Web-Portale beziehen eine Fülle an Inhalten aus externen Quellen, um Surfer an ihre Seiten zu fesseln. Gekauft werden Texte, Bilder, Videos und Musik - entweder direkt von Medienhäusern oder über Content-Broker. Das Geschäft mit Medieninhalten via Web - neudeutsch Content Syndication - blüht.

Der Slogan "Content is king" klingt zwar abgegriffen, hat aber nichts an Aktualität eingebüßt. Schließlich sind es die Inhalte, die den Internet-Benutzer an eine Website binden. Portale wie Yahoo, Lycos, Excite, Altavista und Infoseek beziehen deshalb seit Jahren Inhalte von Dritten. Schon wegen ihrer Haupteinnahmequelle, dem Verkauf von Online-Werbefläche, können sie es sich nicht leisten, dass Surfer ihr Informationsbedürfnis anderswo befriedigen.

Nach dem Vorbild der Portale kaufen jetzt auch immer mehr Firmen Inhalte ein, um ihre Websites attraktiver zu gestalten. So garniert der Online-Broker Comdirect Bank AG seine Homepage mit Börsendaten, Aktienindizes sowie Wirtschaftsmeldungen, die allesamt von Nachrichtenagenturen stammen. Auch die Dresdner Bank offeriert auf ihrem seit Ende Juli freigeschalteten Firmenfinanzportal (www.firmenfinanzportal.de) fremden Content: Unter der Rubrik "News and Trade" präsentiert das Geldhaus Nachrichten aus aller Welt sowie Wirtschaftsmeldungen, die der Online-Ableger des Fernsehsenders N-TV produziert. Verdienen möchte die Bank mit Transaktionsgebühren sowie mit Diensten wie der elektronischen Abwicklung des Rechnungswesens oder dem Vermieten von Internet-Shops.

Die Bank ist natürlich nicht der einzige Abnehmer der N-TV-Inhalte. Ähnlich wie die Nachrichtenagenturen dpa, AFP oder Reuters beliefert der Fernsehsender viele Kunden. Dieser Prozess der Mehrfachverwertung von Inhalten trägt die Bezeichnung Syndikation, wobei das Vermarktungskonzept schon so alt ist wie die Agenturen selbst. Beim Syndikationsgeschäft im Web stehen sich Anbieter elektronischer Inhalte und die Betreiber von Websites als Geschäftspartner gegenüber. Häufig ist als Intermediär noch ein Content-Broker beteiligt.

Immer mehr Verlage erkennen den Nutzen dieses Modells, mit dem sie Ware - Informationen in Form von Texten, Bildern, Filmen oder Tönen - auf einem zusätzlichen Weg vermarkten. Sie müssten viel investieren, um ihre Inhalte über die bestehenden Kanäle hinaus an Endkunden verkaufen zu können, doch viele scheuen den Aufwand. "Insbesondere Buchverlage tun sich schwer mit dem Business-to-Consumer-Geschäft", resümierte Andreas Meyer vom Beratungshaus Verlagsconsult in München während des 2. Buchmarktforums in München, das unter dem Motto "Buch-Content aktiv vermarkten" stand.

Weniger aufwändig dürfte es für Buchverlage sein, ins Business-to-Business-Geschäft mit Inhalten einzusteigen. Betreiber von Websites, allen voran solche mit hohem Publikumsaufkommen und E-Commerce-Angeboten, sind auf der Suche nach attraktiven Inhalten, die sie aus Kostengründen oder mangels Know-how selbst kaum erstellen können. Und die Nachfrage wächst: Das Marktforschungsunternehmen Jupiter Media Metrix beziffert das weltweite Geschäft mit Content Syndication in diesem Jahr auf 250 Millionen Dollar. In vier Jahren sollen es 1,5 Milliarden Dollar sein.

Portale, Mobilfunkanbieter, Internet-Service-Provider sowie Firmen, die E-Commerce betreiben, sind den Analysten von Forrester Research zufolge die eifrigsten Abnehmer von externen Web-Inhalten. Sie beziehen die Informationen dabei entweder direkt von den Verlagen oder wenden sich an einen Content-Broker. Während in den USA Unternehmen wie Isyndicate, Screamingmedia und Yellowbrix schon länger Content Syndication betreiben, sind es in Deutschland vor allem junge Firmen, die dieses Geschäft entdecken. Zu ihnen zählen 4Content AG aus Hamburg sowie die Münchner Anbieter Econtent Services und Tanto AG. Mit Letzterer arbeitet die IDG Interactive GmbH zusammen, eine Schwesterfirma des Computerwoche Verlags. Content-Broker sammeln Inhalte von Medienhäusern oder Freelancern und stellen ihn in Datenbanken zum Abruf für die Kundschaft bereit. Dabei helfen sie sowohl den Content-Anbietern als auch den Käufern bei der technischen Realisierung und übernehmen die Abrechnung. Meist können Firmen aus einem breiten Spektrum an Inhalten, etwa aus den Bereichen Wirtschaft, Sport, Unterhaltung, Freizeit, Computer und Internet wählen.

Verlage gründen Content-Broker-FirmenDas Geschäft mit dem Content-Handel entdecken jedoch auch die großen Verlage, etwa die Holtzbrink-Gruppe, deren Tochtergesellschaft Contara AG Inhalte vermittelt. Das Startup-Unternehmen soll sowohl die hauseigenen Publikationen als auch die Produkte anderer Medienhäuser vermarkten. Ende September gaben die Bertelsmann AG und Isyndicate die Gründung eines europäischen Joint Ventures namens Isyndicate Europe bekannt. Da sowohl hinter dieser Firma als auch hinter Contara Medienhäuser stehen, stellt sich allerdings die Frage, wie groß ihr Interesse ist, Inhalte von Drittverlagen durch ihre Netze zu schleusen.

Zu den Unternehmen, die auf fremden Content angewiesen sind, zählt beispielsweise das Portal Gesundheitscout24.de. Mit Inhalten von Fachverlagen will die Internet-Firma Kompetenz im Medizinbereich dokumentierten. Mit einem Content-Broker arbeitet das in Köln beheimatete Unternehmen nicht zusammen. Stattdessen bezieht es externe Fachinformationen für seinen Online-Gesundheitsratgeber direkt von Verlagen wie Urban & Fischer, Jahreszeiten, Walter de Gruyter sowie Gräfe und Unzer. Der Grund: Die Inhalte, beispielsweise medizinische Ratschläge, werden von den bei Gesundheitscout24 beschäftigten 31 Medizinern geprüft und validiert, bevor sie auf die Website gelangen.

Für die Anlieferung der Texte, Bilder und Grafiken nutzt der Online-Medizinratgeber meist das File Transfer Protocol (FTP). Oft handelt es sich um Dateien in Formaten wie Plaintext, Word, PDF oder HTML, die sich Gesundheitscout24 direkt von den FTP-Servern der Verlage holt. Die medizinische Online-Redaktion bereitet diese Inhalte dann für das Web auf. Gleichwohl schreiben die Redakteure, ein Team von derzeit 13 der insgesamt 31 Fachärzte, auch eigene Texte für das Online-Angebot. Als Redaktionssystem dient dem Team die Web-Content-Management-Software "Spectra" von Allaire.

Zwar bieten sich mit der Extensible Markup Language (XML) eine Fülle von Möglichkeiten, Inhalte zwischen Firmen auf elegantere Art auszutauschen, als Word- und PDF-Dateien per Dateitransfer zu versenden (siehe Kasten "Syndication-Standard). Dies setzt aber voraus, dass beide Seiten auf dem gleichen technischen Stand sind. Das scheint jedoch nicht bei allen Verlagen der Fall zu sein.

N-TV Online zählt zu denen, die bereits XML nutzen. So erhält die Dresdner Bank die News für ihr Firmenfinanzportal in diesem Format und kann sie direkt in ihre Online-Plattform einbinden. Auch das Kreditinstitut verzichtet zunächst auf einen Content Broker und bezieht die Inhalte direkt vom Fernsehsender, wobei sich die Frankfurter nicht grundsätzlich gegen eine Zusammenarbeit mit Intermediären sperren. Die Bank liebäugelte zunächst mit einer eigenen Online-Redaktion, entschied sich dann aus Kostengründen allerdings für den Zukauf von Web-Inhalten. Trotzdem möchte die Bank auch vermehrt eigene Informationen, zum Beispiel Wirtschaftsberichte über bestimmte Branchen, über das Portal veröffentlichen.

Eine wichtige Rolle im Geschäft mit den Inhalten spielen Web-Content-Management-Systeme, und zwar sowohl bei Erzeugern und Brokern als auch bei Einkäufern. Die Hersteller solcher Systeme statten ihre Software daher mit Syndikationsfunktionen aus. Vignette hat mit dem "Syndication Server" eine spezielle Software entwickelt, die sich allerdings nur große Firmen leisten können. Doch nicht jeder Site-Betreiber muss im Besitz eines Content-Management-Systems sein, um Inhalte aus fremden Quellen zu beziehen. So können die Site-Betreiber beim Content-Broker Tanto über ein Javascript-Modul, das in die Web-Seite eingebunden wird, Inhalte aus Tantos Datenbank automatisch abrufen und im Web darstellen. Allerdings sind die Gestaltungsmöglichkeiten dadurch eingeschränkt. Will ein Unternehmen die Inhalte weiterverarbeiten oder soll das Online-Angebot eine Suchfunktion enthalten, über die der Surfer auch in den zugekauften Informationen stöbern kann, wird es um eine Content-Management-Software kaum herumkommen.

Der Broker 4Content versendet Inhalte sowohl in den Formaten HTML als auch in der Wireless Markup Language (WML), der Auszeichnungssprache für WAP-fähige Handys. Von diesem Angebot macht der Rechnerhersteller Fujitsu-Siemens Computers Gebrauch und bezieht von 4Content Formel-1-News für seine Homepage, wobei die Site-Besucher die Nachrichten sowohl via Web als auch über WAP und SMS abrufen können.

Abgerechnet werden die Inhalte nach verschiedenen Methoden. Bei Tanto beispielsweise kann der Site-Betreiber Newsticker im Pay-per-View-Verfahren abonnieren. Gebühren fallen erst an, wenn ein Surfer eine Meldung anklickt - die Preise liegen bei etwa 20 Euro für tausend Klicks. Bei der Variante Pauschalbezug entrichtet der Content-Abnehmer eine feste Monatsgebühr beispielsweise für dpa-Meldungen. Der Kunde kann zudem im Subskriptionsmodell alle Inhalte, die Tanto vermittelt, gegen eine Pauschalgebühr mieten.

Die Dresdner Bank zahlt für die N-TV-News eine Pauschale, strebt aber ein Pay-per-View-Bezahlmodell an. "Es lässt sich nur sehr schwer ermitteln, was die gekauften Inhalte uns an zusätzlichen Transaktionen bringen", so Stephan Müller, Bereichsleiter des E-Commerce-Centers für Firmenkunden bei dem Geldhaus. Ganz anders verfährt Gesundheitscout24. Bei der Übernahme gesamter Fachbücher in den Content-Bereich nimmt das Unternehmen bestimmte Bücher oder Teile davon auf Basis festdefinierter Lizenzgebühren ab. Diese sind nicht von den Zugriffen abhängig.

syndication-standard

Information and Content Exchange

Mit dem Industriestandard "Information and Content Exchange" (ICE) wurde ein Protokoll spezifiziert, mit dem Content-Geber und -Nehmer sowie Broker elektronisch Inhalte austauschen können. Hinter ICE steht das Industriekonsortium Idealliance (www.idealliance.org). In der Version 1.1 lassen sich beispielsweise Lieferzeit und Häufigkeit von Inhalten sowie Parameter wie Preise oder die Auflösung von Grafiken festlegen. Noch gibt es kaum Nutzer in Deutschland, doch einige Anbieter von E-Commerce-Software und Web-Content-Management-Systemen haben ICE in ihre Produkte integriert oder stehen kurz davor.